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Voice over IP: Der weite Weg zum Massengeschäft

Seit kurzem taucht das Thema VoIP in Verbindung mit großen Namen aus der IT- und TK-Industrie auf: AT&T, Hitachi und Texas Instruments sind nur ein paar Beispiele dafür. Besonders auf dem US-amerikanischen Markt ist die VoIP-Thematik derzeit wieder en vogue. Fakt ist, dass für Unternehmen, die ihre Sprachtelefonie modernisieren müssen, eine IP-basierte Lösung durchaus Sinn machen kann.
Dabei gehe es aber “nicht einfach um eine Ablösung der tradierten Sprachtelefonie, sondern um einen Mehrwert”, sagt Michael Meyer, Leiter Strategisches Marketing und Produktentwicklung im Enterprise-Geschäft bei Siemens Netzwerksparte ICN. “Es geht darum, auf der etablierten Infrastruktur für die IP-Kommunikation, gleichberechtigte und integrierte Anwendungen für Sprache und Daten zu schaffen.” Meyer spricht deshalb auch marketinggerecht von “Communication over IP” – also der Vermittlung sämtlicher Kommunikationsdienste über das IP-Netz, egal, ob Sprache, Daten oder bewegte Bilder.

Eines der Vorzeigeprojekte der Münchner ist die Walldorfer SAP, die ihre Kommunikation inzwischen weitgehend über IP-Netze abwickelt. Uwe Lepa, Business Development Manager beim Netzwerkspezialisten Cisco, will den Nutzen von VoIP jedoch nicht nur in der Vereinheitlichung der Kommunikationsplattform sehen. “Typische Filialstrukturen mit vielen Telefonanlagen sind ideal für die IP-Telefonie, da sie dann zentral administrierbar werden, womit sich auch Kosten sparen lassen.”

Am leichtesten fällt den Protagonisten der Verkauf von VoIP-Systemen an Firmen mittlerer Größe, da deren Netzinfrastrukturen einfach sind. Branchenkenner schätzen, dass derzeit vielleicht 10 Prozent dieser Unternehmen eine VoIP-Lösung einsetzen. Schwierig wird es dagegen bei großen Konzernen, da deren Kommunikationsinfrastruktur komplex ist. Gerade im Hinblick auf Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit gibt es da durchaus noch Bedenken, was auch so mancher Infrastrukturanbieter zumindest inoffiziell zugibt. Trotzdem macht die Branche auf Optimismus: Viele Probleme der Vergangenheit seien gelöst. “Das Thema ‘Quality of Service’ war vor zwei Jahren noch eine Hürde, heute nicht mehr”, sagt Siemens-Mann Meyer.

Ist VoIP im Unternehmensumfeld zwar noch exotisch, aber trotz allem eine etablierte Technologie, sieht es bei den Carriern anders aus. Pressemeldungen aus den USA, dass große Telefonanbieter bald ihre Netze umrüsten wollten, müssen vor dem Hintergrund der dortigen Preisstrukturen gesehen werden: In den USA sind Ferngespräche deutlich teurer als in Deutschland. Und so wundert es nicht, wenn andererseits hierzulande die Deutsche Telekom einer schnellen Umstellung des Sprachnetzes auf VoIP eine klare Absage erteilt.

Natürlich arbeite man an Migrationsstrategien, heißt es. Man habe sich jedoch für den “sanften Weg” entschieden, betonte Betriebsvorstand Achim Berg am Donnerstag in Berlin. Die Umstellung auf IP solle bis 2012 abgeschlossen sein. Das Hauptproblem der Carrier: Durch eine Umstellung auf das IP-Protokoll entstehen Kosten, die man nicht an den Verbraucher weitergeben kann, da eine IP-vermittelte Sprachtelefonie keinen Mehrwert gegenüber dem klassischen Sprachnetz bietet.

Dabei gäbe es für die Carrier durchaus Gründe, die für eine Umstellung sprächen. So seien die Backbone-Netze für IP bereits vorhanden, aber bislang nur zu einem Bruchteil ausgelastet, nennt das Marktforschungsunternehmen Soreon Research ein Beispiel. Auch lassen sich Telefonate in IP-Netzen wesentlich effizienter übertragen als in vermittelten Sprachnetzen. Und: die Zahl der Breitbandanschlüsse steigt – der einzige Weg, um die von der Telekom dominierte Letzte Meile zu umgehen. Trotz alledem tauge VoIP derzeit aber noch nicht für das deutsche Massengeschäft, so Soreon Research. Aber bis in zehn Jahren werde auch hierzulande der größte Teil der Sprachverbindungen über IP-Netze laufen, so die Marktforscher weiter.

So lange scheinen die Infrastrukturanbieter nicht mehr warten zu wollen. Liegt doch das Geschäft nach dem Internetboom und der UMTS-Versteigerung schon viel zu lange danieder. “Aus unserer Sicht gibt es auch bei den Telcos einen massiven Schub zum Massenmarkt”, sagt Siemens-Marketier Meyer und prophezeit: “Bereits 2005 wird es großflächige Angebote von VoIP-Carriern geben.” Vor allem Carrier, die nur regional eine Rolle spielen, hat Meyer dabei im Auge.

Ein solcher Akteur ist der Stadtnetzbetreiber Netcologne, der seine Dienste im Großraum Köln anbietet. VoIP ist hier sehr wohl ein Thema, allerdings nur im Bereich des Multikabelnetzes, also dort, wo Netcologne Mehrfamilienhäuser mit TV, Internet und Telefon über Kabel versorgt. Auf 130.000 Vertragskunden verweist eine Unternehmenssprecherin, 80.000 davon seien bereits umgerüstet. Dagegen sei VoIP kein “Priorität-1-Thema” für Netcologne, wenn es um die Versorgung der anderen Kunden – weitere 130.000 – mit klassischer Telefonie und Internetzugängen gehe.

Ein Sprecher des Telekom-Konkurrenten Arcor stellt klar: “Was von uns unter dem Oberbegriff VoIP im Lauf des Jahres auf den Markt kommen wird, gehört zum Bereich Unified Messaging, nicht zum Thema Kostensparen durch IP-Telefonie.” Arbeitsnomaden oder Technikfreak soll Fax, SMS, Telefonanrufe und E-Mails dadurch zu jeder Zeit an jedem Ort unter einem einheitlichen Zugang zur Verfügung stehen.

Doch es gibt auch Anbieter, die Endkunden mit dem Verkaufsargument “Kosten sparen” locken wollen. Zu ihnen gehören Freenet, Sipgate, Broadnet-Mediascape, Nikotel und QSC. 1&1 und Web.de stehen angeblich ebenfalls in den Startlöchern. Meistens versuchen diese Anbieter, ihre Breitbandanschlüsse dadurch attraktiver zu machen.

Und dann gibt es da noch Skype, hinter dem die Gründer der Musiktauschbörse Kazaa stehen. Ihr Konzept: Peer-to-Peer-Telefonie übers Netz. Die Software gibt es in guter Tradition kostenlos zum Herunterladen. Stolz verweist Skype auf mehr als sieben Millionen Downloads; an einem normalen Wochentag telefonieren angeblich 150.000 Nutzer gleichzeitig über das Internet. “VoIP für Endverbraucher wird eine weitere Störung für die etablierten Carrier sein, aber es wird sie nicht umbringen”, stellt Mark Main, Senior Analyst bei Ovum, angesichts dieser Entwicklungen trocken fest.

Silicon-Redaktion

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