“Installieren oder nicht installieren”, in Anlehnung an Shakespeares Hamlet, überschrieb ein leitender IT-Fachmann bei IBM ein Memo an seine Mitarbeiter anlässlich der Fertigstellung des Service Pack 2 für Windows XP: “Obwohl dieser Patch für einige Microsoft-Kunden eine gute Nachricht ist, hält IBM alle XP-User an, das Service Pack 2 nicht zu installieren.” Ähnlich ‘dramatische Szenen’ dürften sich jetzt bei vielen Administratoren abspielen, die mit dieser Frage ringen. Die Analysten von Gartner sind der Auffassung, dass etwa ein Drittel aller Unternehmen Probleme bei bestimmten Applikationen mit der neuen Software haben werden.
“Das SP 2 ist sehr ausgereift”, sagte Annette Jump, Principal Analyst bei den Wirtschaftsforschern von Gartner gegenüber silicon.de. Das liege unter anderem auch an der starken Ausrichtung auf Security. Rund 60 Prozent der Aktualisierung würden sich auf sicherheitsrelevante Features beziehen, so die Analystin. Dennoch rät die Analystin allen Unternehmen, die Software zunächst zu testen, denn im Business-Umfeld könnte es bei rund 3 Prozent aller Standard-Anwendungen zu Problemen kommen. Bei angepassten Programmen liege die Zahl mit 5 Prozent etwas höher. “Das klingt zunächst nicht sonderlich viel”, so Jump. Doch gebe es viele Unternehmen mit mehr als 1000 Anwendungen im Unternehmensnetz und “daher glauben wir, dass etwa ein Drittel aller Unternehmen Probleme mit dem Update bekommen könnten”.
Kritik übt die Gartner-Analystin hingegen an der Kommunikationsstrategie von Microsoft. “Es ist nicht die Tatsache, dass sie sich verspäten. Der Punkt ist, dass Microsoft mit seinen Kunden anders hätte kommunizieren müssen.” Das Unternehmen sei überoptimistisch, was seine Voraussagen für die Termine betrifft. Diese seien für die Kunden wichtig, da anhand dieser Deadlines geplant werde. Doch immer wieder Angaben zu machen und diese dann zu umzustoßen, mache es den Kunden unmöglich vorauszuplanen: “Microsoft muss sich Termine setzen, die es dann auch einhalten kann.”
Wie das Beispiel IBM zeigt, werden jetzt viele große Unternehmen mit komplexen Anwendungen die Aktualisierung erst noch eingehend testen, bevor das gesamte Firmennetz oder einige kritische Anwendungen lahm gelegt werden. “IBMs große Zahl von Web-Applikationen werden erst einmal ausführlich getestet und einige auch modifiziert, bevor sie korrekt mit dem SP 2 zusammenarbeiten”, heißt es in dem Schreiben an die IBM-Mitarbeiter. Derzeit seien einige wichtige, geschäftskritische Anwendungen bekannt, die sich nicht mit der neuen Software vertragen. Sobald aber die Bedenken aus der Welt geschafft seien, so das Schreiben weiter, werde IBM eine angepasste Version aufspielen. Bislang hat IBM diese Nachricht noch nicht kommentiert.
Doch wird die Mehrzahl der Administratoren ähnlich vorgehen: “Wir werden das SP 2 erst einmal auf einzelnen Maschinen testen”, erklärte ein IT-Fachmann gegenüber silicon.de. “Dann wird es in der ersten Zeit bestimmt noch einige Fixes geben. Die warten wir ab und erst dann installieren wir SP 2 auf allen Rechnern.”
Aber das muss nicht zwangsläufig zu Inkompatibilitäten kommen. Bei einer Präsentation zum SP 2 unter der Federführung von Microsoft erklärte Rainer Sollinger, IT-Leiter bei der Feuerwehr der Technischen Universität München, keine Probleme gehabt zu haben. “Ich wollte schon die Präsentation mit einer schwarzen Folie machen und sagen: das sind die Probleme”, erklärte er gegenüber silicon.de. Andere Experten raten jedoch den Nutzern von komplexen Anwendungen, sich mit den Herstellern kurzzuschließen und zu fragen, ob die Programme mit SP 2 kompatibel sind.
Verschiedene Hardware-Hersteller bekommen bereits die Software, und über das Microsoft Developer Network (MSDN) soll das endgültige Softwarepaket in Deutsch und Englisch schon zu haben sein. Das ist aber nur ein sehr eingeschränkter Kreis. Ab September wird dann das SP 2 in der deutschen Version regulär zum Download bereit stehen. Das genaue Datum stehe allerdings noch nicht fest, erklärte Irene Nadler, Pressereferentin bei Microsoft Deutschland. Andere Sprachversionen folgten später. User, die die umfangreiche Aktualisierung von einer kostenlosen CD einspielen möchten, müssen sich etwa noch weitere vier bis sechs Wochen gedulden. Die einfachste Möglichkeit sei aber laut Microsoft, einfach die Updatefunktion von XP zu nützen, dann werde die Software aufgespielt, sobald sie verfügbar ist.
“Wir haben unserer Ansicht nach alles getan, um das SP 2 mit andern Programmen verträglich zu machen, und die Zahlen von Gartner bestätigen das”, so Nadler. Das Unternehmen teilt mit, “Tausende Programme auf Kompatibiliät getestet zu haben. Microsoft habe damit nach eigenen Angaben einen der größten Produkttests seiner Geschichte durchgeführt und rät allen Nutzern, die Aktualisierung aufzuspielen.
Seit über zwei Jahren ist Microsoft mit der Entwicklung des SP 2 beschäftigt und immer wieder hatte sich die Veröffentlichung verschoben. Aber, wie vor allem Sicherheitsexperten meinen, hätte sich das Warten durchaus gelohnt. Eine voreingestellte Firewall und besserer Schutz vor Viren, Würmern und anderen Attacken verspricht das neue Produkt von Microsoft. Sicherheitsexperten warnen aber vor dem Irrglauben, dass mit dem SP 2 alle Risiken ausgeräumt sind. Und angesichts der immer schneller wachsenden Bedrohung durch Viren, Würmer und anderen Angriffen wird man so schnell nicht auf eine zusätzliche Firewall verzichten können.
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