Geld war mal eine verdammt feine Sache

Deshalb sind auch sehr viele gescheite Sätze zu diesem Thema gesagt worden.

Deshalb sind auch sehr viele gescheite Sätze zu diesem Thema gesagt worden. Beispielsweise von Herbert Achternbusch, der erkannt hat: “Das schöne Gefühl, Geld zu haben, ist nicht so intensiv, wie das Scheißgefühl, kein Geld zu haben.” Wobei die meisten das nicht vollständig nachvollziehen können, kennen sie aus eigener Erfahrung doch bloß die – laut Achternbusch – stärkere der beiden Emotionen.
Wegweisend auch der Lehrsatz von Kurt Tucholsky in dessen “Kurzer Abriss der Nationalökonomie”. Dort schreibt der: “Woher das Geld kommt, ist unbekannt. Es ist eben da, beziehungsweise nicht da – meist nicht da.”

Wenn es aber da ist, dann gilt die wohl bedeutendste wirtschaftstheoretische Erkenntnis von Keith Richards, die jenem während eines Spiegel-Interviews gekommen ist – wahrscheinlich nach einer größeren Menge Wodka, die der Rolling-Stones-Zombie bei solchen Anlässen gerne konsumiert. “Geld”, klärte er damals die fragenden Redakteure auf, “ist eine verdammt feine Sache.”

Und deshalb ist es auch ein Jammer, wie derzeit Geld IT-gestützt verhunzt wird. Währungstechnisch gesehen, ist der Cyberspace mittlerweile in einem Zustand wie Deutschland vor der Gründung des Zollvereins in der ersten Hälfte des vorvergangenen Jahrhundert.

39 verschiedene Währungen gab damals hierzulande. Allein im deutschen Teil des Internet sind’s mittlerweile bedeutend mehr.

Das Portal Web.de baut jetzt seine Hauswährung Webcent zu einem Rabattsystem aus. Also wenn man bei Quelle online einen Geschirrspüler ordert, dann erhält man im Gegenzug nicht nur saubere Teller und sichert den häuslichen Frieden, weil man den Streit darüber, wer eigentlich abwaschen hätte müssen, vermeidet, sondern man kann auch noch über die emittierende Site kostenlos SMSes und Faxe verschicken. Eine Art TCP/IP basierte Naturalwirtschaft.

Blumenzwiebeln allerdings sind für Webcents nicht erhältlich. Die sind vielmehr die “Prämie des Monats” beim konkurrierenden, Telekom dominierten System Namens “Happy Digits”.

Die größte Verbreitung wiederum haben Payback-Punkte, die unter anderem beim Otto-Versand und bei Obi gültig sind. “Einlösen und erleben” nennt man das in jenem Währungsgebiet.

Nur gegen konvertierbare Währung erhältlich, sind Click and Buy von der Kölner Firstgate AG und Micromoney auch wieder von der Telekom. Wobei einige Währungsgebiete so eine Art Comecon gebildet haben mit administrativ verordneten Paritäten. Payback-Punkte sind etwa gegen Miles&More-Meilen konvertibel.

Apropos Meilen: Eine weitere Währung nennt sich Webmiles. Sie wird unter anderem von Apple, Dell, Nokia und Yahoo emittiert und zeigt in welchem Entwicklungsstadium sich Cybermoney befindet: Die Urform des Geldes nämlich nennt der Wirtschafthistoriker Warengeld.

Meist waren’s Rinder. Davon kommt das deutsche Wort Geld, vom mittelhochdeutschen “Galt”, “unfruchtbares Vieh”. Das lateinische “pecunia” wiederum ist von “pecus”, “Vieh”, abgeleitet.

Lufthansa-Meilen, wegen denen Grünen-Politiker heutzutage das harte Schicksal auf sich nehmen müssen, eine zweite Karriere in Straßburg oder als Wirtschaftsstaatssekretär zu beginnen, sind demnach das moderne Äquivalent längst gebratener und aufgegessener Kühe und Bullen.

“Erotik, Entertainment, Wissen und Information” kann man laut der Werbung von Micromoney damit einkaufen. Was alles – wenn’s so stimmt – ja sehr schön ist. Aber für die Kauffähigkeit von Geld halt trotzdem auch ein bisschen wenig.

Geld nämlich hat in seiner entwickelten Form die Aufgabe “allgemeines Tauschmittel” zu sein, “das durch seine Funktion, gegen alle Waren tauschbar zu sein, in einer arbeitsteiligen Wirtschaft unentbehrlich ist”. Für diese Erkenntnis muss man nicht einmal begnadete Hobby-Ökonomen wie Herbert Achternbusch, Kurt Tucholsky und Keith Richards konsultieren. Dafür genügt ein Blick in “Meyers (dröges) Lexikon”.

Im Web gibt’s sowas nicht. Hat sich was mit “allgemeinem Tauschmittel”! Wenn man, wenn man für “Erotik” mit Micromoney, für Blumenzwiebeln jedoch mit Happy Digits löhnen muss.

Und noch etwas erfährt man bei Meyer über das Geld: “Es dient… als Recheneinheit, indem es alle bewertbaren Güter vergleichbar macht…”

Auch das gilt nicht mehr. Die Regression, die das Geld IT-gestützt mittlerweile erfahren hat, betrifft ja den Online- wie den Offline-Bereich.

Payback-Kunden bekommen regelmäßig – saisonal und nach Gruppenzugehörigkeit differenziert – Rabattgutscheine zugesandt. “Preisdiskriminierung” nennt sowas die Schul-VWL, also den Versuch, beim Käufer gezielt das abzukassieren, was jener individuell gerade noch zu zahlen bereit ist, unabhängig von den Kosten des Anbieters.

Wirtschaftswissenschaftler haben diese Möglichkeit jahrzehntelang erörtert und gemäß ihrer Vorliebe für die schiere Theorie die entsprechenden Kategorien entwickelt: Costomer-Segment-Pricing – verschiedene Preise für verschiedene Kundengruppen – time pricing – verschiedene Preise zu unterschiedlichen Zeiten… Das alles geht jetzt wirklich.

Aber die Recheneinheit vermisst man halt doch schmerzlich. Wenn nach Gusto bepreist wird, dann ist eben nichts mehr vergleichbar. Da hilft dann auch kein Rechnen mehr.

Eigentlich fing das mit dem Bezahlen im Web ja wirklich vielversprechend an. Als es noch nicht ging, dachten sich kluge Techniker sichere Systeme mit einem hohen kryptographischen Aufwand aus wie E-Cash, Millicent oder IBMs Micro Payment.

Inzwischen aber, da Trojaner gelernt haben, nicht nur ID und PIN abzugreifen, sondern auch noch gleich die TAN mitnehmen, da verlegt man sich im E-Commerce darauf immer neue Rabattmarken zu kreieren.

Noch’n Zitat zum Thema: “Reich ist man nicht durch Besitz”, hat Epikur gesagt, “sondern durch das, was man mit Würde zu entbehren weiß.”

Entbehren könnte man auf jeden Fall diese neuartige Melange aus High-Tech-Rabattmarkenheftchen und nicht konvertiblem, Netz-basiertem Giralgeld.