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Oracles lange Einkaufsliste

Als Oracles Chef-Samurai Larry Ellison letztes Jahr seinen Akquisitionshunger stillen wollte, standen eine ganze Reihe klangvoller Namen auf dem Menü. Neben Peoplesoft wurden Siebel, Bea, Sybase, Business Objects, JD Edwards, Lawson Software sowie weitere, eher kleinere US-Unternehmen, aufgelistet. Nachdem sich jetzt ein endgültiges Scheitern des feindlichen Übernahmeversuchs von Peoplesoft abzeichnet, könnte die Liste wieder aktuell werden.
Im Gerichtsverfahren des US-Justizministeriums gegen Oracle, das derzeit wegen des Übernahmeversuchs in San Francisco stattfindet, konnte Oracle bislang die Bedenken der Kartellwächter nicht glaubhaft widerlegen. Die Behauptung, der weltweite Markt für ERP-Software sei stark fragmentiert und bestehe nicht nur aus Oracle, Peoplesoft und SAP mag zwar grundsätzlich stimmen, hat aber einen Haken: Fast alle Großunternehmen sind ausschließlich auf einen dieser drei Lieferanten abonniert. Würde einer von ihnen vom Markt verschwinden, wäre das eine entscheidende Beeinträchtigung des Wettbewerbs.

In den USA würde gar ein De-facto-Monopol entstehen, gab vor Gericht Kenneth Elzinga zu Protokoll. Elzinga ist Wirtschaftsprofessor an der Universität von Virginia und wurde vom Justizministerium als Experte in den Zeugenstand gerufen. “Die Wirtschaftslehre besagt, dass Kunden mehr zahlen würden, wenn sie nur zwei Lieferanten zur Auswahl hätten als drei”, bekräftigte der Professor. Auch die eventuell günstigere Preisgestaltung von SAP außerhalb der USA würde da nicht zum Tragen kommen. Bliebe nur ein US-Lieferant von ERP-Systemen auf dem US-Markt, wäre letzterer stark monopolgefährdet. Kleinere Hersteller hätten bei dieser Konstellation keine Bedeutung, weil sie für Großunternehmen nicht das im Stande sind zu liefern, was SAP und Co können.

Auch das stärkere Engagement von Microsoft in diesem Markt vermag da mittelfristig nicht viel zu verändern, selbst wenn die Redmonder ihre Position mit allem erdenklichen Aufwand zu verbessern versuchen. Die Gates-Company investiert drei mal soviel in die Entwicklung von Business-Anwendungen, als der entsprechende Geschäftszweig umsetzt. Doch nach einhelliger Meinung von Experten wird es noch eine lange Zeit dauern, bis sich Microsoft aus seinem angestammten Mittelstandsmarkt hinaus bewegt. Eine Verkürzung dieser Zeit hätte der Zukauf von SAP bringen können – sofern dieser überhaupt eine Chance gehabt hätte, das Wohlwollen der Kartellbehörden weltweit für sich zu sichern.

Die inzwischen abgebrochenen Fusionsgespräche zwischen Microsoft und SAP dienen Oracle beim Prozess als Beweis, dass es längerfristig im ERP-Markt nicht beim Triumvirat Peoplesoft-Oracle-SAP bleiben wird, doch sie illustrieren auch die Situation und die Angst des Datenbank-Marktführers. Mit einem Datenbankgeschäft, das zunehmend unter Druck seitens billigerer Hersteller wie Microsoft oder MySQL gerät, und keiner dominierenden Position bei Business-Applikationen oder Infrastruktur-Software, sieht Ellison Wachstum und Profitabilität seines Ladens stark gefährdet.

“Oracle muss aufpassen, dass es nicht dasselbe Schicksal erleidet wie Sun”, warnt Philip Carnelley, Research Director beim Marktforschungsunternehmen Ovum. Denn durch ein Scheitern der Peoplesoft-Übernahme gerät auch das lukrative Geschäft mit Business-Anwendungen in Gefahr: “SAP orientiert sich zunehmend in Richtung Mittelstand, Microsoft peilt das obere Ende des Marktes an, und Oracle steckt irgendwo in der Mitte.”

Dass man sich aus dieser Situation durch Akquisitionen befreien will, hat jüngst Oracles Finanzchef erneut bekräftigt. Fragt sich nur, in welche Richtung man sich orientieren will. Ovum-Analyst Carnelley sieht zwei mögliche Stoßrichtungen, nämlich Business-Software und Infrastruktur-Software beziehungsweise Middleware.

Aus dem Segment der Infrastruktur-Lösungen ist der Top-Kandidat Bea Systems. Das Unternehmen wurde schon in der Vergangenheit von Experten als Akquisitionsziel genannt. Oracle macht auch heute keinen Hehl aus seiner Sympathie für den Hersteller von Applikationsplattformen, auch wenn das keine billige Übernahme werden würde.

“Sofern sie im Segment der Business-Software bleiben wollen, sind die meisten Kandidaten noch dieselben wie auf der ursprünglichen Einkaufsliste vor einem Jahr”, sagt Carnelley. Minus vielleicht Firmen aus dem Bereich Content Management, die ebenfalls gut zu Oracle passen würden. Doch Documentum und Ixos haben in der Zwischenzeit ein neues Dach gefunden.

Nur muss diesmal Oracle einen mühsameren Weg einschlagen und kleinere, auf einzelne Anwendungen und Märkte spezialisierte Unternehmen kaufen. Dazu würde auch Siebel Systems gehören. Abgeneigt wäre das Unternehmen wahrscheinlich nicht: “Tom Siebel hat mich zuhause besucht und wollte mir Siebel verkaufen”, sagte Ellison in einer auf Video aufgezeichneten eidesstattlichen Aussage, die gestern im Prozess präsentiert wurde.

Silicon-Redaktion

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