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Attraktiv und preiswert

Hat sich was von wegen Design, Branding und anderen Geldschneidereien! Auf den Preis und die Benutzeroberfläche ihrer Gadgets legen sie wert. Das hat jetzt das Institut für Mobile Marketing der FH Münster herausbekommen. Sehr bodenständig!
Und darum geht es – überall in der Wirtschaft. Auch bei der Bahn. Deutschlands permanentem Skandal-Unternehmen. Seit Wochen schon kommt es nicht mehr aus den Schlagzeilen heraus.

Eigentlich besteht der Skandal ja darin, wie die Industrie bei der Bahn ständig überdotierte Aufträge abgreift. Der BDI hat sich denn auch erst einmal für ein weiterhin staatliches Schienennetz ausgesprochen. Das ist halt einfach lukrativer für die Mitgliedsfirmen aus der Baubranche.

“Deutsche Industrie für vergesellschaftete Produktionsmittel” wär’ doch ‘ne klasse Headline für diese Schmierenkomödie. Aber darüber regt sich niemand auf.

Aufregung gibt’s nur dann, wenn der Selbstbedienungsladen mal wieder notgedrungen die Fahrkartenpreise erhöht. Aber so ist das eben. Die Leute schauen halt auf’s Geld. Allerdings erst dann, wenn sie’s bezahlen müssen.

Und auf die Benutzeroberfläche schauen sie. Wobei es da bei der Bahn ja keine lauten Proteste gibt. Nur stille Verzweiflung, zu beobachten an jedem beliebigen Fahrkartenautomaten.

Die Datenausgabe erfolgt dort über zwei Displays, einem graphischen für die Menuführung und einem alphanumerischen für den Bezahlvorgang, sowie einem Drucker für Beleg und Fahrkarte. Den Input fragt der Automat über einen Touch-Screen ab und über eine numerische Tastatur sowie per Datenträger, einen Chip-basierten – die EC-Karte – und einen mit Magnetstreifen – die Bahn-Card. So ähnlich dürfte sich zu Mainframe-Zeiten der Operator mit seinem Lochkartenstapel gefühlt haben. Aber der war für sowas wenigstens ausgebildet.

Diese I/O-Prozedur muss man sich jetzt noch in Verbindung mit einer nölenden Gattin und zwei quengelnden Kindern vorstellen. Dann wird klar, dass Bahnfahrer sicherlich das gleiche wollen wie Handy-Telefonierer. Günstige Preise und eine komfortable Benutzeroberfläche eben. Das würden sie wohl antworten, wenn sie gefragt würden. Sicherheitshalber fragt man sie deshalb nicht.

Wobei das mit der Benutzeroberfläche ja so ein Problem ist: Es kann nicht beliebig viele davon geben. Eine Benutzeroberfläche nämlich wird immer verteilt installiert. Ein Teil auf dem System, dessen Oberfläche sie bildet. Der andere beim Benutzer. Dessen Aufnahmekapazität aber ist limitiert.

Deswegen schreckt man ja oft davor zurück, sich neue elektronische Geräte oder Küchenmaschinen zuzulegen. Weil man sich eh nicht merken könnte, wie die zu bedienen sind.

Denn was man sich merken kann, das reizt Microsoft bis zum Limit aus. Wegklicken – das X anklicken – das Pull-down-Menue, Doppelklicken, die Anwendung öffnet sich. Das ist genau so selbstverständlich, wie dass die Kupplung … Ja, wo eigentlich? – Genau, links. Und das Gas ist rechts.

So funktioniert eine gute Benutzeroberfläche. Sie muss anwenderseitig mit extrem kurzen Datenpfaden implementiert sein, solchen, die gar nicht mehr über das Gehirn gehen. Der bedingte Reflex sollte genügen.

Allein schon deswegen, weil Microsoft das Gehirn dadurch beschäftigt, dass sie für altbekannte Funktionen in neuen Betriebssystemversionen stets andere phantasievolle Bezeichnungen erfindet und sie hinter neuen Reitern und Verzeichnissen sorgsam versteckt.

Deshalb ist auf dieser Welt nur für eine Benutzeroberfläche Platz – für Windows. Und Microsoft, der die systemseitige Implementierung dieser Benutzeroberfläche gehört, nutzt die dadurch erworbene Machtposition weidlich aus. Seit gestern verhandelt der Konzern ja wieder mit der EU-Kommission darüber.

Jene will, dass sowas wie mit Netscape nie wieder passiert. Dem Unternehmen, dem der mit unsanftem Druck verschenkte Internet-Explorer die Existenz gekostet hat.

Microsoft hat unterdessen angekündigt, neue Sicherheits- und Komfort-Funktionen Browser – derer es ja nun wahrlich bedarf – für den hauseigenen nur noch in Verbindung mit einem Update auf Windows XP anzubieten. Kostenpunkt: hundert Dollar.

“Wenn man ein sehr altes Auto fährt, kostet es auch, wenn man einen Airbag einbauen will”, bemüht der ansonsten eigentlich recht kluge Microsoft-Sprecher zur Rechtfertigung ein arg schiefes Bild.

Ach ja, günstige Preise und eine komfortable, weil gewohnte Benutzeroberfläche – da gibt es immer jemanden, der das verhindert.

Silicon-Redaktion

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