Der Verkauf der PC-Sparte von IBM an den chinesischen PC-Hersteller Lenovo ist noch nicht ganz bei den Behörden durch. Aber es werden schon Nägel mit Köpfen gemacht. Die ersten Pläne sehen nach Synergien aus. Schließlich waren die beiden offenbar Antagonisten, hatten ihre besonderen Stärken genau in jenen Bereichen, die der andere Partner nicht gut konnte: Lenovo ist ausschließlich in Asien stark, IBM eher in USA und Europa – Lenovo verkauft viele Desktops, IBM eher Laptops – Lenovo macht PCs für jedermann, IBM fürs Enterprise. Die versprochenen positiven Aspekte können eintreten, wenn diese Kenntnisse beibehalten werden und jeder tatsächlich (nur) seine Stärken einbringt, soweit ist das der Branche klar. Doch selbst wenn – was bedeutet das für Kunden und Partner?
Wolfgang Jung, Manager bei Ingram Micro Distribution, hat sein Ohr am Puls der Entscheider und zeigt sich unaufgeregt. “Der Kunde sieht die Übernahme gelassen, er erwartet nicht, dass sich viel verändern wird; solange sich Lieferbedingungen, Support, Preis und andere entscheidende Kriterien nicht für ihn eklatant ins Negative entwickeln, wird er weiterkaufen wie bisher”, erzählt er.
Und doch wird etwas anders – Altes fällt weg, Neues kommt hinzu. So wird sich die neue IBM/Lenovo auch aus Kostengründen nicht mehr mit allen möglichen PC-verwandten Themen beschäftigen. Die Konzentration liegt ausschließlich auf der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von PCs. Sonst nichts. Und diese Geräte sollen unter der neuen Führung qualitativ hochwertig und vielleicht preislich etwas günstiger sein, hofft Jung. Schließlich gelte der IBM-PC gerade in Deutschland als “ein hervorragendes, aber nicht sehr wettbewerbsfähiges Gerät”. Hewlett-Packard und Dell sollen aber im PC-Geschäft das Fürchten lernen.
Robert Pasquier, der neue Director Channel und SMB (Small & Medium-size Businesses) für die Zentralregion, betont auf einer Veranstaltung in München, dass dies nur mit Begeisterung zu schaffen ist. “Wir stehen in den Startlöchern, um anzupacken und würden den Prozess der Übernahme gern beschleunigen”, sagt er. Die Mitarbeiter in den USA beispielsweise drängelten sich richtiggehend darum, “auch mit zu dürfen”.
Die neue Struktur werde einerseits offensichtlich internationaler. Das sei kein Problem für eine globale Company wie IBM. Andererseits soll die Summe der Teile als ein Ganzes wesentlich kleiner sein als sie es wäre, wenn man Lenovo und die PC-Sparte der IBM addiert. Schlanker und konzentrierter, so heißt es. Diese Gelegenheit ergebe sich nun mit der Zusammenlegung und der notwendigen Vermeidung von Redundanzen.
Doch an echten Überschneidungen gibt es augenscheinlich gar nicht so viele. Auch deshalb sei den Mitarbeitern und Managern bei Big Blue der Neuanfang so leicht gefallen. “Wir scharren gewissermaßen schon mit den Füßen, wann es nun endlich losgeht”, sagt Pasquier. Die Arbeit sei zwar nicht zu beschleunigen, zumal sich die Behörden aus Befürchtungen um das nationale Interesse der USA den Deal noch etwas näher betrachten wollen. Jedoch werde IBM/Lenovo alles tun, um die Behörden zufrieden zu stellen. “Wir haben schon regionale Transition-Teams losgeschickt, der gemeinsame Transition-Plan ist ebenfalls schon in Kraft”, stellt Pasquier klar.
Ein Argument, vor dem die US-Behörden ihre Augen nicht verschließen dürften – zumindest durch die europäische Brille betrachtet -, heißt überraschenderweise: Arbeitsplatzbeschaffung. “Wir werden Hilfe brauchen bei der Integration, wenn wir voneinander lernen wollen, da kommen viele neue Aufgaben auf uns zu “, deutet er vorsichtig an. Dass der US-Riese die günstigen Kostenstrukturen bei der Produktion in China, Lenovos Heimat, nutzen will, ist schließlich nur eine Seite der Medaille. Andererseits gibt es das Consumer-Wissen Lenovos und dieses könnte das Wertvollste sein, was die Chinesen der neuen Company zusteuern.
Diese Spezialität aus dem Reich der Mitte hat IBMs PC-Sparte noch gar nicht angepackt. Consumer-Bereiche und Erfahrung mit diesen Kunden sollen zwar nicht dazu führen, dass “Lenovo-PCs bei Media Markt zu haben sind”. Jedoch könnte sich IBM vorstellen, hier mit anzupacken. Die Wachstumsraten im unteren Preissegment würde sich auch IBM gern mehr als bisher schmecken lassen. Vor allem in Deutschland, wo mit Siemens ein starker Rivale aktiv ist. Für ein solches Vorgehen wäre allerdings eine gemeinsame Management-Struktur vonnöten, schließlich hat sich IBM bislang hauptsächlich auf die B2B-PCs beschränkt und wenig Erfahrung mit dem Endverbraucher-Vertrieb gemacht. Ansonsten bleibt aber die Teppichetage der chinesischen Firma vorerst blau: Der CEO der neuen Lenovo heißt Steve Ward und kommt von Big Blue, die Channel-Struktur, die Sales-Methoden, Marketing, sogar die Forschung und Entwicklung werden Lenovo gewissermaßen übergestülpt.
Doch Lenovo hat auch Pläne und will mit der Marke IBM binnen fünf Jahren im B2B-Geschäft stärker werden und die Märkte außerhalb Chinas besser anpacken. Bisher hat die Firma beispielsweise nach Informationen aus der IBM-Europazentrale ihre Geschäfte zu hundert Prozent über Partner abgewickelt. Jedoch sind die Partnergeschäfte im Consumer-Bereich und der Vertrieb über Distri und Systemhaus zweierlei Paar Stiefel. Die etwa 1000 Patente, die “mit nach Peking” gehen werden, kommen da gelegen, um die Geschäftskunden auch im asiatischen Markt anzupacken. Bei den PCs für den Privathaushalt hingegen ist die Firma seit sieben Jahren unangefochten die Nummer eins im chinesischen Markt. Der Vorwurf, dies sei nur durch staatliche Subventionen erreicht worden, zieht nach Ansicht Pasquiers nicht. “Wir begrüßen es, dass unser neuer Partner so stark ist, dass die Behörden Chinas die IT so gut verstanden haben und sie pushen; wir erwarten nicht, dass das in Zukunft zum Problem wird”, sagt er.
Was den beiden Unternehmen ebenfalls entgegen kommt, ist die gemeinsame Vorliebe für Linux. Sowohl IBM als auch der chinesische Staat sind für ihre Nähe zu Linux-Derivaten bekannt. Das soll aber bei dem Verkauf an Lenovo keine Rolle gespielt haben. Statt dessen lenkt der Manager das Augenmerk auf die neue Kostenstruktur: Nicht nur die Fabrikationskosten für PCs in China fielen hier ins Gewicht, sagt er. “Die schiere Marktmacht hat uns restlos überzeugt und wird uns helfen, von der Nummer drei im weltweiten PC-Markt aufzusteigen. Lenovo hat ungefähr 3 Milliarden Dollar Umsatz mit PCs im Jahr, wir etwa 9 Milliarden Dollar – zusammen sind das 12 Milliarden Dollar, und dieser Unterschied wirkt sich ganz konkret in günstigeren Handels-, Produktions-, Transport- und anderen Bedingungen aus.”
Für den Kunden soll sich dies vielleicht noch nicht so schnell in Sparmöglichkeiten niederschlagen. Pasquier betont: “Für die Channels und Partner und unsere Kunden ändert sich absolut nichts.” Vielleicht wird aber nach den veranschlagten fünf Jahren Übergangszeit an der Preisschraube gedreht. Zumindest neue Namen sollen die Produkte dann haben – bis dahin gilt das Prestige-trächtige IBM-Logo in Ost und West.
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