Smart und ubiquitär

Im Fernsehen beispielsweise. Dort nehmen die Rechtanwälte von Minckwitz, Lenßen, Klagge und wie sie alle heißen die Rolle von Serienhelden ein.

Im Fernsehen beispielsweise. Dort nehmen die Rechtanwälte von Minckwitz, Lenßen, Klagge und wie sie alle heißen die Rolle von Serienhelden ein. Was nun wirklich sehr unpassend ist, schließlich heißt Rolle auf Englisch ‘character’. Und wenn ein Anwalt sowas hat und es nicht in den Griff bekommt, dann kann das bis zur Berufsunfähigkeit führen.
Juristen müssen smart sein. Wie die in der IT.

Die Kanzlei etwa, die die Site “Dialer und Recht” betreibt. Mit ihrem Internet-Auftritt empfiehlt sie sich den Opfern jener perfiden Einwahlprogramme und gleichzeitig vertritt sie die Firma Mainpean, die im letzten Jahr 400.000 davon bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post angemeldet hat, ganz offenkundig um den Laden mal so richtig lahmzulegen.

Mit Charakter hat das nichts zu tun. Smart ist es.

Überhaupt prägen ja zunehmend Juristen das Bild der IT. 229 Artikel, in denen mindestens ein “Anwalt” explizit vorkommt, haben sich mittlerweile im Archiv von silicon.de angesammelt. Im Vergleich dazu liefert die Suche nach einem “Informatiker” bescheidene 65 Treffer.

Es muss wohl am Entwicklungsstadium liegen. Nur jeweils am Anfang sagen ja überall unverwechselbare Charaktere, wo’s lang geht. In der IT waren das William Shockley und Kollegen, die den Transistor erfunden haben. Robert Metcalf mit dem Ethernet und Vinton Cerf mit TCP/IP.

Tim Berners-Lee gehört sicherlich dazu und noch einige andere. Aber spätestens mit Linus Thorvalds ist Schluss.

Solche Leute sind nicht smart, eher verbohrt. Will sagen: Sie haben Charakter.

Konrad Zuse etwa blieb auch im hohen Alter von den Vorteilen der Elektromechanik überzeugt. Das mikroelektronische Fitzelzeug war seine Sache nicht.

Selbstverständlich gibt es solche sperrigen Charaktere immer noch. Aber derzeit steht weder die Erfindung des Computers noch die des World Wide Web an.

Heute geht es vielmehr um Fragen, ob Programmierer überhaupt noch einfach mal so programmieren dürfen oder ob es nicht eher angeraten ist, zuvor einen Patentanwalt zu konsultieren.

Oder ob es der weitgehend anwaltseigenen Firma SCO gelingt, die Sache mit dem eigentums-rechtsfreien Raum rund um Linux zu beenden. SCO ist ja überhaupt das IT-Unternehmen neuen Typs schlechthin. Erst hat es Linux distribuiert und dann gesagt, sowas dürfe man nicht. Ein Standpunkt nach Maßgabe dessen, was grad ansteht. Das ist smart.

Deswegen ist die Computerei heute weniger das Einsatzgebiet von Informatikern als von Juristen. Die sind schließlich ständig auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern, wahrscheinlich weil einem gemütsmäßig doch was fehlt, wenn man je nach Mandat mal die eine, mal die Gegenseite vertritt.

Zum Ausgleich gehen Juristen daher in Gebiete, die traditionell emotionsbeladen sind, in die Schauspielerei und in die Politik. Das Problem aber ist, dass sie ihr berufsbedingtes Nach-Gusto-Verhalten selten ablegen können, weshalb sie meist genauso schlechte Schauspieler wie Politiker abgeben.

Beispielsweise sind die wohl profiliertesten Anwälte im Bundestag Hans-Christian Ströbele und Otto Schily. Ihr Renommee erwarben sie sich mit der Verteidigung des Juristen Horst Mahler. Letzterer hat’s, nebenbei bemerkt, etwas übertrieben: er gehörte erst dem SDS, dann der RAF, später der KPD/AO, der FDP und der NPD an.

Seine ehemaligen Verteidiger halten sich da mehr im Rahmen des Üblichen. Ströbele ist eigentlich für die Grünen im Parlament, gewählt wurde er aber, weil er meist doch eher dagegen ist. Schily war erst bei den Grünen. Heute ist er in der SPD. Er hat allerdings auch schon mal einen Aufnahmeantrag vom CSU-Generalsekretär zugeschickt bekommen.

Im Hohen Haus haben es die beiden häufig mit Leuten zu tun, die sowohl ihre Abgeordneten- als auch ihre Anwaltskollegen sind und bei denen man deshalb auch nicht auf Anhieb merkt, wessen – politisches – Mandat sie eigentlich wahrnehmen. Anwälte bleiben halt auch als Politiker sehr smart.

Ach ja, auch das ist wohl eine Folge des Entwicklungsstands, desjenigen, den das parlamentarische System in Deutschland mittlerweile erreicht hat, dass es keine unverwechselbaren Politiker-Charaktere mehr gibt. Nur noch Juristen im Zweitberuf.

Im Mutterland der Demokratie ist ja diese Woche gewählt worden. Beworben hat sich auch das Star-Anwalts-Duo Kerry-Edwards. Gewonnen aber haben die beiden anderen.

Und das ist gerade das Ärgerliche an den Anwälten: Überall treiben sie sich herum. Aber wenn man mal einen – oder zwei – wirklich brauchen könnte …

Der Autor könnte mit den Verbalinjurien noch beliebig lange fortfahren. Aber sein Anwalt hat ihm dringend geraten, keine weiteren Aussagen mehr zu machen.