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Conways Entlassung macht Peoplesofts Zukunft unsicher

Peoplesoft hat seinen Chef entlassen und spannt die Muskeln. Branchenführer will das Unternehmen in seinem Gebiet sein und verweist stolz auf die Tatsache, dass allein mit Softwarelizenzen im laufenden dritten Quartal etwa 150 Millionen Dollar in die Kasse fließen werden – verglichen mit über 160 Millionen Dollar im Vorjahr und trotz der Unsicherheiten, die eine seit 15 Monaten währende Übernahmeschlacht mit Oracle mit sich gebracht hatte. Doch warum ist Craig Conway ausgerechnet jetzt mit einer goldenen Abfindung von bis zu 20 Millionen Dollar entlassen worden?
Eine mögliche Antwort liegt in der zeitlichen Nähe zur Entscheidung des US-Justizministeriums, keine Berufung gegen die Gerichtsentscheidung zugunsten von Oracle einzulegen. Sie soll nun doch nicht die Kartellrechte gefährden – in einer möglichen Zukunft für Branche und Kunden mit nur drei großen Anbietern von Unternehmenssoftware sahen die Entscheider keine Wettbewerbsverzerrung. “Wir sind enttäuscht, respektieren aber die Entscheidung”, sagte der Stellvertretende Staatsanwalt Hewitt Pate in Washington zu der Entscheidung. Schon Anfang September hatte ein US-Bundesgericht Oracle erlaubt, die Übernahmebemühungen fortzusetzen, weil keine Wettbewerbsverzerrung zu erkennen sei. Unterdessen steht noch eine Entscheidung der EU-Kommission zur geplanten milliardenschweren Übernahme aus, doch die dürfte sich nun laut Analystenaussagen auch positiv für eine Übernahme einpendeln.

Oracle gibt sich auf die Entscheidung des Finanzministeriums vom Freitag hin siegessicher. Das Unternehmen verweist in einer Stellungnahme – nicht ohne Seitenhieb auf Conway – darauf, dass Oracle jetzt gleichsam die Peoplesoft-Aktionäre von ihren Peinigern befreien wolle. Oracles Chairman Jeff Henley sagte: “Die Entscheidung bestärkt uns in unserem langgehegten Glauben daran, dass die Übernahme nicht wettbewerbsverzerrend ist; wir freuen uns daher jetzt auf die Verhandlungen vor dem Gericht in Delaware, wo wir gegen die Peoplesoft Board-Mitglieder vorgehen werden wegen ihrer Handlungen im letzten Jahr, die den Shareholder Value stark beschädigt haben und weiter beschädigen.” Er freue sich vor allem darauf, sagte er, diese Vorwürfe “vor Gericht ans Licht zu bringen”.

Conway hatte sich vehement gegen das feindliche Übernahmeangebot durch Oracle gewehrt, das ist sicher. Und als Verfechter der gegen Oracle gerichteten Politik bei der Übernahmeschlacht wird er nach Ansicht der Meta Group hier in Deutschland wohl in die Unternehmensgeschichte eingehen. Doch die Motive sind noch im Dunkeln. So geht eine Spekulation gut informierter Kreise dahin, dass Conway den Kontakt mit IBM als möglichem weißen Ritter nur eingefädelt habe, weil er von vornherein einen Verkauf an Big Blue wollte, sich also nur gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber Oracle als neuen Besitzer von Peoplesoft ausgesprochen hätte. Mit der Entlassung ist nach Auffassung von Branchenkennern eine Übernahme generell näher gerückt.

Microsoft hat für sich eine Möglichkeit, mit der 60 Milliarden Dollar schweren Kriegskasse in diese interessante Diskussion einzusteigen, vernehmlich und von höchster Stelle aus abgelehnt. Ballmer verneinte diese Frage ganz deutlich. Bleiben IBM und Oracle? Aber Luis Praxmarer, Senior Vice President der Meta Group, kommt diese Idee des weißen Ritters ganz und gar dubios vor, er meint in seiner Kolumne auf silicon.de: “Warum sollte das jemand machen? Wegen des Barvermögens, der Software, der Kundenbasis oder der Angst vor Oracle?” Für ihn genügt die kürzlich angekündigte Produktintegration zwischen Peoplesoft und IBM.

Analysten in den USA geben aber auch zu bedenken, dass Conway die seit 15  Monaten währenden Abwehrkämpfe, die teils sehr ausdrucksstark und persönlich mit Larry Ellison ausgetragen wurden, nicht alleine geschlagen hat. Dazu gehöre der Vorstand, der in dieser Entscheidung einstimmig gewesen sei. Den Querelen zwischen Conway und seinem ehemaligen Chef, Oracles CEO Ellison, sei keine so hohe Bedeutung beizumessen.

Außerdem, so sagte Bruce Richardson, Analyst bei AMR Research, sei es unsinnig für Peoplesoft, zunächst den CEO mit großem Trara zu feuern, um dann Oracle klein bei zu geben. Der neue CEO David Duffield hat auch schon angekündigt: “Ich bin gekommen, um lange zu bleiben.” – All dies lässt trotz der Entscheidung des Finanzministeriums nicht darauf schließen, dass der Kampf schnell vorüber sein wird. Die Taktik, die das Board im Moment bezüglich der strategischen Fortführung der Geschäfte fährt, heißt Schweigen. Und so nehmen Branchenkenner verschiedener Bankinstitute in den USA auch an, dass sie noch keine bestimmte Richtung eingeschlagen haben, beziehungsweise dass sie sich noch nicht einig sind.

David Bradshaw, Principal Analyst bei dem Marktforschungsunternehmen Ovum, glaubt nicht, dass das Argument vom “Vertrauensverlust”, das die offizielle Stellungnahme von der Entlassung Conways enthält, auch wirklich zutrifft. Er ist der Ansicht, dass sich in der Führungsspitze sehr wohl eine Positionierung zu dieser Frage entwickelt hat. Für ihn kommt aufgrund der Tatsache, dass es keine Buchhaltungs- oder sonstige Unliebsamkeiten mit Conway gegeben hat, nichts anderes als eine Verbindung zur Oracle-Übernahme in Frage. “Ironischerweise wurde ja gerade Duffield 1999 von Conway mit dem Argument abgelöst – die Firma habe die Orientierung verloren. Conway sollte den Turnaround schaffen.”

Da es der Firma gut geht, steht für ihn nahezu fest, dass gerade der zeitliche Zusammenhang zur Entscheidung der Behörden – “von dem sie sicher gewusst haben” – sowie die Vermutung, dass jetzt auch die EU ihre Fahnen gegen die Übernahme sinken lassen wird, ein deutliches Zeichen. Er vermutet sogar eine Stilfrage, die zugunsten des Führungsstils von Duffield beantwortet worden sei. Duffield ist schließlich bekanntermaßen auch kein Freund von Oracle. Vom Regen in die Traufe, so lautet seine Ansicht der beiden Unternehmenslenker.

Am heutigen Montag wird jedenfalls ein neuer Gerichtsprozess beginnen. Oracle wirft Peoplesoft darin Vertragsbruch vor – an den Aktionären. Die Reaktionen an den Börsenmärkten jedenfalls machen ihnen Hoffnung. Nach Ansicht der Marktforscher von Ovum deutet die Steigerung des Handelspreises um 3 Dollar auf 23 Dollar darauf hin, dass Oracle sein Angebot nach mehrmaliger Weigerung nun doch anheben wird. Einmal weil Oracle nach dieser Streiterei dringend weitermachen müsse und nicht aufgeben dürfe. Und andererseits, weil möglicherweise die Migrationsbestimmungen aus der vorher erfolgten Übernahme von J.D. Edwards durch Peoplesoft etwas versüßt werden könnten, die eigentlich als bittere Pille gegen die Übernahmen gesetzt worden waren. Doch auch dies ist nichts als eine gut fondierte Spekulation. Bei Eröffnung der Gerichtsverhandlung heute sollten einige Karten auf dem Tisch liegen.

Und den Kunden rät Meta-Group-Mann Praxmarer, nicht in Panik zu geraten: “Was wirklich mit den einzelnen Modulen von Peoplesoft und J.D.Edwards passiert, ist heute Spekulation. Die Kunden, die mit der letzten oder einer stabilen Version der Software arbeiten, brauchen kurzfristig nichts zu unternehmen, da die zukünftige Wartung von Oracle versprochen wurde.”

Silicon-Redaktion

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