Durch die EU-Osterweiterung ergibt sich für kleine und mittlere IT-Service-Unternehmen kurzfristig kein Handlungsbedarf. Mittelfristig rechnen Fachleute allerdings mit durchaus neuen Herausforderungen und interessanten Möglichkeiten. “Durch den EU-Beitritt stimmt der rechtliche Rahmen in Ländern wie Polen, Tschechien oder dem Baltikum, das fördert die Auslagerung von Arbeiten”, glaubt Mathias Weber, Bereichsleiter IT-Services beim Branchenverband Bitkom. Wobei diese Entwicklung vor der gesamten Offshore-Outsourcing-Thematik gesehen werden müsse. “Schließlich gab es ja bereits vor der EU-Osterweiterung Geschäftsbeziehungen von deutschen und internationalen IT-Dienstleistern nach Osteuropa”, so Weber.
Die Herangehensweise der großen Unternehmen unterscheide sich dabei grundlegend von der Strategie der Kleinen: “Große gründen Joint Ventures oder Tochterfirmen, um einen direkten Durchgriff zu haben, kleine und mittelständische Unternehmen gehen eher Partnerbeziehungen ein oder kooperieren auf einer persönlichen Vertrauensbasis.” Gerade der Mittelstand agiere dabei im Stillen. “Sie werden kaum jemanden finden, der offiziell sagt, dass er bereits Arbeiten nach Osteuropa oder Russland vergibt”, sagt Weber, “denn man will Wettbewerber nicht aufmerksam machen und auch seine Kunden nicht über interne Kosteneinsparungen informieren.”
Nicht zuletzt, fürchte so mancher deutsche Unternehmer auch, in der “unangebrachten Debatte um die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland” als schlechtes Beispiel gebrandmarkt zu werden. Große Software- und Systemhäuser stünden dagegen zunehmend zu ihren Engagements in Nearshore- und Offshore-Ländern.
Einer Auslagerung von Arbeiten ins Ausland steht bei IT-Dienstleistern derzeit auch die insgesamt wenig rosige Marktlage entgegen. So gab in einer aktuellen Studie der Fraunhofer-Gesellschaft zum deutschen IT-Servicemarkt die Hälfte der befragten 162 Dienstleister an, nur “sehr selten” externe Mitarbeiter einzusetzen. Lediglich 14 Prozent tun dies demnach häufig. Dies liege sicherlich auch daran, folgern die Studienmacher, das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik sowie das für Arbeitswirtschaft und Organisation, dass es in der momentanen Konsolidierungsphase den Dienstleistern primär um die Auslastung der eigenen Mitarbeiter gehe.
Außerdem ist der osteuropäische Offshore-Markt, zu dem ja auch viele neue EU-Länder gehören, verhältnismäßig klein verglichen mit indischen Verhältnissen. Auf 250 bis 350 Millionen US-Dollar hat ihn das Beratungsunternehmen Meta Group Ende vergangenen Jahres geschätzt, wobei die jährliche Wachstumsrate bei 35 Prozent liege. Dieses Marktvolumen entspreche ungefähr dem Umsatz des sechstgrößten indischen Offshore-Anbieters, so die Meta Group weiter. “Der Nearshore-Markt ist noch in einer sehr frühen Phase seiner Entwicklung und die rechtlichen und regulatorischen Bedingungen noch nicht in jedem Fall zufrieden stellend”, resümieren die Analysten. Die EU-Osterweiterung beseitige aber in vielen Ländern noch bestehende Hemmnisse.
Frank Dzierzon, Geschäftsführer des auf die Outsourcing-Thematik spezialisierten Beratungsunternehmens Clearview, glaubt trotz dieser Aussichten, dass die EU-Osterweiterung kurzfristig keine Auswirkungen auf den deutschen IT-Service-Mittelstand hat: “An den Problemen mit Sprache, Mentalität und Qualität hat sich nichts geändert.” Mittelfristig – auf einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren gesehen – könne er sich durchaus Auswirkungen vorstellen. Erkennbar sei dies ja bereits bei der Auslagerung des Applikationsmanagements, also Anwendungsentwicklung und -pflege. “Hier können die Geschäftspartner in Osteuropa relativ autonom Aufträge abarbeiten”, nennt Dzierzon den Vorteil.
Auch in Remote-Monitoring und Security-Dienstleistungen sieht er Potenziale, weil diese Infrastrukturthemen primär eine Mensch-Maschine-Kommunikation erforderten. “Aber der Outsourcing-Markt für Security-Dienstleistungen existiert ja noch gar nicht”, warnt der Berater vor überzogenen Erwartungen.
Noch skeptischer ist Dzierzon hinsichtlich der Auslagerung von Rechenzentren oder des Hostings in andere Länder: “Zunächst sagen viele IT-Leiter, dass der Betrieb vor allem günstig sein soll und alles andere zweitrangig ist. Aber wenn man dann mal nachfragt, ob sie sich wirklich ihre unternehmenskritischen Daten in einem Rechenzentrum in Neu-Delhi oder Budapest vorstellen können, dann zucken doch viele zusammen.” Das Vertrauen für einen solchen Schritt sei dann im konkreten Fall wohl doch nicht groß genug.
Dirk Buchta, Mitglied der Geschäftsleitung der deutschen Niederlassung des Management-Beratungsunternehmens A.T. Kearney, gibt auch zu bedenken, dass die Personalkosten kein Grund für die Verlagerung eines Rechenzentrums nach Osteuropa seien. “Dabei geht es doch mehr um die Frage, wo ein Unternehmen seine geografischen Schwerpunkte hat”, so der Berater, “und dann läuft es auf Standorte in Deutschland, Großbritannien und Frankreich hinaus, weil das die größten Märkte sind.” Ein Remote-Betrieb aus Osteuropa könne dagegen durchaus Sinn machen, weil dadurch Vertretungsregelungen im Urlaubs- und Krankheitsfall leichter zu treffen seien.
Bei der Verlagerung von Call- oder Support-Center ins Ausland gehen die Einschätzungen von Buchta und Dzierzon auseinander. Zwar ist Deutsch als Zweitsprache in Ländern wie Polen, Tschechien oder Rumänien durchaus verbreitet, aber selbst im angelsächsischen Sprachraum haben Dienstleister mit einer Verlagerung des Helpdesk durchwachsene Erfahrungen gemacht. Und manches Call-Center ist nach einer Testphase wieder zurück nach Großbritannien oder in die USA verlegt worden. “Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass Osteuropa tatsächlich eine echte Option für deutsche Dienstleister ist”, sagt Dzierzon. Selbst für den internen Helpdesk eines deutschen IT-Serviceanbieters hält der Clearview-Geschäftsführer dies kaum für einen gangbaren Weg.
A.T-Kearney-Berater Buchta ist da optimistischer: “Letztlich ist das eine Frage des Geschäftsmodells. Wenn ich beim Discounter etwas kaufe, bin ich mir ja auch bewusst, dass am Support gespart worden ist.” Derzeit hätten die kleinen und mittelständischen IT-Dienstleister aber eh andere Probleme, gibt Buchta zu bedenken. “Seit dem Jahr 2000 findet eine Konsolidierung in diesem Markt statt. Und 500 bis 1000 Mitarbeiter sei da das Minimum, um als IT-Dienstleister künftig überhaupt bestehen zu können.”
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