Solaris: 600 neue Features zum Nulltarif
Wie gut kann man Open Source nachempfinden, ohne selbst Open Source zu machen? Mit Solaris 10 versucht Sun Microsystems genau das.
Wie gut kann man Open Source nachempfinden, ohne selbst Open Source zu machen? Mit Solaris 10 verfolgt Sun Microsystems ein Vermarktungskonzept, das dem von Linux mehr als nur ähnlich sieht. Sogar einen kostenlosen Download bietet der Hersteller auf seiner Webseite an, lediglich eine Registrierung ist gefragt. Gratis ist das Betriebssystem für Unternehmen, die auf Support von Sun verzichten wollen. Für alle anderen gibt es Support-Pakete, deren Preisgestaltung nur als Kampfansage gegen Linux-Distributoren verstanden werden kann.
Man merkt Sun die Bemühung an, das gegenüber Linux verlorene Terrain wieder für sich zu gewinnen – zumindest einen Teil davon. Konkurrenten wie Red Hat oder Suse lassen sich nicht aus der Welt diskutieren, zumal sie sich inzwischen der Unterstützung aller namhafter Hardware- und Softwarehersteller sein können. Also heißt es jetzt mit alten Vorurteilen aufräumen, dass nämlich Unix und Unix-Rechner im Gegensatz zu Linux und x86-Hardware sehr teuer sind.
Die Lizenzpreise für Solaris 10 werden zwischen 120 und 360 Dollar pro Prozessor und Jahr liegen, je nachdem ob man nur Bug-Fixes oder Support rund um die Uhr haben will. Je nach dem mit wen sich Sun da vergleicht, kommt der Hersteller auf eine Kostenersparnis von bis zu 40 Prozent gegenüber Linux. Außerdem läuft Solaris nicht mehr nur auf den eigenen Sparc-Maschinen sondern auch auf Servern mit x86-kompatiblen Intel- oder AMD-Prozessoren. Inzwischen müht sich Sun um eigene Präsenz in diesem Segment und setzt dabei auf die 64-Bit-Fähigkeiten des Opteron-Prozessors von AMD.
Doch Sun wäre nicht Sun, wenn auch dieses Betriebssystem nicht voller technischer Raffinessen stecken würde. Immerhin steckt der Hersteller 18 Prozent seiner Umsätze in Forschung und Entwicklung, und allein die Entstehung der neuen Solaris-Version hat eine halbe Milliarde Dollar verschlungen. “Sun ist eine technologisch getriebene Firma”, sagt Marcel Schneider, seit Sommer neuer Geschäftsführer der deutschen Niederlassung. Was IBM durch Berater zu tun versuche oder Dell mit optimalen Produktionsprozessen und den daraus resultierenden günstigen Preisen, mache Sun über die Technik.
Mehr als 600 neue Features hat Sun nach eigenen Angaben in Solaris 10 gepackt. Zu den wichtigsten gehört die Optimierung der Rechnerauslastung, auf denen Solaris und dessen Anwendungen laufen. Zu diesem Zweck lässt sich die Software in unterschiedlich große ‘Container’ partitionieren, die jeweils für einzelne Anwendungen zuständig sind. Rund 8000 solcher Container sind mit einer Kopie von Solaris theoretisch möglich. Doch mehr als deren Anzahl dürfte die Möglichkeit zählen, die einzelnen Container durch Firewalls gegeneinander abzuschirmen.
Eine weitere Neuerung ist DTrace, eine Reihe von Diagnose-Tools, die Engpässe und Bugs in einer Infrastruktur aufspüren. Die Identifizierung von Schwachstellen soll auf diese Weise in Sekunden oder Minuten passieren und nicht wie bisher Stunden oder Tage dauern. Ergänzend dazu kommt eine Funktion namens ‘Predictive Self Healing’ für die Diagnose, Isolierung und Reparatur von Hardware- und Anwendungsfehlern, wodurch sich Systemausfallzeiten verringern lassen.
Zwar unterstützt Solaris 64-Bit-Prozessoren wie AMDs Opteron, doch was die Speicher-Adressierung betrifft bewegt sich das Betriebssystem weit außerhalb dieser Grenzen. Der adressierbare Speicherraum ist 16 Trillionen mal größer als der eines normalen 64Bit-Mikroprozessors.
Unterstützt wird auch der Kryptographie-Standard PKCS 11 über das eigene Framework. Letzteres ermöglicht nicht nur ein zentrales Management kryptographischer Aktivitäten, sondern die Benutzung einer einzigen Programmierschnittstelle für diesen Zweck.
In Sachen Kompatibilität versucht Sun einen gewagten Spagat. Einerseits ist Solaris 10 abwärtskompatibel bis zu Version 2.6, was etwa die letzten sieben Jahre abdeckt; auf der anderen Seite will das Betriebssystem Linux-Anwendungen ohne Veränderungen auf Solaris-Umgebungen laufen lassen können. Ermöglicht wird das durch eine Technologie namens ‘Janus’, die aber erst mit dem ersten Update von Solaris 10 verfügbar sein soll.
Wie weit es Sun treiben will, um die Linux-Gemeinde vollends zu verwirren, wird sich in den nächsten zwei bis drei Monaten zeigen. In diesem Zeitraum will Sun eine Antwort auf die Forderung haben, eine Open-Source-Version von Solaris zur Verfügung zu stellen. Man darf gespannt sein.