Die Zeiten, da die starre Form des Datenblatts, des White Papers oder anderer realitätsnaher Ausführungen der Formulierungsfreude doch arg enge Grenzen setzte, sind wohl endgültig vorbei.
Spätestens mit Wortschöpfungen wie “Adaptive Enterprise” und “Business on Demand” hat die IT eine eigene Literaturgattung geschaffen. Für letzteres existiert mit “BoD” sogar schon ein stilechtes TLA (Three Letter Acronym).
Selbstverständlich musste die IT-Lyrik dazu die Schranken der schieren Technik-Beschreibung überwinden. Denn die Technik als solche ist gemein im Sinne von gewöhnlich.
Für IBMs BoD und HPs Gegenphantasie braucht’s schließlich technisch bloß ein bisschen Systemmanagement-Software und einige Blade-Server. Wirtschaftlich kommen noch ein paar neue Abrechnungsmodelle für Hard- und Software dazu. Alles in allem ist das doch recht gemein.
Erst die Wortgewalt der IT-Literaten verhilft dem Silizium und den Binaries zu einer schöngeistigen Dimension. “Auf dem Weg zum Adaptive Enterprise steht das optimierte Zusammenspiel von Technologien, Personen und Prozessen im Vordergrund”, dichtet etwa Hewlett-Packard.
IBMs Antithese wiederum kommt in Gestalt eines virtuosen Spiegelstrich-Stakkatos daher: BoD ist demnach “- integriert, – offen, – autonom” und “- virtuell”.
Apropos virtuell: Schön auch, dass der Wettstreit der Dichter rein virtuell ausgetragen wird. Alle großen Server-Hersteller bieten mittlerweile an, bei Bedarf zusätzliche Prozessoren freizuschalten. Aber sie nennen das ganz verschieden.
Fujitsu-Siemens hat dafür den barock-ausladenden Begriff ESCoD (Enhanced Server Capacity on Demand) geprägt. Sun nennt es im eher klassischen Stil CoD 2.0, IBM puristisch CoD und HP iCoD (instant Capacity on Demand). Der USP (Unique Selling Proposition) von HP kulminiert im vorangestellten kleinen “i”.
Das ist ja ein durchgängiges Muster auch in anderen Bereichen, dass der USP nicht mehr in Form spröder und harter Realitäten existiert, sondern in geschmeidigen Worten vorgetragen wird. In der Gesundheitspolitik etwa haben sich CDU und CSU diese Woche geeinigt.
Als Außenstehender wundert man sich da eigentlich nur, dass das so lange gedauert hat. Schließlich wollen einem alle – einschließlich FDP, SPD und Grüne – mehr oder weniger das gleiche verkaufen, nämlich dass man künftig, wenn man krank wird, kräftig zahlen muss. Und dass die Arbeitgeber dafür genauso kräftig entlastet werden sollen.
Aber das ist nur die gemeine Realität. Polit-Lyriker können das natürlich sehr viel gefälliger formulieren. “Wir wollen eine Gesundheitsfinanzierung, die niemanden überlastet und die solidarische Gerechtigkeit für Geringverdiener und sozial Schwache gewährleistet”, dichten etwa die Unionsschwestern.
Wenn CDU und CSU die Arbeitgeberbeiträge bei 6,5 Prozent einfrieren möchten, dann nennen sie das “Solidarisches Gesundheitsprämien-Modell” (Veröffentlichung der CDU vom Montag).
Bei den Grünen heißt das 6,5-Prozent-Vorhaben “Die grüne Bürgerversicherung” und das zugehörige Spiegelstrich-Stakkato: “- leistungsfähig, – solidarisch, – modern” (Beschluss der 23. ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz vom 2. und 3. Oktober).
Die SPD wiederum hat “Die Solidarische Bürgerversicherung” im Portfolio. Deren genaue Spezifikation noch von einer Task-Force unter Leitung von Andrea Nahles ausgearbeitet werden soll.
Und die FDP schließlich offeriert den “Privaten Krankenversicherungsschutz mit sozialer Absicherung für alle” (Beschluss des 55. ordentlichen Parteitages vom 5. und 6. Juni).
Ach ja. Da scheint mal wieder ein Paradigmenwechsel stattgefunden zu haben – in der IT und in der Politik.
Gemeinsam ist beiden, dass man die gemeinen Zusammenhänge – gemein im Sinne von gewöhnlich -sehr schnell verstanden hat, wenn man sich nicht von den fantasievollen Worten verwirren lässt. Was man aber mühevoll suchen muss, das ist der USP, den alle immer betonen.
Na ja. Und die TLAs – BoD, CDU, CoD, CSU und SPD – die nerven.
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