Campen ist ja mittlerweile völlig out. Und Bayreuth ist auch ganz schlecht.
Dort lauern heuer die Paparazzi von der Süddeutschen Zeitung, um unvorteilhafte Fotos zu schießen. Erst am Dienstag war Angela Merkel auf Seite 1 – in Pink und mit Schwitzfleck. Bei dem Blatt scheinen doch einige ein bisschen gegen den Zeitgeist zu rebellieren, zumindest in der Bildredaktion.
Wo also soll Deutschlands Elite diesjahr bloß hin? – Sie trifft sich vor Gericht.
Der erste Mann des Staates erwartet dabei standesgemäß einen Spruch des höchsten deutschen Gerichts. Vor einer Woche hat Horst Köhler den Bundestag aufgelöst. Und bis auf ein paar Nöler, die in den nächsten nicht reinkommen, haben ihm alle dafür Respekt gezollt.
Er hat aber auch ein perfektes Timing hingelegt, der ehemalige deutsche Sparkassen- und jetzige Bundespräsident! Drei Wochen hat er sich verfassungsgemäß geziert. Nur dadurch konnte er trotz der vielen Fristen, die es bei der Manipulation des Grundgesetzes zu beachten gilt, so entscheiden, wie Schröder und Schily es ihm aufgeschrieben haben, und Neuwahlen für den 18. September ansetzen.
Ihn deswegen als Vollzugsbeamten zu bezeichnen, wie’s der künftige Ex-Abgeordnete Schulz von den Grünen getan hat, ist unwürdig und falsch. Der Bundespräsident ist schließlich in einer ganz anderen Gehaltsgruppe als ein Vollzugsbeamter.
Stolz sein, sollten wir statt dessen. Das ist schließlich ein bewährtes Mittel gegen intellektuelle Skrupel. Versuchen wir’s doch einfach einmal: Seien wir stolz darauf, dass Deutschland den ersten Realtime-Präsidenten hat!
Für Leute, die’s nicht so mit der IT haben: Betriebssysteme unterscheidet man danach, wie schwierig es ist, ihr Verhalten vorherzuberechnen. Für das von Unix benötigt man profunde Kenntnisse in Statistik und für Windows in Mystik. Bei einem Echtzeitbetriebssystem genügt ein bisschen Algebra – und bei unserem Bundespräsidenten das kleine Einmaleins.
Wenn das Bundesverfassungsgericht über die Entscheidung einer respektablen Persönlichkeit wie Horst Köhler urteilt, dann geht’s dabei selbstverständlich anders zu als, wie wenn irgendein kleines Karo einen Strafzettel wegen Falschparkens verpasst bekommt. Der Bundespräsident hat denn auch gleich vorsorglich erklärt, dass er bloß wegen etwaiger Bedenken der Karlsruher Rotroben nicht gleich zurücktreten werde.
Und so hält’s auch Josef Ackermann. Der will ebenfalls nicht zurücktreten.
Josef Ackermann ist eine fast so respektable Persönlichkeit wie unser Bundespräsident. Fast, aber nicht ganz. Deshalb urteilt auch ein nicht ganz so hohes Gericht über ihn.
Trotzdem ist’s natürlich auch bei Josef Ackermann keine Politesse, die Knöllchen verteilt, sondern immerhin der Bundesgerichtshof. Der befindet demnächst in einem Revisionsverfahren darüber, ob es richtig war, dass Josef Ackermann seinerzeit als oberster Mannesmann-Aufsichtsrat ein paar Manager-Kollegen 30 Millionen Euro hat zukommen lassen, nachdem Vodafone den Laden aufgekauft hatte.
Josef Ackermann findet es höchst unpassend, einen Leistungsträger wie ihn vor Gericht zu stellen. Das hat er schon im ersten Verfahren im vergangenen Jahr ganz deutlich gesagt.
Und das Gericht hatte damals auch so ein hübsches Urteil gefällt: Ackermann und Kollegen hätten zwar gegen das Aktienrecht verstoßen. Aber es sei nicht strafbar gewesen.
Ja, beim Falschparken ist das anders. Das ist nie nur ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung.
Das ist also der Trend dieser Saison: Man trifft sich vor Gericht. Da darf natürlich auch das Management von Infineon nicht fehlen.
Dort haben sich die Herren von der Chefetage jahrelang ein edles Hobby aus der Firmenkasse bezahlen lassen: den Autorennsport. Vom für das Speichergeschäft zuständigen Vorstand Andreas von Zitzewitz heißt es, er habe sogar Rechnungen für feuerfeste Unterwäsche eingereicht.
Heutzutage muss man halt umdenken: Nicht nur die Investitionen, die in dieser Branche wirklich entscheidend sind, und die Lohnkosten, von denen immer alle reden, spielen bei der Berechnung der Halbleiterpreise eine Rolle, sondern auch die Aufwendungen für Renn-Porsches und für die Unterhosen des Herrn von Zitzewitz. Das ist heute halt so.
Und selbstverständlich hätte sich bei Infineon auch daran niemand gestoßen. Dann aber hat der Chef einer Motorsport-Sponsoring-Firma behauptet – ebenfalls im Zuge einer juristischen Auseinandersetzung – von Zitzewitz habe auch Bargeld genommen. Und deswegen muss der jetzt vielleicht ebenfalls vor Gericht.
Keine tragende Rolle wird in einem eventuellen Verfahren wohl Ulrich Schuhmacher bekommen, der ehemalige Chef. Der Mann, der auf die originelle Idee gekommen war, turnusmäßig die leistungsschwächsten 5 Prozent der Infineon-Belegschaft zu feuern. Schumacher sagt, er habe kein Geld genommen.
Es heißt sogar, er habe über von Zitzewitz’ Nehmerqualitäten der Unternehmensaufsicht berichtet, als jener dafür sorgte, dass Schumacher seinerseits gefeuert wurde. Sowas würde aber bestenfalls für einen Part als Zeuge reichen, wenn ein Chef Korruption in seinem Unternehmen in etwa zu dem Zeitpunkt bemerkt, da der Korrupte sich als sein Konkurrent herausstellt. Aber vielleicht wäre dann damals doch ein Underperformer bei Infineon gefeuert worden.
Also: Das Gericht ist die angesagteste Location heuer. Da treffen sich die, die dazugehören.
Und wir, die kleinen Karos, die, für die sich kein Bundesgerichtshof und kein Verfassungsgericht interessiert? Was machen wir?
Wir buchen preiswerte Pauschalreisen an die schönsten Orte der Welt. Weil die Typen, die man in seinem Urlaub nun wirklich nicht treffen will, die sind heuer andernorts beschäftigt.
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