Bundestag: Ein klares ‘Nein’ zu Softwarepatenten
Softwarepatente würden den Markt zugunsten der Großunternehmen verschieben und Innovation und Mittelstand zerstören
Die Debatte über Softwarepatente scheint weniger kontrovers geführt zu werden, als es zeitweilig den Anschein hatte. So äußerten alle Fraktionen im Bundestag im Rahmen einer Debatte Kritik an der von Irland eingebrachten Richtlinie des EU-Rats zur “Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen”. Die Debatte war von einem Antrag der FDP angestoßen worden, in dem die Regierung aufgefordert wurde, sich dem Vorschlag des EU-Parlaments anzuschließen, der eine weitere Einschränkung des Patentgesetzes für Software beinhaltet.
“Patente auf Software schaden dem Wissensstandort Deutschland”, warnte die medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Grietje Bettin, in der Debatte des Bundestages. Auch Abgeordnete von CDU und SPD warnten vor den Folgen, speziell für mittelständische Softwareunternehmen, durch eine breite Patentierbarkeit von Software. FDP und CDU/CSU haben jeweils an den Rechtsausschuss der Bundesregierung Anträge weitergeleitet.
“Reine Software, Geschäftsmethoden, Algorithmen und reine Datenverarbeitung dürfen einer Patentierung nicht zugänglich gemacht werden. Besonders mittelständische Softwareunternehmen, die der Motor für Innovation sind, wären von einem weit reichendem Patentschutz betroffen”, erklärte die Bundestagsfraktion der CDU/CSU in dem Antrag. Die Schwesterparteien drängen in diesem Schreiben die Bundesregierung, die Patentanforderung “naturwissenschaftliche Außenwirkung” in die Richtlinie einzubringen.
Das Bundesjustizministerium unterstützt derzeit noch die Richtlinie des EU-Rates und hat nach einigen marginalen Änderungen entgegen verschiedener Ankündigungen im Vorfeld im Mai für den Entwurf gestimmt. Nach Ansicht der Kritiker des Rates bewirke die Direktive eine uneingeschränkte Patentierbarkeit von Software.
Nicht ganz so harmonisch verlief im Gegensatz dazu die Diskussion, zu der das Deutsche Patent- und Markenamt sowie das Bundesjustizministerium in München geladen hatten. So erklärte Uwe Schrieck, Patentanwalt und Leiter IP-Strategie bei Siemens, dass für sein Unternehmen gerade im Embedded-Software-Bereich Patentschutz unerlässlich sei. Deshalb sei der Parlamentsvorschlag in seinen Augen auch nicht tragfähig.
“Patente haben das Potential, Erfindungen zu schützen”, erklärte der Professor Dietmar Harhoff vom Institut für Innovationsforschung an der Ludwigs Maximilians Universität München. Dabei sei aber die richtige Qualität des Patenschutzes äußerst wichtig. Softwareentwicklungen, in die beispielsweise Siemens viel investiert, um sie dann mit einem Gerät auf dem Markt zu bringen, stünden Patentanträgen gegenüber, bei denen ohne vorhergehende Investitionen in Entwicklungen ein Konzept geschützt wird.
So seien es gerade “kleine inkrementale Veränderungen, die durch so genannte Trivialpatente bedroht werden”, sagte Harhoff und verwies auf Beispiele aus den USA, wo so genannte Patent-Trolle insolvente Softwareunternehmen, die Patente besaßen, aufkaufen “und jeden verklagen, der davon betroffen ist”. Dahinter verbergen sich nicht selten Investmentfirmen, die wegen der größeren Finanzdecke tatsächlich das Potential hätten, kleinere Unternehmen aus dem Weg zu räumen.
“Wir sehen uns massiv durch Patente bedroht”, erklärte Claus Gittinger, von der Exept Software AG, einem 15-Mann-Unternehmen, im Gespräch mit silicon.de. Nach seiner Ansicht hätten deutsche und europäische Softwareproduzenten weit weniger Druck ins Ausland auszulagern als Unternehmen in den USA. “Wir können rund 20 bis 30 Prozent billiger produzieren als in den Staaten”, berichtete Gittinger. Der Grund: Patentrecherchen und Anwaltskosten entfallen in Europa. Durch eine entsprechende Lockerung der Patentanforderungen entfalle aber dieser Standortvorteil.
Aus dem Publikum meldete sich auch Wilhelm Hoegner zu Wort, bei der Stadt München verantwortlich für die Migration auf Linux, und erklärte, dass “rechtliche Klarheit” in dieser Frage nötig sei. Andernfalls müssten bei öffentlichen Aufträgen entsprechende Haftungsauschluss-Klauseln für mögliche Patentverletzungen eingeführt werden. “Dann sind nur noch größere Unternehmen in der Lage, den öffentlichen Markt zu bedienen, und dann haben wir auf jeden Fall eine Wettbewerbsverzerrung.” Aus dem Plenum meldete sich ein Hersteller für ein Ticket-Verkaufssystem zu Wort: “Auch unsere Software ist bereits durch EU-Patente bedroht, die es angeblich nicht gibt.”
Aber gerade diese Klarheit wird von Seiten der Verantwortlichen nicht erbracht. In seiner Eröffnungsansprache erklärte der Präsident des Deutschen Patentamtes, Jürgen Schade, dass nach geltendem Recht “Computerprogramme keinen Anspruch auf Patentierbarkeit” hätten und dass auch keine Lockerung gewollt sei. Florian Müller, Initiator der Initiative www.nosoftwarepatents.com und Berater der Open-Source-Unternehmen Red Hat und MySQL, entgegnete: “Das Unternehmen MySQL hält ein Patent auf eine Methode, wie Datensätze in eine Datenbank geschrieben werden.”
Auch Thomas Gerick, Leiter Unternehmenskommunikation der USU AG, konnte im Gespräch mit silicon.de von einem Patent berichten, das das Unternehmen für eine Technologie in einer Archivierungssoftware im Jahre 2000 erhalten hatte: “Als wir das Patent bekommen haben, wurden auch einige interessante Großprojekte möglich; für uns ist es ein gutes Marketinginstrument.”