Tux und Sichel
Trotzdem: Die Expertise des öffentlichkeitswirksamsten Amateur-Politologen der Welt, Steve Ballmer, weist sie eindeutig als Mitglieder zumindest einer kommunistischen Vorfeldorganisation aus.
Trotzdem: Die Expertise des öffentlichkeitswirksamsten Amateur-Politologen der Welt, Steve Ballmer, weist sie eindeutig als Mitglieder zumindest einer kommunistischen Vorfeldorganisation aus. Die K-Gruppe, der sie angehören, nennt sich KDE e.V.. Am Sonntag ging dessen Jahrestagung in Ludwigsburg zuende.
Der KDE e.V. ist quasi der juristische Arm jenes Teils der Open-Source-Bewegung, der die gleichnamige Benutzeroberfläche programmiert für Unix – und Linux (!). Letzteres haben die einschlägigen Redmonder Analysen ja eindeutig als schieren Kommunismus entlarvt.
Und es muss was dran sein. Jedenfalls kommt einem – wenn man die Originalquellen heranzieht – alles so bekannt vor.
Da ist zum einen das Verdikt des kritischen Kritikers Ballmer selbst. Jener erhob – in ebendieser Absicht – “den brandmarkenden Vorwurf des Kommunismus” (Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, S. 461).
Und das ganze über ein Jahrzehnt nach dem endgültigen Ende des Kalten Krieges. Nachdrücklicher hätte man Karl Marx’ Beobachtung – im “Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte” gemachte – eigentlich nicht bestätigen können: “Und wenn sie [die Menschen] eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neue Weltgeschichtsszene aufzuführen” (MEW Bd 8, S 115).
Den Bundeswehroffizier, den Theologiestudenten und den Mittelständler ficht das alles natürlich nicht an. Sie reden statt dessen von der anstehenden Erweiterung des I/O-Protokolls, die es ermöglichen soll, auch behindertengerechte Eingabegeräte an einen Rechner anzuschließen, und berichten stolz, dass es mittlerweile sogar eine mazedonische KDE-Version gibt.
“Die würden nie ein eigenes Windows bekommen”, sagt der Mittelständler. Bloß zwei Millionen Menschen sprechen überhaupt diese Sprache. Und die haben zudem kein Geld. Aber ein paar Studenten an der Universität von Skopje wollten was für ihre Landsleute tun und haben deswegen KDE angepasst.
Von Ballmer politisiert, schlägt man da halt doch mal in den angestaubten blauen Bänden nach. Und tatsächlich, da – Karl Marx: Das Kapital, Bd III, MEW Bd 25, S. 260 – steht ebenfalls, dass gewinnorientierte Unternehmen nur tun, was sich lohnt: “Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst.” (Was natürlich wieder äußerst negativ formuliert ist.)
Und überhaupt: In der Open-Source-Community (!) nimmt sich jeder den Programm-Code, den er gebrauchen kann, und wenn er einen Bug entdeckt, dann fixt er ihn. Das ist doch… Genau! “Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen” (Karl Marx: Kritik des Gothaer Programms, MEW Bd. 19 S. 21).
Wer macht denn sowas? will der Reporter wissen. Wer schreibt denn KDE? “Meistens sind’s Software-Entwickler, die so für ihren Job brennen, dass sie nach Feierabend weiter programmieren”, klärt der Mittelständler auf. Aber sie tun das in ihrer Freizeit halt unter ganz anderen Bedingungen als in der Arbeit – ohne die üblichen Hierarchien beispielsweise.
Also doch! Auch das hat ja Karl Marx geschrieben. Die Sache mit den Bedürfnissen und den Fähigkeiten, meint er, die gäb’s später schon mal, aber erst “in einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft … nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden [ist]…” (ibid.). Quasi, nachdem die Geschichte Feierabend gemacht hat.
Ist es demnach doch eine kommunistische Utopie und der KDE e.V. eine Kaderorganisation? “Nö”, sagt der Bundeswehroffizier. Überhaupt habe der Verein mit der Software-Entwicklung nichts zu tun. “Die Programmierer einigen sich immer sehr schnell auf einen Maintainer.” Der koordiniert ihre Arbeit und sagt, wo’s langgeht. Das sei einer, dem man das halt zutraut.
Einen Begriff hat er dafür auch: “meritocracy”, übersetzt die “Herrschaft der Verdienten”. Was gut klingt, wohl auch so ist, aber halt mal wieder gar nicht ins Bild passt. “Meritocracy” heißt nämlich auch “Elite”. Das, wonach der Zeitgeist heute beständig ruft, bei dem man sich aber beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass etwas Vernünftiges herauskommt.
Also: Was ist denn jetzt der KDE e.V. – ein elitärer Haufen oder eine kommunistische Kaderorganisation? – Eigentlich egal. Bei Leuten, die Behinderten und sprachlichen Minderheiten den Zugang zur IT ermöglichen, ist das wirklich gleichgültig. Solche Eliten und solche Kommunisten kann man ertragen.