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Melody (1976)


Die News aus der Industrie jedenfalls sind dazu angetan, einen wieder herunterzuholen: Infineon ist – in den Worten von Konzernchef Wolfgang Ziebart – gerade dabei, sich “auf einen Abschwung vorzubereiten”. Transmeta – auch mal eine Branchenhoffnung – möchte die Chipproduktion “mit einem noch zu findenden Partner fortführen”. Also eigentlich eher nicht.
Ein Trojaner ist aufgetaucht, der heimlich Bilder mit der Webcam macht. Und Microsoft entlässt 62 Windows-Tester. Das berichtet die Seattle Times. Na ja, wenn man ein paar hundert Millionen Windows-Anwender hat, die diesen Job gratis erledigen …

S’Übliche halt. Die einschlägigen schlechten News.

Eine absolute Horror-Meldung aber kommt aus Cannes. Dort ist gestern die Musikmesse MIDEM zuende gegangen. Und anlässlich dessen hat das internationale Mobile Entertainment Forum (MEF) angekündigt, demnächst eine deutsche Hitparade der Handy-Klingeltöne organisieren zu wollen.

“Die Charts des bimmelnden Grauens” überschreibt der Kölner Stadtanzeiger diese Meldung. Was eher noch zurückhaltend formuliert sein dürfte.

Klingeltöne! Die gemeinste Implementierung der Ruhestörung seit der 3-Ton-Hupe, dem Rasenmäher und der Blockflöte ist ganz offenkundig zu einer wirtschaftlichen Größe geworden.

Klingeltöne im Wert – soll heißen: zum Preis – von 239,8 Millionen Dollar seien im letzten Jahr in Deutschland verkauft worden. So das MEF. In Japan wurden damit 100 Millionen Dollar umgesetzt und in Korea – im vorvergangenen Jahr – 158 Millionen.

Ein veritables Geschäft. Selbstverständlich haben sich auch schon die Marktforscher dessen angenommen: 33 Prozent der 18- bis 24-Jährigen haben bereits Klingeltöne eingekauft. So Jupiter-Research. Bei den Älteren hingegen geht kaum was.

Das wirklich lukrative Marktsegment wiederum liegt in der Grauzone. Der Verkauf an eigentlich geschäftsunfähige Youngsters. Mit deren Taschengeld wird ein Gutteil der Nachfrage bestritten. Häufig unfreiwillig, weil sie’s nicht merken, wenn sie per SMS einen Abo-Vertrag abschließen.

Deswegen versucht auch die Freiwillige Selbstkontrolle der Telefonmehrwertdienste, einen Hauch von Seriosität ins schieche Business zu bekommen. Diese Woche hat sie einen Verhaltenskodex für die Klingelton-Verticker aufgelegt.

Ein echter Emerging Market eben, das Geschäft mit dem Handy-Sound – mit allem, was dazu gehört, mit viel Hemdsärmeligkeit, mit dynamischen Jungunternehmern wie denen von Jamba, satten Renditen und zukunftsverheißenden Wachstumsraten. Und weil die Sound-Fitzelchen halt doch arg teuer sind, hat der Stern dieser Tage ein Stück Do-it-yourself-Software vorgestellt – für den quasi selbstgedrehten Klingelton.

Da könnte man doch …, überlegt man sich, während der Blick über die Sammlung antiquierter schwarzer 12-Inch-Scheiben schweift, auf denen die Songs wüster, mittlerweile alter Männer analog abgespeichert sind. Da könnte man doch mal jedem der MIDEM-Stars einen ganz persönlichen Klingelton basteln.

Für Marc, Oliver und Alexander Samwer etwa, die Jamba-Gründer, würde The Spider and the Fly von 1965 gut passen. Da kommt nämlich die schöne Zeile drin vor: “I said ‚My, my’ like the spider to the fly.” ‘Jump right ahead in my web.’

Oder Steve Jobs. Der hat früher zusammen mit Steve Wozniak den ersten Mikrocomputer zusammengelötet. Think differently! So hat er’s damals gehalten.

Heute wirbt er – etwas penetrant – mit einem Slogan, der so ähnlich klingt, und verkauft Digital-Walkmen und Sound-Files für 99 Cent pro Stück. Deswegen stand er auch in Cannes – in Abwesenheit – im Mittelpunkt der Show. Trotzdem: es ist traurig, wenn es mit einem schon so weit gekommen ist. Deshalb: I’m Goin’ Down (1975).

Ja, und dann ist da noch der Nokia-Chef Jorma Ollila, dessen Konzern eigentlich so etwas Praktisches wie mobile Kommunikationsendgeräte herstellt. Bei denen kommt es aber augenscheinlich immer mehr darauf an, dass man damit Fotos und Krach machen kann.

Vielleicht ist es ihm ja wenigstens ein bisschen peinlich, womit er sein Geld verdient. Wenn nicht, dann könnte What a Shame von 1965 bei jedem Anruf da möglicher Weise ein wenig nachhelfen.

Nein, war natürlich bloß n’Witz. Selbstverständlich würde man sowas nie tun, die wüsten, alten Männer in Form von Klingeltönen in den Schmutz ziehen. Man geht statt dessen zum Regal und legt eine von diesen wunderbaren Legacy-12-Zoll-Disks auf, Aftermath von 1966.

Musik auf schwarzen Scheiben. Da, wo sie hingehört. Auf Seite 2 gibt’s einen Song über Klingelton-Feinde: Out of Time. – Das zu sein, ist manchmal einfach ein sehr, sehr gutes Gefühl.

Silicon-Redaktion

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