Offline-Portale sollen die Rolle der Desktops verändern

Die nächsten Generationen von Desktops haben viel mit Thin-Client-Ideen der 90er Jahre zu tun. IBM feilt an einer modern aufgepeppten Variante, gefüttert von einem Offline-Portal.

IBMs neues Konzept für eine Neuordnung der Rollen von Server und Client stellt auch den konventionellen Portalgedanken auf den Kopf. Das Ziel heißt, integrative Ansätze zukunftsgerecht zu gestalten und die Bandbreitenauslastung im Netzwerk zurückzufahren – bei voller Funktionalitäten-Palette. Erreichen will das die Lotus-Abteilung von Big Blue durch das ‘Offline Portal’, und das soll für eine intelligente Weiterentwicklung des Desktops im Unternehmen sorgen.
Kurt Fessel, Business Unit Executive Lotus, spricht dabei gegenüber silicon.de von einer Mischung aus Thin Client und Rich Client. “Wir haben, nachdem wir Ende der 90er Jahre versucht haben, den Thin Client zu etablieren, jetzt eine netzwerkzentrierte Welt geschaffen und parallel dazu den Rich-Client-Gedanken beibehalten, so dass die Anwender die größtmögliche Freiheit haben. Besonders gilt dies für so genannte Power-User, die den Admin nicht so gerne an ihr Arbeitsgerät heranlassen wollen und die Funktionseinstellungen im Prozessablauf selbst vornehmen müssen. Ihnen wollen wir maximale Flexibilität einräumen und gleichzeitig im üblichen Arbeitsumfeld die Rollout-Frage weitgehend abschaffen.”

Dies sei schließlich, so der Manager, eines der Angstwörter für IT-Leiter und Administratoren. Für diese zukünftige Methode, Informationen per Offline Portal an die Arbeitsplätze zu bringen, rechnen die Visionäre bei IBM mit Kosteneinsparungspotenzialen für die Kunden, die sich aus der Arbeit mit einer Art “lokalem Portal” ergeben. Peter Schütt, Leader Knowledge Management EMEA (Europe, Middle East, Africa) Central bei der IBM Software Group, ergänzt, dass die Nutzer daher effizienter arbeiten. “Die Hardware wird ausgewogen ausgenutzt und eine kostenträchtige Softwareverteilung, wie sie beim Rollout bekannt ist, entfällt, da einzelne Komponenten ausschließlich bei Bedarf vom Server nachgeladen werden, so auch Aktualisierungen und Daten.”

IBM hat auf der Basis offener Standards, wie der Eclipse-Entwicklungsumgebung, J2EE, XML und anderen, eine so genannte ‘Workplace Client Technologie’ (WCT) entwickelt, mit der man unabhängig vom Betriebssystem – Windows, Linux und nach Herstelleraussagen bald auch MacOS – und unabhängig von der Office Plattform  Teile des Portals offline nehmen kann. Schütt führt aus: “Der Workplace Managed Client ist dabei im Gegensatz zum klassischen Thin Client, der hardwarebasiert und netzabhängig arbeitet, eine Softwarelösung. Wir meinen damit nicht die Webvarianten der Einstiegsfenster in normale Anwendungen, sondern eine Middleware, die alles integriert.”

Dazu gehöre, dass die Workplace-Strategie von den Anwendungen und ihren Anforderungen sowie von der Informationendarstellung der Systeme wegkommen will und hin zu einer größeren Nähe zu den Bedürfnissen der Kunden. Das Ergebnis nennen die beiden IBM-Manager weder Rich noch Thin, sondern ‘Managed Client’. “Dieser wird zwar vom Server aus gesteuert, was die umständliche Einzelplatz-Pflege überflüssig macht, sie hat aber zusätzlich Funktionen, die bisher nur ein Rich Client kannte: Drag & Drop wäre hier zu nennen. Damit erreichen wir, das Beste aus beiden Welten zusammenzuführen”, sagt Schütt.

Wie das technisch funktioniert erklärt er so: “Bei Workplace ist heute schon das ‘Klick-Problem’, beispielsweise für das Springen in andere Anwendungen, reduziert – auf Basis von Eclipse wird sich die Portalumgebung noch weiter in diese Richtung fortbewegen. Dafür sorgt die offene Basis von Eclipse, da hier im Gegensatz zu den objektorientierten Ansätzen der Vergangenheit mit ihren als Objekt verstandenen Subroutinen nicht mehr so komplexe und verworrene Programmierstrukturen gestrickt werden müssen. Die Basis in der Eclipse-Umgebung sind dagegen heute Funktionskomponenten, wie beispielsweise Kalender und Dokumentlisten – diese werden als Einheiten verstanden und verarbeitet, was die Arbeit ergebnisorientierter und schneller macht.”

Bisher, so Schütt mussten Anwender, die mobil 40 Anwendungen einsetzen wollten, eben diese 40 Anwendungen komplett lokal auf dem Laptop laden. Dabei haben alle Anwendungen ähnliche Funktionsteile, wie Speichern, Sicherheit, Server-Kommunikation, und so weiter. Der Workplace-Client-Ansatz erleichtere hier viel, da damit erstmals eine Client-Middleware auf der Basis offener Standards zur Verfügung gestellt wird, die es erlaubt, dass die Anwendungsfunktionen wesentlich kleiner sein können. Das ermöglicht erst den netzwerkzentrischen Ansatz. Und schließlich, so führt er an, vertragen sich Dotnet und J2EE über eine standardisierte Kommunikation. Mit der Client-Technologie kommen die Open-Source-Datenbank ‘Denver’, in der IBM Variante ‘Cloudscape’ genannt, sowie Tivoli-Bausteine und ein kleiner Application Server als Weiterentwicklung aus ‘Websphere Everyplace’ zum Einsatz.

“Die Verwaltbarkeit im Abgleich mit dem Workplace Server ist dabei heruntergebrochen auf die Granularität eines einzelnen File”, sagt er. “Das ist wichtig aus zwei Gründen: Einmal ist das Backup & Recovery besser zu bewältigen; andererseits kommt aber die Mobilität durch den eigens entwickelten Ansatz einer ‘Micro Edition’ zum Ausdruck – damit sollen die Kunden die Portallösung im Notfall auch auf dem Handy darstellen können.” Ein automatisierter Abgleich mit den Server-Daten und -Versionen ist Standard.

Derzeit zählt Kurt Fessel, an den Peter Schütt berichtet, etwa 1,4 Millionen aktive Workplace-Clients weltweit. “Die Version 2.0 ist heute schon verfügbar, das Offline Portal wird mit dem nächsten Release greifbarer – Version 2.5 kommt laut Plan im ersten Quartal 2005; wir werden unserer Vision eines Offline-Portals damit drastisch näher kommen, und zwar nicht nur als etwas Machbares, sondern als etwas real zu Bauendes.” Dabei verstehe sich IBM nicht als Alleinanbieter einer die Kunden einengenden Lösung, sondern eher als Katalysator für den On-Demand-Gedanken. “Die Interoperabilität ist durch offene Standards gewährleistet und die Anwendbarkeit unter OpenOffice, Open Source und bald auch MacOS gegeben. “Zukunftssicherheit wird durch Vielfalt gewährleistet – in diesem Fall die Vielfalt der Betriebssysteme.”

Das Offline-Portal steht demnach für die vollständige Integration der Prozesse in das Portal. Schütt beschreibt dies so: Auf einer Seite im Portal sollen alle Informationen zu einem Arbeitsprozess zusammengezogen werden. Im Hintergrund arbeitet unsichtbar für den Anwender eine Vielzahl von klassischen Anwendungen parallel. Der Nutzer erhält bezogen auf seine Rolle im Unternehmen die Information, die er in seinen Arbeitsprozessen benötigt, sauber gebündelt. Ein Hin- und Herklicken soll entfallen, die eigentliche Arbeit wieder in den Vordergrund treten. Und das soll auch noch offline und bandbreitenschonend zu haben sein.