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Abrechnen nach Mips und Gigabyte war gestern

IT-Dienstleistungen, bei denen Speicherplatz, Serverleistung oder die Zahl der Clients eine wichtige Vertragsgrundlage bilden, werden zunehmend durch neue Vertragsmodelle abgelöst. Dazu müssen Service- und Anwenderunternehmen enger zusammenrücken: Der gemeinsame Business Case wird zur Grundlage künftiger Dienstleistungen.
Noch befindet sich die IT-Branche am Anfang dieser Entwicklung, die maßgeblich durch die Diskussionen rund um das Thema On-Demand-Computing vorangetrieben wurde. Denn wer Rechenleistung aus der Steckdose beziehen oder bereitstellen will, kann in den Dienstleistungsverträgen nicht mehr auf der Grundlage von Mips oder Gigabyte abrechnen, sondern muss beispielsweise in Transaktionen oder Zahl der Arbeitsplätze denken.

“Zehn bis 15 Verträge mit jeweils mehr als 50 Millionen Euro” habe man auf der Grundlage eines Profit- oder Risk-Sharing bislang abgeschlossen, sagt Christian Oecking, Leiter des globalen Outsourcing-Geschäfts bei Siemens Business Services (SBS). So betreibt die Siemens-Dienstleistungstochter beispielsweise seit 1997 für die britische Passbehörde eine IT-Infrastruktur, bei der pro ausgestelltem Reisepass abgerechnet wird. Auch das Arbeitsministerium von Südafrika nimmt die Dienste von SBS seit dem vergangenen Jahr in Anspruch: Das Serviceunternehmen betreibt die gesamte IT des Ministeriums und hat sich vertraglich dazu verpflichtet, aus den Überschüssen eine E-Government-Struktur für Südafrika mit aufzubauen.

Auch die Konkurrenz verweist auf ähnliche Vorzeigeprojekte: IBM beispielsweise rechnet bei manchen Versicherungskunden in Kanada und Großbritannien nach neu abgeschlossenen Policen ab – ein Pilotprojekt, kein Standardangebot. Und T-Systems hat beispielsweise sein Abrechnungsmodell für Debitels Billing-Services “in Teilen am Erfolg Debitels orientiert”, wie es die Telekom-Tochter formuliert. Beim Business Process Outsourcing im Personalwesen rechne man auf der Grundlage der Mitarbeiterzahl ab, so der IT-Dienstleister weiter.

Auch bei den Anwenderunternehmen – vor allem bei den großen – scheint die Zeit für solche gemeinsamen Geschäftsmodelle gekommen zu sein. Eine Studie des Marktforschungsunternehmens Lünendonk kommt zu dem Schluss, dass es den Anwendern nicht nur um eine Kostensenkung durch Outsourcing gehe, sondern um einen echten Mehrwert fürs Geschäft, der aus einer Partnerschaft entstehen soll. Einen Gesamtdienstleister für IT- und Managementberatung, Realisierung und Betrieb aus einer Hand wünschen sich laut der Studie gar 61 Prozent von 194 befragten deutschen Führungskräften. Die Befragten stammten aus Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, drei Viertel der befragten Firmen wiesen eine Mitarbeiterzahl von mehr als 1000 auf.

Das Beratungsunternehmen Gartner geht davon aus, dass die Aufgabe vieler IT-Abteilungen in absehbarer Zukunft nicht mehr die Bereitstellung von IT-Diensten sein wird, sondern die aus dem Kerngeschäft resultierenden Anforderungen des Unternehmens zu formulieren und als Service-Broker aufzutreten.

Bis die schöne, neue IT-Servicewelt entstanden ist, bedarf es aber noch Zeit. Verträge werden nicht schlagartig umgestellt werden können, sondern eine mehr oder minder lange Übergangsphase durchlaufen müssen. Bei T-Systems schlägt man den Kunden beispielsweise vor, für eine Abrechnung nach Transaktionen in drei Schritten vorzugehen: Im ersten Jahr erfolgt die Abrechnung nach technischen Parametern, im zweiten Jahr parallel nach beiden Methoden und im dritten wird das neue Abrechnungsmodell dann vollständig umgesetzt.

Ein solches Vorgehen hat natürlich für alle Beteiligten Vorteile, da sie dann die Risiken besser abschätzen können. Allerdings macht es auch nur Sinn, wenn die Partnerschaft von vornherein auf längere Zeit angelegt worden ist. Außerdem müssen die Verträge so gestaltet sein, dass sie auch festlegen, wie im Falle von neuen Geschäftsfeldern oder neuen Partnern des Kunden verfahren werden kann. “Nicht jeder Kunde profitiert tatsächlich von einer Flexibilisierung”, gibt SBS-Outsourcing-Chef Oecking außerdem zu bedenken. “Der Winterreifenhersteller oder ein Halbleiterhersteller sind jedoch prädestiniert für solche Vertragsmodelle.”

Der IT-Dienstleister EDS versucht inzwischen diese Art neue, bilaterale Geschäftsbeziehungen zwischen Service- und Anwenderunternehmen auf eine ganze Branche auszudehnen. Auch in der Luftfahrtbranche müssen sich IT-Investitionen immer schneller und besser amortisieren. Andererseits rechnen die Luftfahrtunternehmen bei IT-Dienstleistungen bereits nach Transaktionen ab, konkret: nach der Zahl der Buchungen. Teure Neuerungen im IT-Bereich, so der Ansatz von EDS, könnten doch künftig durch eine gemeinsame Finanzierung und standardisierte Entwicklung des Service angegangen werden.

Kein leichtes Unterfangen, wie EDS-Sprecher Mark Saxer zugibt. Allerdings sei die Ausgangssituation in der Luftfahrtbranche für einen solchen Ansatz nicht schlecht. Denn sie agiere global und habe viele IT-gestützte Prozesse, die keine Differenzierung im Kerngeschäft ermöglichten. Da spreche es sich leichter miteinander, so Saxer.

EDS hat dazu eine Anwendergruppe ins Leben gerufen, der rund 40 Unternehmen aus der Luftfahrtbranche angehören, primär aus dem europäischen Raum. Diese Anwendergruppe soll nun zunächst die verschiedenen Vorstellungen der Branche und von EDS unter einen Hut bringen. Das größte inhaltliche Problem sei dabei, das richtige Tempo für die Umstellung der Technik zu finden, so Saxer.

Wenn solche neuen Vertragsmodelle weite Verbreitung finden sollen, so sind auch die IT-Dienstleister dazu gezwungen, Projekte über einen längeren Zeitraum vorzufinanzieren. Kapitalkraft ist da gefragt, wenn ein Serviceunternehmen nicht leer ausgehen oder zur spezialisierten Service-Sparte eines großen Dienstleisters werden möchte. Denn um Projekte mit mehreren hundert Millionen Euro stemmen zu können, bedarf es nach Einschätzung von Managementberatern schon ein paar Milliarden Euro Umsatz.

Silicon-Redaktion

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