Der Gipfel

Was es genau war, ist allerdings gar nicht so einfach zu sagen. Auf jeden Fall war’s wichtig.

Was es genau war, ist allerdings gar nicht so einfach zu sagen. Auf jeden Fall war’s wichtig.
Oder um es in den Worten der zugehörigen Microsoft-Pressemitteilung auszudrücken: “Zum Auftakt des ‘Ersten Gipfels zur Sicherheit in der Informationsgesellschaft’ in der Münchener Pinakothek der Moderne betonten Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, Schirmherr von ‘Deutschland sicher im Netz’, Bayerns Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber, Bill Gates, Chairman und Chief Software Architect des Initiators Microsoft, und Henning Kagermann, Vorstandssprecher der SAP, die zunehmende Relevanz von IT-Sicherheit.”

Der bayerische Regierungschef wiederum hat es so formuliert: “Die Sicherheit im Netz muss das Top-Thema für jeden Internet-Nutzer werden.” – Ein echter Stoiber: kurz, knackig und frei von jedweder – eh nur störenden – Aussage.

Sowas braucht’s: Die Anzahl der Malware-Varianten hat zum Jahreswechsel die 100.000er Marke überschritten. Auf 50 Milliarden Dollar schätzt die Anti-Viren-Firma Trend Micro den dadurch jährlich entstehenden Schaden und auf 2,4 Milliarden Gartner den durch Phishing und ähnliches verursachten. Da muss einem doch wirklich mal jemand von einem Gipfel aus darauf aufmerksam machen, dass das zunehmend relevant und ein Top-Thema ist.

Und damit nicht genug. “Microsoft Deutschland und Partner verpflichten sich zu nachhaltigem Engagement für mehr Sicherheit in der Informationsgesellschaft” schlug die Pressemitteilung aus Unterschleißheim als Meldung vom Gipfel vor. Und mangels Alternative haben das die meisten Publikationen denn auch so übernommen.

Von der Microsoft-Site sind die entsprechenden Verpflichtungs-Erklärungen der Partner abrufbar – meist als pdfs. Die von E-Bay etwa. “Für den weltweiten Online-Marktplatz zählt Sicherheit im Internet seit jeher zu den Grundpfeilern der Firmenphilosophie”, heißt es darin.

Die 2300 E-Bay-Betrugsfälle wiederum, die die sächsische Polizei im vorvergangenen Jahr gezählt hat, zeigen, dass es sich dabei sogar um die höchste Form, will sagen: die reine Philosophie handeln muss, wenn auch nicht unbedingt im Sinne Immanuel Kants. E-Bay also hat sich auferlegt, ein Lernpaket zu erstellen – für die Surfer, nicht für den internen Gebrauch.

Ein bisschen beängstigend ist ein anderes Commitment: “Microsoft Deutschland und SAP verpflichten sich … in einem weiteren Handlungsversprechen, Softwareentwicklern und Studenten deutscher Hochschulen ihre Erfahrungen und Konzepte zur sicheren Software-Entwicklung und zum Umgang mit Sicherheitsschwachstellen zu vermitteln.”

Soll das jetzt heißen, dass einen Patch aufzuspielen, entsprechend dem Walldorfer Konzept, künftig ein zig Monate dauerndes und Millionen Euro teures Projekt wird? Und dass das Ergebnis dann ein System ist, das nicht funktioniert, wie’s die Erfahrungen mit Redmond nahelegen?

Nein, so darf man das sicherlich nicht sehen. Bill Gates nämlich hat auf dem Gipfel erklärt: “Unser Ziel ist, dass das Computernetzwerk als genau so zuverlässig angesehen wird wie das Stromnetz oder die Wasserversorgung.”

Womit auch er – obwohl Microsoft keine Grid-Software im Portfolio hat – sich bei den IT-Mystikern eingereiht hat, in deren Visionen die Rechenleistung aus der Steckdose kommt. Im Gegensatz dazu wiederum ist die Verpflichtungserklärung von Computer Associates recht verheißungsvoll, worin dem Anwender “leicht verständliche und gleichzeitig kompetente Aufklärung” versprochen wird.

Und so hat denn am Montag jeder der Gipfelteilnehmer seinen (Rede-)Beitrag zur IT-Sicherheit geleistet. Und die Öffentlichkeit hat’s gewürdigt.

Fragt sich bloß, was der Clement denn in der Pinakothek der Moderne verloren hatte. Der beschloss sein Grußwort sogar mit der Kohlenpott-Legacy-Formel “Glück auf!”. Was aber sicherlich bloß damit zusammenhing, dass demnächst wieder Wahlen anstehen. Und die Leute, die so antiquiert daher reden und denken, bilden nun mal die Stammwählerschaft von Clements Partei.

Deswegen hat ihm wahrscheinlich auch einer seiner Assistenten den hübschen Satz aufgeschrieben, den er ebenfalls noch gebracht hat: “Da fällt durch Grußworte mehr Arbeitszeit aus in Deutschland, als durch Streiks, meine Damen und Herren.”

Ein netter Joke! Grußworte nennt man in der IT Keynote-Speeches, und sie werden auf Englisch gehalten. Ansonsten aber gibt’s wenig Unterschiede.

Schön wär’s, wenn man mit Grußworten oder Keynote-Speeches wie jenen auf dem “Ersten Gipfels zur Sicherheit in der Informationsgesellschaft” Viren und Würmer einschläfern oder sie mit pdfs erschlagen könnte. Dann wäre der Event ja ein voller Erfolg gewesen.

So aber bleibt nur, auf der am Montag, zeitgleich zum “Gipfel” gelaunchten Site sicher-im-netz.de nachzuschauen, ob sich da vielleicht was Hilfreiches findet. Es findet sich.

“Der beste Schutz vor Online-Betrügern ist sicherlich eine ausgeprägte Skepsis!” heißt es da. Ein kluger Satz. Und der gilt auch, wenn es um Keynote-Speaker geht.