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RFID-Einführung: Auf die Middleware kommt es an

Den RFID-Startschuss gaben bereits die großen Verkaufs- und Einkaufsorganisationen: Wal-Mart, Metro, Tesco, Target sowie das amerikanische Verteidigungsministerium. Ihre Absicht, die Lieferketten und Verteilprozesse stets kontrollieren zu können und stetig effizienter zu gestalten, zwingt ihre Zulieferer, Hersteller wie Zwischenhandel, diese Technik zu unterstützen und den Warenfluss weitgehend automatisieren zu können.
“Schon heute erzielen die großen Ketten ihre Preisvorteile durch die Geschwindigkeit und die Effektivität ihrer Distributionsprozesse”, erläutert Christoph Leßmöllmann, Director Business Development SCM, RFID der SAP AG. Durch einen schnellen Verkauf der Ware wird ein günstiger Cashflow erzielt, da die Zahlungsziele oft wesentlich weiter gefasst sind. Bei Wal-Mart zum Beispiel dauert es bekanntermaßen nur acht Stunden bis die Ware im Laden und 16 Stunden bis sie verkauft sei. Das Zahlungsziel betrage 30 Tage.

Nun verlangt Wal-Mart von seinen Top-100-Lieferanten bis 2005 die Warenanlieferung auf Paletten- und Schachtelebene mit elektronischen Chips auszustatten. Insgesamt werden jedoch 132 Zulieferer passive Tags im Ultrahochfrequenzbereich (UHF) zur Kennzeichnung nutzen. Die Chips sollen den ‘Standard Electronic Product Code’ (EPC) zur Identifikation der Ware enthalten. Diese wurde ursprünglich vom Auto-ID-Center des ‘Massachusetts Institute of Technology’ (MIT) gemeinsam mit Firmenvertretern entwickelt. Dabei haben die Pharma-Artikel bei Wal-Mart eine Sonderstellung. Sie werden auf Produktebene mit Chip und Antenne gekennzeichnet. Auch im Metro-Umfeld wird die RFID-Technik akut. Ab November werden die ersten 20 Zulieferer ihre Ware auf Palettenebene mit den Funk-Tags bestücken.

Doch nicht nur für die Geschäftspartner, sondern auch für die Konkurrenz besteht Zugzwang. “Viele Zulieferer finden sich in einer Position, in der sich – und zwar rasch – das Implementieren von RFID-Technik empfiehlt, wenn sie mit den bekannten Kandidaten Schritt halten wollen”, stellt etwa Sharyn Leaver fest, Research Director beim Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Forrester Research. Was sie brauchten, um die RFID-Daten, die die Lesegeräte liefern, intelligent in die Datenströme eines Unternehmens, zu integrieren und für die Auswertung an die richtigen Stellen zu liefern, sei RFID-Middleware.

Wie kommt der Kuli nach Pfaffenhofen?

Auch ohne das Präfix RFID ist der Begriff Middleware schillernd. Gemeinhin beschreibt er Software, die zwischen verschiedenen IT-Systemen und Anwendungskomponenten vermittelt: Applikations-Server, Systeme für Enterprise Application Integration (EAI), Software-Busse, Transaktionsmonitore und Frameworks zum Beispiel. Das vielleicht bekannteste Middleware-Angebot ist ‘Websphere’ von IBM, eine Familie mit Hunderten von Einzelprodukten.

So gehört Websphere für Forrester Research erwartungsgemäß zur RFID-Middleware mit großem Potential, obwohl es zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Untersuchung von IBM noch keine RFID-spezifischen Standardprodukte gab. Das hat sich inzwischen geändert. Das Analystenhaus hat insgesamt 13 verschiedene Middleware-Anbieter bezüglich der Funkchip-Technik unter die Lupe genommen und nach 75 verschiedenen Kriterien bewertet: Connec Tera, Globe Ranger, Manhattan Associates, Microsoft, OAT Systems, Oracle, RF Code, SAP, Savii Technology, Sun Microsystems, Tibco Software, Webmethods und IBM. Ende August dieses Jahres stellte das Unternehmen die Studie vor.

Andreas Slogar, Manager Solutions Sales Web Services EMEA bei Sun Microsystems, gibt einen Einblick in das, was RFID-Middelware leisten soll. Grundlage ist die RFID-Infrastruktur, die im Wesentlichen das Auto-ID-Center des MIT entwickelt hat. Um die Funkchips lesen zu können, bedarf es Schreib-Lesegeräte. Diese bestimmen die Qualität der Daten und die Geschwindigkeit, mit denen sie zur Verfügung stehen.

Dazu ein Beispiel: “Wenn ein Kistchen mit 100 Kugelschreibern automatisch sortiert und kommissioniert werden soll, hätte der Reader 100 Kugelschreiber-IDs plus einer Kästchen-ID zu lesen. Das dahinter steckende System aber muss erkennen, welches der Verpackungscode ist und welche Weiche demnach wie gestellt werden muss. Dafür stehen nur etwa 100 Millisekunden zur Verfügung, vielleicht 50 für die Interpretation der Daten und 50 für das Stellen der Weichen.”

Das Konzept hinter den EPC-Nummern

Damit das möglich wird, muss der jeweilige Reader an einen sogenannten ‘Savant-Server’ melden, was er erkannt hat. Dieser dient dazu, Daten zu lesen und daraus eine Art Event-Vorstufe zu generieren. In dem Beispiel würde der Savant-Server merken: Eine Kiste mit Kugelschreibern ist eingetroffen. Nun muss entschieden werden, was damit geschehen soll, in diesem Fall: Welche Weiche im Sortierbetrieb soll wie gestellt werden, um das Kistchen zum richtigen Warenausgang zu leiten? Diese Entscheidungen trifft ein Server, auf dem ein Regelsystem implementiert ist. Über diese Regeln werden die dem Erkennen nachfolgenden Prozesse gesteuert.

Laut Forrester Research ist Sun der erste große Plattform-Hersteller, der eine generell verfügbare RFID-Middleware anbietet, das ‘Java RFID System’. Es ist seit Juli verfügbar und basiert auf dem EPC-Standard und Java. Zu den Kernkomponenten gehört ein ‘RFID Event Manager’. Dieser übernimmt das Caching, Filtern und Korrelieren der Informationen von RFID-Tags und Sensoren, erfüllt damit die Aufgaben eines Savant-Servers. Die überflüssigen Informationen werden als Datenmüll aussortiert.

Java- und Jini-Technologien unter Solaris und bald auch unter Linux gewähren laut Sun Ausfallsicherheit und Skalierbarkeit der RFID-Systeme auch in kritischen Produktionsumgebungen. Selbstheilungs- und Diagnose-Tools sichern die dynamische Bereitstellung der Applikationen entlang der verfügbaren Netzwerkressourcen. Das sei insbesondere für Standorte außerhalb des Rechenzentrums relevant wie beispielsweise Warenlager und Produktionsstätten, da hier die RFID-Technologie vermehrt zum Einsatz komme, aber keine IT-Administration vor Ort zur Verfügung stehe.

Wie Suns RFID-Experte Slogar verrät, experimentiert das Unternehmen darüber hinaus gemeinsam mit Reader-Herstellern, um eine Java Virtual Machine direkt in Lesegeräte zu implementieren. Das würde die Schreib- und Lesegeschwindigkeit im Zusammenhang mit Java-basierter IT-Technik erhöhen.

Für die Intelligenz der Prozesse, die Regeln und das Messaging ist in der Sun-Architektur ‘Java System RFID Information Server’ zuständig. Das Produkt setzt zumindest vorerst auf dem Sun-eigenen Applikations-Server, Version 7, auf. Er erfragt, empfängt und speichert die Informationen und verteilt diese an die angebundenen Applikationen. Wie die Marktforscher von Forrester feststellen, eignet sich die Sun-Lösung zur RFID-Einführung für Anwender mit einem aggressivem Zeitplan und großem Volumen. Allerdings vermissen die Analysten grafische Konfigurations- und Management-Tools, so dass Anwender gegebenenfalls auf Produkte von Fremdanbietern zurückgreifen müssen.

Die Antwort von Websphere

Mit einer ebenfalls Java-basierten Lösung im Rahmen von Websphere kontert IBM. Big Blue hat ein Domänenmodell entwickelt, das die Brücke zwischen RFID-Tag und Geschäftsanwendung bilden soll. “Der Vorteil dieses Domänenmodells ist, dass die Installation von einem Rechnersystem bis hin zu einer Separierung in verschiedene Maschinen je Domäne möglich ist”, erklärt Wolfgang Weyand von IBM. Dadurch würden die verschiedensten Nutzungsszenarien denkbar, zum Beispiel die Rückverfolgung in der Pharmaindustrie oder im Handel die Überwachung einer Kühlkette.

Die Möglichkeit der Erweiterung der Middleware nach kundenspezifischen Anforderungen ist laut Weyand dadurch gewährleistet, dass die RFID-Middleware als Java Anwendung in einem Websphere Application Server ausgeführt wird. Diese Variante habe den Vorteil, dass man mit einer kleinen Umgebung wie Windows starten kann und die Lösung bei Wachstum auf ein mächtigeres Betriebssystem wie Linux oder AIX verlegen kann, da Java-Anwendungen über Betriebssysteme hinweg übertragbar sind.

Es zeigt sich, dass die ersten RFID-Middleware-Lösungen dafür konzipiert sind, Reader-Informationen zu integrieren und koordinieren. Wenn sich der Markt jedoch entwickelt, benötigen die partizipierenden Unternehmen auch Funktionen wie ein Reader-, Device- und Daten-Management, Applikations- und Partner-Integration, Prozess-Management und Applikationsentwicklung, vorgefertigte RFID-Inhalte sowie Skalierungs- und Administrationsfunktionen.

Die EAI-Komponenten im System

Die hierzulande wenig bekannten Anbieter Manhattan Associates und OAT Systems zählen die Forrester-Analysten zu den Anbietern, die jetzt die Kernfunktionen anbieten können. Doch auch SAP böte solche Möglichkeiten, zum Beispiel beim Kommissionieren mit Hilfe des Electronic Product Codes (EPC). Seit diesem Frühjahr bietet der Walldorfer Hersteller eine sogenannte ‘Auto-ID-Komponente’ als Teil der Infrastrukturlösung NetWeaver für Lieferketten an. Diese ermöglicht, die von den Lesegeräten gelieferten Daten zu speichern und mittels Regelwerk zu aggregieren, sowie schließlich an die richtigen Stellen zu verteilen. Zum Beispiel lassen sich mit dieser Paket-Variante RFID-Daten bei der Warenausgangserfassung verarbeiten.

Für die Integration bei der IBM-Suite soll die ‘Websphere Business Integration’ sorgen. Dabei stehen zum Beispiel ‘Business Integration Message Broker’ für Information-Brokerage, ‘InterChange Server’ für Geschäftsprozessintegration, oder ‘DB2 Information Integrator’ für die Datenintegration zur Wahl.

Das Merkmal von ‘IBM Websphere Business Integration Message Broker’ ist, dass die gelesenen RFID Informationen während der Übertragung in das entsprechende Datenformat für das Warenwirtschaftssystem aufbereitet werden können. Dabei kann der Message Broker auch die Nachrichten auf die verschiedenen Anwendungen routen. Das gleiche gilt auch für die Nachrichten, die an die Feedback-Geräte wie Lautsprecher oder Displays gesendet werden sollen. Dabei ist Routing auch eine wichtige Funktionalität der Integration Domain.

Der InterChange Server ermöglicht eine Entwicklung wiederverwendbare Adapter, die Daten in die dem Warenwirtschaftssystem entsprechenden Form umzuwandeln. Dieser Weg soll vor allem dafür sorgen, dass die Möglichkeit des Umstiegs in Service-orientierte Architekturen (SOA) gewahrt bleibt.

Paketangebot von SAP

Der jüngste Coup der Walldorfer SAP ist allerdings eine Allianz mit dem Beratungshaus Siemens Business Services (SBS) und Intel. Diese soll ein “Rundum-sorglos-Paket für RFID-Einstieger” ermöglichen. Es umfasst nach Unternehmensangaben drei Versionen von Beratung, Soft- und Hardware, sowie Implementierung zum Festpreis.

Das Angebot richtet sich an den Handel und die Konsumgüterindustrie. Drei Szenarien seien bereits vorkonfiguriert. Sie reichten von der Ausstattung von Lieferchargen mit RFID-Tags bis zur Integration von RFID-Daten in die ERP-Software des Kunden. Die Anbieter versichern, dass sich schon mit dem Einstiegspaket die Anforderungen von Wal-Mart, Metro und Target erfüllen ließen. Die Beginner-Offerte umfasst RFID-Tags und -Drucker sowie Beratungsleistungen.

Das zweite Szenario geht von der schrittweisen Integration der RFID-Daten in die Lieferprozesse aus. Notwendig hierfür sei die Auto-ID-Infrastruktur von NetWeaver. Die dritte Ausführung enthält zudem die ‘SAP Exchange Infrastructure’ (SAP XI), mit der sich RFID-Daten direkt in SAP-Lösungen oder andere Anwendungen im Sinne von Echtzeitprozessen integrieren lassen. Lese- und Formatierungsverfahren entfallen.

Die Forrester-Studie ordnet SAP bei den Anbietern ein, die den RFID-Vorreitern adäquate Middleware bietet. Von Oracle und Microsoft dagegen erwarten die Marktforscher, dass ihre RFID-Lösungen erst in den kommenden Monaten auf den Markt gelangen werden. Langfristig jedoch werden im RFID-Umfeld die Qualitäten ihrer Middleware wichtiger: Skalierbarkeit der Architektur, Integration und Prozess-Management. Für Anbieter wie OAT Systems und Manhattan Associates bedeute dieses, dass sie ihre Produkte in andere Middleware-Lösungen wie die von IBM, Webmethods, Oracle und Tibco integrieren müssen.

Silicon-Redaktion

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