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Psycho-Google

Klar. Der Mensch geht zwar meist recht sorglos mit seinem Gemüt um und setzt es bedenkenlos allerhand Gefährdungen aus. Je nach Alter und persönlichen Vorlieben der durch Bier und andere Psychopharmaka. Jener durch das Doktor-Sommer-Team. Oder der durch den Fernsehpfarrer Jürgen Fliege.
Aber solche Leute? Die lässt man mit ihren “Technologien” – so nennen sie das, woran sie glauben, denn doch nicht an seine Persönlichkeit ran.

Außerdem unterscheiden sie laut Verfassungsschutz die Mitglieder ihrer Organisation nach Underperformern (“Downstats”) und Leistungsträgern (“Upstats”). Die “Upstats” sind was Besseres und haben mehr Rechte. Man kennt das ja zur Genüge aus der ganz gewöhnlichen Arbeitswelt und möchte mit so einem Mist deshalb nicht auch noch auf dem Weg zum Wirtshaus behelligt werden.

In jüngster Zeit gibt’s wieder einiges kostenlos – im Internet: Suchprogramme zum Herunterladen. X-Friend, Blinkx, Google-Desktop und demnächst das von Microsoft. Diese Gratisangebote sind nicht so obskur: Von den Suchmaschinen weiß man, wie sie arbeiten.

Sie indizieren die lokalen Festplatten, kennen also den Kontext, in dem man sucht, und können so präzisere Ergebnisse liefern. Die Programme wissen, was der Surfer meint. Also dass es wohl nichts mit Slawophilie zu tun hat, wenn der Manta-, Porsche- oder GTI-Fahrer “polish” eingibt. Hingegen interessieren sich viele Auto-Besitzer für Polituren.

Deshalb bekommen sie vorrangig Seiten zu diesem Thema angezeigt. Zusammen mit der passenden Werbung, versteht sich. Schließlich geht’s, wenn’s was kostenlos gibt, in aller Regel um viel Geld.

Die lokalen Festplatten liefern reichhaltiges Material für derartige Technologien. Weil: Heutzutage ist ja mehr oder weniger alles digital. Die Youngsters etwa schieben sich beim Anbaggern keine Zettelchen mehr in Schule zu. Und Liebesbriefe schreiben sie auch nicht mehr. Sie simsen.

Und wenn’s die Liebe des Lebens ist – das kommt in dem Alter durchweg mehrmals im Monat vor – dann kann’s auch schon mal eine E-Mail sein.

Den Schriftverkehr mit ehemaligen großen Lieben hat man früher in einem Schuhkarton auf dem Dachboden deponiert. Heute legt man dafür eine pst-Datei in Outlook an.

Illustrationen, die die mit zärtlichen Gefühlen zusammenhängende animalische Bedürfnisse anregen, waren früher nur in Geschäften erhältlich, auf deren Ladenschild das abschreckende Wort “Ehehygiene” stand. Wer solche Illustrationen erworben hatte, den erkannte man unschwer am hochgeschlagenen Mantelkragen und der ins Auge stechenden unauffälligen Tüte unterm Arm. Heute gibt der Browser-Cache Auskunft, wer gerne würde, wofür er niemanden hat.

Und noch sensiblere Dinge als Intimitäten werden mittlerweile den Persönlichen Computern anvertraut: Geldgeschäfte. Das Bankgeheimnis sorgt zwar dafür, dass das Finanzamt nichts erfährt. Aber der PC des Online-Bankkunden weiß alles.

Apropos Finanzämter. Die verschicken gerade Mitteilungen, dass die Umsatzsteuervoranmeldung künftig auf elektronischem Weg zu erfolgen hat. Selbst um das Geld abzudrücken, das Eichel viel und gerne nimmt, braucht man bald den Rechner.

Indizes gibt es ebenfalls fast nur noch auf Festplatten. Vor nicht gar zu langer Zeit hatten solche Verzeichnisse vorwiegend die Form von Karteikarten, die belesene Menschen, über ihre Bücher und Zeitungsausschnitte anlegten.

Deshalb waren sie im gewissen Sinne auch sicher verschlüsselt. Eine unleserliche Handschrift schlägt schließlich jeden Kryptographie-Algorithmus. Die Indizes, die Suchsoftware erstellt, allerdings sind in Klartext.

Und darauf möchten jetzt alle möglichen Unternehmen mit ihren Gratisprogrammen zugreifen, damit sie den  Surfer kennen, also um herauszufinden, was er eigentlich meint, wenn er einen Suchbegriff eintippt.

Ach ja, früher ist man nach dem “Schleich di!” in die Seitengasse der Leopoldstraße eingebogen, wo die letzte übriggebliebene Münchner Wirtschaft in Schwabing steht. Die, um die herum Herbert Riehl-Heise mal einen Tatort geschrieben hat. Dort hat man sich ein paniertes Schweineschnitzel mit Kartoffel-Gurkensalat bestellt und zwei, drei Halbe Bier.

Und die Bedienung hat immer sofort gewusst, was man will, weil die halt auch ihre Leut’ kennt. Und das zumindest war noch nie ein Problem.

Silicon-Redaktion

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