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IT-Dienstleister: Zeit zum Umdenken

Schwere Jahre hat die IT-Dienstleistungsbranche hinter sich. Aufgrund der schwächer werdenden Nachfrage mussten viele Dienstleister auch ihr Personal reduzieren und bei den Beratungshonoraren deutliche Abstriche in Kauf nehmen. Das einstige Wachstumssegment schrumpfte laut Bitkom im vergangenen Jahr um 0,7 Prozent und legt 2004 lediglich um 2,3 Prozent auf 26,7 Milliarden Euro zu. Dies liegt unter dem Branchendurchschnitt. Für das kommende Jahr erwartet der Bitkom dann immerhin ein Plus von 4,4 Prozent bei IT-Services. Doch von Entwarnung kann keine Rede sein, denn auf die Anbieter kommen neue Herausforderungen zu.
“Die IT-Dienstleistungsbranche befasst sich zu wenig mit der Frage, was die Kunden morgen gebrauchen können”, kritisiert Dirk Buchta, Mitglied der Geschäftsleitung des Managementberaters A.T. Kearney in Deutschland. “Den Branchengrößen steht dabei auch im Wege, dass sie meist US-amerikanische Konzerne sind, bei denen die schnelle Amortisation im Vordergrund steht.” In der Vergangenheit sei es für die Anbieter leicht gewesen, sofort “cash positive” zu sein, künftig werde das für die IT-Dienstleister aufgrund notwendiger Investitionen schwieriger.

Eine Mitschuld sieht Buchta auch bei den Anwendern, die “oft zu wenig fordern und beispielsweise beim Outsourcing lieber alles so weiterbetrieben haben wollen wie bislang”. Da wundere es nicht, wenn der Kunde dann auch nicht die technisch-strategisch besten Vorschläge vom Dienstleister unterbreitet bekomme.

Dass das derzeitige Vorgehen der IT-Serviceunternehmen nicht der Weisheit letzter Schluss ist, lässt sich mit einer gemeinsamen Studie zweier Fraunhofer-Insitute untermauern. Das Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin und das Stuttgarter Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation haben dafür mehr als 160 IT-Dienstleister in Deutschland zu ihrer Strategie befragt. Fazit: Viele Anbieter entwickeln völlig unstrukturiert neue Services. Mit Konsequenzen: “Derzeit sind Flopraten von 50 bis 80 Prozent an der Tagesordnung”, sagt Thomas Knothe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik und Mitautor der Studie.

Derzeit versuchen auch nur wenige Dienstleister, sich von ihren Mitbewerbern tatsächlich zu differenzieren, so Knothe weiter. Gerade im Umfeld der Standardsoftware sei das über die konkreten Leistungsinhalte kaum möglich, und Argumente wie Branchen-Know-how oder weltweite Verfügbarkeit einer Dienstleistung schrieben sich inzwischen viele auf die Fahnen. “IT-Dienstleister brauchen daher eine dem traditionellen Produktmanagement ähnliche Funktion, damit Services sich entsprechend der Kundenanforderungen gezielt entwickeln lassen”, folgert der Wissenschaftler.

Dies sei umso wichtiger vor dem Hintergrund, dass die Zeit zwischen Kundenansprache und Vertragsabschluss sich auf durchschnittlich sechs Monate verkürzt habe. “Das führt wiederum zu einer kürzer werdenden Vorlaufzeit bis zur Aufnahme eines geregelten Betriebs”, so Knothe. Eine Entwicklung, die sich im On-Demand-Zeitalter noch weiter beschleunigen dürfte.

Das Management-Beratungsunternehmen Deloitte sieht in der Entwicklung der IT-Branche Parallelen zur Bauindustrie in den Neunzigern: fallende Preise und eine verschärfte Konkurrenzsituation. “Die Anbieter müssen Umsatz sichern und stoßen immer häufiger auf vertragliche Ungereimtheiten oder ungenau formulierte Anforderungen”, stellt Berater Björn Barth fest.

Deloitte stützt diese Aussagen auf eine eigens dafür durchgeführte Untersuchung. Sie habe ergeben, dass immer mehr IT-Anbieter Vertragsmanager einstellen wollten oder bereits eingestellt hätten. Die eigene Rechtsabteilung helfe da meist nicht weiter, weil sie im Regelfall erst im Nachhinein aktiv werde und ihr die Projekterfahrung und das Verständnis für Zusammenhänge fehlen würden.

“Bei den IT-Services sind Unternehmen, die sowohl Projekterfahrung haben als auch juristische Dienstleistungen anbieten können, kaum etabliert”, beschreibt Barth die heutige Situation. “In der Bauindustrie werden diese Dienstleistungen hauptsächlich durch spezialisierte Kanzleien oder Ingenieurbüros erbracht.”

Eine umfassende Überwachung von Projekten vom Beginn des Auftrags bis hin zu der ‘schlüsselfertigen Übergabe’ des Systems im Sinne des Auftraggebers gewinne auch in der IT-Branche zunehmend an Bedeutung. Barth geht sogar noch einen Schritt weiter: “Eine Honorarordnung gekoppelt mit einer zukünftigen Verdingungsordnung für IT-Leistungen in Analogie zur Baubranche wäre sicherlich nicht von der Hand zu weisen.”

Dass die IT-Branche Regulierung scheue, sei nachvollziehbar, so der Berater, “aber eine Art von Regulierung muss zwangsläufig kommen”. Denn die IT-Industrie habe sich Jahre lang unter dem Mantel “Hochtechnologie” versteckt: der Kunde habe immer weniger Kenntnisse gehabt als der Anbieter. “Fakt ist, dass der Hype vorbei ist, und die Kunden sich diese Kenntnisse inzwischen angeeignet haben”, so Barth.

Eine Verdingungsordnung für die Technik und eine Honorarordnung für die IT-Beratung werde auch eine Trennung von Planungs- und Ausführungsleistung ermöglichen, und die angebotene Leistung vergleichbar machen. In der Baubranche ersetzte in den Neunzigern die detaillierte Leistungsbeschreibung den bis dahin üblichen Pauschalfestpreis. “Ein Architekt entwirft ein Gebäude unter Berücksichtigung der Kundenwünsche und seiner Kenntnisse der Architektur und des Bauwesens. Der IT-Berater entwirft ein System auf einer ähnlichen Grundlage”, zieht Barth einen Vergleich. “Die zu erbringende Leistung unterscheidet sich also kaum noch.”

Silicon-Redaktion

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