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Der Pinguin darf einer Sekretärin nicht im Wege stehen

“Das wichtigste bei einer Umstellung auf Linux sind die Anwender”, meint Frank Ronneburger, Niederlassungsleiter der Linux Information Systems AG in Berlin. Den Umstieg technisch in den Griff zu bekommen, sei meist keine besondere Herausforderung. Dafür gebe es grafische Oberflächen und Office-Programme. “Für die meisten technischen Probleme lässt sich immer eine Lösung finden”, weiß Ronneburger aus zahlreichen Linux-Projekten, auf die das Unternehmen spezialisiert ist. Der Anwender sei es, der mit dem neuen System leben und klarkommen müsse und stehe deshalb im Mittelpunkt aller Aktivitäten.
Ronneburgers Paradebeispiel aus zahlreichen Linux-Projekten ist die Chefsekretärin, die zum Geschäftsführer oder Vorstand geht und sagt, sie könne mit dem neuen Programm nicht arbeiten und gehe deshalb nach Hause. “Dann ist das Projekt gestorben”, so der Berliner. Er empfiehlt, schon in der Planungsphase Mitarbeiter aus den verschiedenen Schichten mit ins Boot zu nehmen. “Mit denen macht man einen Workshop, sagt, was man vorhat und zeigt, wie das Ergebnis aussehen kann”, so sein Rat. Dann frage man, wie sich die Teilnehmer die Lösung vorstellen würden, passt die Wünsche gemeinsam mit ihnen an die Oberfläche an und gestaltet Funktionen neu.

In einem zweiten Workshop wird demselben Teilnehmerkreis die überarbeitete Lösung präsentiert. “Dann hat man die Leute eigentlich so gut motiviert, dass sie in ihre Abteilungen gehen und ihren Kollegen von einem ‘ganz tollen System’ erzählen”, beschreibt Ronneburg den weiteren idealtypischen Verlauf. Damit sei der Grundstein für eine erfolgreiche Umstellung gelegt.

Mitarbeiter in die Entwicklung einbeziehen

Ähnlich vorgegangen ist die Stuttgarter Versicherungsgruppe, in der Xaver Beck, zuständig für die Anwendungsentwicklung, die Linux-Umstellung aus Anwendersicht verantwortete. Rund 850 Clients hat das Unternehmen vor einem Jahr von OS/2 auf Linux umgestellt. Die Mitarbeiter greifen seitdem über das neue Betriebssystem auf Open-Source-Software wie OpenOffice zu.

Die Verwaltung der Versicherungsverträge läuft auf einem Mainframe. “Dass wir unser Betriebssystem umstellen, ja sogar umstellen müssen, weil OS/2 am Ende war, ist unseren Mitarbeitern lange vorher klar gewesen”, so Beck. Ganz zu Beginn des Projektes hat das Stuttgarter Unternehmen Pilotkunden aus einzelnen Abteilungen mit Prototypen ausgestattet. “Wir wollten lernen, wo wir am System feinjustieren müssen und die Mitarbeiter in die Entwicklung mit einbeziehen, um Akzeptanz zu schaffen”, klärt Beck auf.

Zwei unterschiedliche Anwender-Typen hat er in dem Projekt ausgemacht. Die eher ängstlichen, die befürchteten, dass sie überfordert würden, sich zu viel ändert, gewohnter Komfort verloren geht, und das neue System die Arbeit stört. Die andere Gruppe bildeten die eher forschen, die Grenzen bestehender Programme überwinden wollen. Lange vor dem Umstieg wurde das Projekt über alle Ebenen im Unternehmen heißt diskutiert. Aber als es dann soweit war, sei der Aha-Effekt recht schnell eingetreten, blickt Beck zurück. “Das sieht ja aus wie Windows”, seien häufige Kommentare gewesen, als der PC erstmals unter Linux hochgefahren wurde.

Stabsmäßig organisierte Schulung

“Grundsätzlich wurde das Thema stark überschätzt”, fasst Beck den Umstieg zusammen, der Schulungsaufwand sei gering gewesen. Morgens gingen zwischen 10 und 20 Mitarbeiter zur Schulung, wurden mit der Grundfunktionalität von Linux vertraut gemacht. Nachmittags lernten sie Office-Funktionalitäten kennen. Während der Schulungszeit haben Servicetechniker deren Rechner neu bespielt und die Daten konvertiert. Als die Mitarbeiter am Spätnachmittag an ihren Arbeitsplatz zurückkamen, konnten sie bereits mit dem neuen System arbeiten. Der Übergang war nahtlos organisiert.

“Bei der Einführung einer neuen Technologie darf man die Mitarbeiter nicht umgehen”, meint Mattias Strelow, Teamleiter im Bereich DV-Betrieb bei der LVM Münster. 1400 PC-Arbeitsplätze hat das Versicherungsunternehmen im Jahr 2000 auf Linux umgestellt. Mit einer neuen Technik vertraut gemacht wurden die Mitarbeiter aber schon zwei Jahre früher. “Da haben wir IBM Network Computer eingeführt”, so Strelow. In einer Pilotphase wurden Anwender für die Sache gewonnen. Als dann auf Linux umgestellt wurde, waren die Anwender nicht großartig eingebunden, weil “sich für die kaum etwas änderte”.

“Das schlimmste was passieren kann, ist, dass Mitarbeiter von einer Linux-Einführung aus der Presse erfahren”, warnt Ronneburger. Mit dem Thema müsse offen umgegangen werden. Man solle den Leuten sagen, dass eine Umstellung von Windows 2000 auf XP auch weh täte. “Den Mitarbeitern muss klar sein, dass der Umstieg auf einen Linux-Desktop nicht viel schwieriger ist als von einer Windows-Version zur nächsten”, so Ronneburger. Bei den Schulungen meint er, es sei falsch, beispielsweise Excel oder Word zu lernen. Entscheidend für den Anwender sei es zu wissen, wie Tabellenkalkulation oder Textverarbeitung funktioniert. Dann könne jeder mit den Programmen umgehen, ob die nun MS-Office oder OpenOffice heißen würden.

Mit Schulung kommt man aber bei dem Routenplaner nicht weiter, den die Chefsekretärin vor einiger Zeit für zwei Euro bei Aldi gekauft hat. Solche Programme laufen unter Linux meistens nicht. “Den Planer muss man eben in den Müll werfen und der Vorzimmerdame Alternativen bieten, die sofort funktionieren, um das Projekt nicht zu gefährden”, rät Ronneburger.

Silicon-Redaktion

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