Software-Patente gefährden Münchner Linux-Projekt

Stadträte und DV-Verantwortliche sehen die vom Stadtrat beschlossene Migration der Verwaltung auf das Open-Source-Betriebssystem Linux durch die Linie des Bundesjustizministeriums gefährdet.

Stadträte und DV-Verantwortliche der Stadt München schlagen Alarm. Sie sehen die vom Stadtrat beschlossene Migration der Verwaltung auf das Open-Source-Betriebssystem Linux durch die Linie des Bundesjustizministeriums gefährdet, das sich für die Patentierbarkeit von Software im EU-Rat stark macht. Sie protestieren und warnen quer durch alle Parteien. Jetzt hat der Grünen-Stadtrat Jens Mühlhaus Münchens Oberbürgermeister Christian Ude offiziell aufgefordert, vermittelnd bei der Bundesregierung einzugreifen.
Nach ersten Recherchen der Patentgegner würde alleine der Basis-Client, mit dem die Machbarkeitsstudie durchgeführt wurde und der in München zum Einsatz kommen soll, gegen 50 europäische Softwarepatente verstoßen, wie Florian Müller, Softwareentwickler und Berater bei dem Open-Source-Datenbankunternehmen MySQL, mitteilte. Der Client werde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in einer ähnlichen Form dann auf 14.000 Arbeitsplätzen installiert werden. “Es reicht, wenn ein einziger so ein Patent hat”, so Müller gegenüber silicon.de. Sobald die Richtlinie beschlossen sei, könne er an die Stadtverwaltung heran treten und seine Patente einfordern oder Lizenzen verlangen, “weil dann ein klare Rechtsbasis für Softwarepatente besteht”.

Noch fehlt diese Rechtsbasis, da offiziell in der EU keine Patente auf Software erteilt werden. Dennoch haben Patent-Aktivisten, in inoffiziellen Zählungen, vor zwei Jahren rund 30.000 de facto Patente auf Software gezählt. “Rund die Hälfte aller Anträge beim europäischen Patentamt gehen auch durch”, so Müller. Das bedeutet, dass viele Patente eigentlich keine Grundlage haben, weil sie seit Jahren verwendet werden. “Der erste Schritt, sich gegen einen Patentanspruch eines Dritten zu wehren, ist das Patent anzufechten”, so der Fachmann weiter. Doch das bedeute jahrelanges Prozessieren und umfangreiche Recherche. Dann sei fraglich, ob solche Projekte überhaupt noch durchführbar seien.

Der Open-Source-Fachmann kennt zwei Gefahren, die von Software-Patenten für das Münchner und auch für andere Linux-Projekte, ausgehen. Zum einen gebe es diejenigen, die Linux an sich schaden wollen, oder aber Unternehmen, die Geld wollen. “Viele Patente werden von reinen Abkassierern gehalten, die zum Teil auch keine eigenen Produkte haben, und die warten jetzt auf die Richtlinie der EU, die ausdrücklich Patentansprüche auf Programme ermöglicht, um loslegen zu können.”

Stadtrat Mühlhaus fordert jetzt eine Intervention von Ude, so dass die Bundesregierung zu einem Kurswechsel bewegt wird und die Konsequenzen der EU-Politik für das Münchner Linux-Projekt untersucht werden. Sonst könnten Patentklagen den Ausfall kompletter Referate der Stadtverwaltung bewirken. Mühlhaus stellt in Frage, “ob Linux und andere Open-Source-Software mittel- und langfristig überhaupt noch wettbewerbsfähig sind und den Anforderungen der Stadtverwaltung genügen können, wenn deren Weiterentwicklung durch Softwarepatente massiv eingeschränkt wird”. Diesbezügliche Warnungen kamen bereits vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft, dem Kieler Institut für Weltwirtschaft und auch von der Deutschen Bank.

Auch Wilhelm Hoegner, der oberste EDV-Verantwortliche der Stadt München, fügte an, dass es “unverzichtbar” sei, die Auswirkungen der EU-Richtlinie für Softwarepatente auf Open-Source-Software zu überprüfen. Ein entsprechender Fehler im Richtlinientext wäre eine “Katastrophe für das Migrationskonzept der Stadt München, und natürlich auch für den gesamten Markt der Freien Software”.