Die E-Mail, die dieser Tage in das Postfach der weltweit 57.000 Microsoft-Mitarbeiter getropft ist, enthält schwer verdauliches Material. 4900 Wörter braucht Microsoft-Chef Steve Ballmer, um seinen Untergebenen beizubringen, dass die fetten Jahren vorbei sind. Konkret heißt das: Kostensenkungen von einer Milliarde Dollar. Stellenstreichungen sollen dabei vermieden werden, auch wenn Ballmer die sinkende Arbeitsmoral der Mitarbeiter bekrittelt.
In der jährlichen Mitteilung an die Beschäftigten, die traditionell auch die Finanzziele des Unternehmens für das laufende Geschäftsjahr beinhaltet, drängte er die Angestellten, mehr Verantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen. Sie müssten ihre Ziele deutlicher als in der Vergangenheit abstecken und fünf bis sieben Mal pro Jahr einen verbindlichen Zwischencheck machen. Grund für die Forderung: In inzwischen drei aufeinander folgenden Jahren seien die Ausgaben stärker gestiegen als die Einnahmen. Microsofts Betriebskosten lagen im vorigen Geschäftsjahr bei rund 19 Milliarden Dollar, im Jahr zuvor etwas über 16 Milliarden. Nach den Worten eines Unternehmenssprechers sind aber keine Entlassungen geplant, die Zahl der Neueinstellungen werde im Vergleich zu den vergangenen Jahren “gleich” bleiben.
Ein problematischer Kostenfaktor sei vor allem die Gesundheitsversorgung der Mitarbeiter. Die Ausgaben dafür würden im laufenden Geschäftsjahr um rund sechs Prozent steigen, insgesamt seien sie seit 2001 um rund 50 Prozent in die Höhe geschossen. Laut Ballmer wird Microsoft deshalb künftig vor allem bei den Lohnnebenkosten sparen, zudem sollen die Geschäftsbereiche Marketing und Werbung zusammengelegt werden. Die Zahl der Partner, mit deren Hilfe Redmond Event-Planung, Direkt-Mailing und andere Aktivitäten zur Kundenbindung betreibt, sollen ebenfalls reduziert werden.
“Wir müssen auch daran arbeiten, eine Reihe von Kunden-Auffassungen zu verändern, zum Beispiel die, dass ältere Versionen von Office und Windows gut genug sind oder dass sich Microsoft nicht genügend um Sicherheit kümmert”, schreibt Ballmer weiter. Als Schlüssel für das langfristige Wachstums des Konzerns bezeichnete der CEO ‘Longhorn’, die neueste Version des Windows Betriebssystems, das irgendwann nach 2006 herauskommen soll. “Longhorn ist ein entscheidender Schritt vorwärts und zwischen jetzt und dann haben wir Tablet, Digital Media, Sicherheitsinnovationen im Windows XP SP2 und neue Office-Fähigkeiten, um die Kunden zu verblüffen”.
Insgesamt, so Ballmer, sei er aber “euphorisch und optimistisch”, was die Zukunft des Konzerns angeht. Gleichzeitig warnte er vor den “Fallen der Konzerngröße”. “Wir müssen verhindern, dass wir ein großer, prozessgebundener, bürokratischer Apparat werden”, so der Microsoft-Chef in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP. Auch Analysten befürchten, dass Microsofts Größe die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens einschränken könnte. Noch mehr Sorgen als über den eigenen Gigantismus macht sich Ballmer allerdings über die wachsende Open-Source-Community. “Die größte Bedrohung unter den Konkurrenten für unser Geschäft existiert immer noch – und wird es auch weiter tun – in Form von Linux und anderen Open-Source-Produkten.”
Memos und Rund-Mails an alle Mitarbeiter haben eine lange Tradition in Microsofts Führungsriege. So warnte Bill Gates 1995 seine Mitarbeiter per Mail vor einer “Flutwelle” des Internets, die die PC-Software des Unternehmens ins Abseits zu drängen drohe. Und bereits zwei Jahrzehnte zuvor hatte der jugendliche Bill in einem Rundschreiben geäußert, dass “Bastler”, die Software teilen, sich des Diebstahls schuldig machen.
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