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Ohne intelligentes Datenarchiv droht Gefahr vom Fiskus

Spätestens wenn der Steuerprüfer Zugriff auf alle elektronischen und für die Prüfung relevanten Unterlagen fordert, werden sich IT-Leiter und Geschäftsführer mit dem Thema ‘Information Lifecycle Management’, kurz ‘ILM’, beschäftigen müssen. Doch ILM ist für die meisten derzeit noch kein fassbares Thema. Die Notwendigkeit vom Vorhandensein einer intelligenten Datensicherungsstrategie ist in Unternehmen zwar angekommen, aber, vielen Dank, noch zu theoretisch und zu weit weg. Eine neue Studie von Lünendonk und TechConsult kommt zum Ergebnis, dass die Hälfte der befragten Firmen nicht viel mehr als ein vages Interesse an ILM haben. Das ist verwunderlich, denn Informationssicherung ist heute weit mehr als nur ‘Ordnung schaffen’.
“Das Thema ist noch so neu”, argumentiert Malte Rademacher, Marketing Director bei EMC. Der Storage-Riese hatte zusammen mit den inzwischen einverleibten Software-Häusern Legato und Documentum sowie mit den Partnern Fujitsu-Siemens und Accenture die Studie in Auftrag gegeben um herauszufinden, wie es Unternehmen mit ihrer Speicherstrategie halten. Befragt wurden insgesamt 192 deutsche Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern aus allen Industriebereichen. Neben der Hälfte, die sich noch nicht um ein Konzept gekümmert hat, haben sich immerhin ein Viertel der befragten Unternehmen auf den Weg gemacht, ILM zu implementieren, respektive schon zu nutzen.

So weit, so zahlenmäßig konkret. Die Präsentation der Studie und die Diskussion über ILM mit Vertretern der teilnehmenden Hersteller diese Woche in München förderte vor allem eines zu Tage: Gegenwart und Zukunft sind erst noch dabei, den Nebel zu vertreiben, der ILM umgibt. Die Ziele sind klar definiert, aber der Weg dorthin noch nicht klar. Man scheint es ein wenig olympisch zu nehmen: dabei sein ist erst einmal alles.

Im “illegalen Raum” flanieren

Schwammig wird es an zwei ganz wichtigen Punkten, und die haben nur zum Teil mit den Herstellern zu tun. Das eine Problem ist, dass sich die 50 Prozent der vage an ILM Interessierten in einem “illegalen Raum” bewegen, wie es Thomas Lünendonk bezeichnete. Trotz der Gefahr, nicht alle notwendigen Dokumente für die Bilanzprüfung vorhalten zu können und so empfindlichen Strafen entgegen zu rennen, stören sich viele nicht an ihrer ‘Illegalität’. Auf rechtskonformen Pfaden wandelt, soviel ist anzumerken, natürlich nicht nur der, der ILM umsetzt. Allerdings scheint es ein hoffnungsvoller Strohhalm, den im schlimmsten Fall möglicherweise finanziell ruinösen Steuerprüfungstermin heil zu überstehen.

Die Konsequenzen hätten manche möglicherweise noch nicht realisiert, welche die neuen Compliance-Regeln wie Basel II oder die bereits 2002 in Kraft getretene GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfung digitaler Unterlagen) mit ihren Aufbewahrungsfristen nach sich ziehen könnten, vermutete er. Hier halte es der gemeine Administrator (oder jeder andere Verantwortliche) wie mit einem Parkverbotsschild. Man weiß, es ist verboten hier zu parken, glaubt aber, man würde nicht erwischt.

Einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Strafzettel fürs Falschparken und der unvollständigen Steuerprüfung gibt es aber, und den sollte man ins Kalkül ziehen: ein Strafzettel kostet 15 Euro. Wessen Steueranteil geschätzt wird oder wer nachzahlen muss, der würde sich bei nur 15 Euro sehr freuen. Da geht es manchmal um Millionen, es kommt unter anderem auf die Größe des Unternehmens an. Lothar Hänle, Director Marketing bei EMC Documentum, fasste die Situation so zusammen: “Nicht die Einhaltung der Gesetze hat Priorität, sondern allein das Management.” Das sei nicht weniger wichtig. Dennoch – auch ein Fazit der Studie – scheint die Gewichtung der Argumente für ILM noch nicht ausbalanciert.

ILM=Intelligenz oder Wann ist etwas nicht mehr dumm?

Die andere Schwierigkeit liegt im Begriff ILM selbst. Ab wann kann man eigentlich von einem ILM-Konzept sprechen? Die Hersteller, die das Ganze ja verkaufen wollen, haben sich selbst keinen Gefallen getan, in dem sie jede Speicherkomponente mit ILM in Verbindung gebracht haben. ‘Wir machen jetzt auch ILM’, skandierte so mancher Anbieter, obwohl er lediglich ein Speicherband, eine NAS-Box oder eine weitere Backup-Lösung vorstellte. So kann es sicherlich nicht gehen. Andererseits ist ILM kein feststehender Begriff für einen Standard und schon gar nicht die Erfindung von Storagetek, die den Terminus ILM für sich alleine in Anspruch nehmen wollten.

Auf Anwenderseite ‘macht’ auch noch keiner ILM. Nachgefragt brachte sich EMC-Mann Rademacher selbst in Erklärungsnot und presste ILM in folgende Definition: “Wer sich mit dem Thema beschäftigt und beginnt, seine Infrastruktur darauf vorzubereiten, der macht schon ILM.” So kann es auch nicht funktionieren.

Letztlich einigten sich die an der Umfrage beteiligten Speicherhersteller darauf, dass die Strategie dann am Ziel und voll umgesetzt sei, wenn die Prozesse im Lebenszyklus der Daten, also Speicherung, Verschiebung, Archivierung und von allem Klassifizierung der Information automatisiert sei. Zum jetzigen Zeitpunkt aber könne ein Anbieter oder Anwender schon von ILM sprechen, wenn das heute machbare realisiert sei.

Immerhin gibt es in der Tat erste Komponenten, die genau das mitbringen, was ILM von traditionellen Speicherstrategien wie HSM (Hierarchisches Storage-Management) abhebt: Intelligenz. Die Software, die diese Intelligenz implementiert, nennt man allgemein ‘Policy Engine’. Fujitsu-Siemens nennt seine ‘Easy Exchange’, Documentum hat die ‘Content Storage Solution’ mit in die EMC-Ehe gebracht. Den Software-Reglern kommt entscheidende Bedeutung zu. Sie sollen dafür sorgen, dass der Wert einer Information analysiert und entsprechend bewertet wird. Daran hängt, wohin die Daten verschoben und gespeichert werden sollen.

Die wahre Taxonomie schafft nur der Mensch

Diese Wertigkeit ist ein Knackpunkt. Wonach klassifizieren? Das einfachste ist nach dem Erstellungsdatum zu gehen und danach, wann der Datensatz zuletzt aufgerufen wurde. Eine zeitliche Einordnung allein reicht aber nicht aus. Viel wichtiger, aber auch wesentlich schwieriger, ist die Charakterisierung nach dem Inhalt. Das reicht vom Kantinenspeiseplan über Quartalszahlen bis hin zu Business-Plänen und eben zu archivierende unstrukturierten Daten wie Mail-basierte Geschäftskommunikation. Diese Taxonomie aber wird, nach Meinung aller mit ILM beschäftigten Herstellern, nie wirklich voll zu automatisieren sein. ILM als vollkommen selbstständiger Prozess wird nie möglich werden.

Spinnt man die Zukunft noch ein bisschen weiter und nimmt sich Regeln ausführende Lösungen vor, erkennt auch das weniger geschulte Auge, dass das Konzept oberflächlich gesehen Sinn macht und wahrscheinlich auch die Strategie sein wird, mit welcher Daten künftig begleitet werden. Das ‘Ausführungsorgan’, Kernstück bei ILM, ist aber fehleranfällig, weil garantiert nicht vollständig. Es werden immer wieder Regeln nicht richtig angewandt oder Klassifizierungsmerkmale falsch interpretiert werden. Hinzu kommt, dass ein Admin nicht alle Regelwerke wird sofort aufspielen können. Vorkonfigurierte Black-Boxen mit den wichtigsten Compliance-Regeln helfen da auch nicht weiter, so der Tenor unter den Experten. “Es wird keine vorgefertigten ILM-Komponenten geben”, so Hänle. Das würde auch nicht funktionieren. Hersteller und Anwender müssten flexible Lösungen haben, weil auch die Regeln sich schnell ändern können.

Thomas Lünendonk, Chef der Marktforscherfirma, resümierte die ILM-Studie so: “Viele Unternehmen beschäftigen sich damit. Wir hätten nicht gedacht, dass es schon so viele sind.” Sie werden sich auch mit den Schwierigkeiten beschäftigen müssen. Auch hier bleibt der olympische Gedanke: Dabei sein und dran bleiben, auch wenn sich alle von Grund auf neu orientieren müssen, was die Datenhaltung angeht. Und, was viel wichtiger ist: sich der Konsequenzen mit oder ohne ILM bewusst sein, wenn Informationen im Daten-Nirvana verschwinden.

Silicon-Redaktion

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