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The Day After – IBM und die Zeit nach dem PC

Die Meta-Group-Analysten gehen davon aus, dass IBM nach dem Verkauf des PC-Geschäfts sich keineswegs aus dem Enduser-Geschäft zurückzieht, sondern vielmehr eine neue Ära des Personal Computing in die Wege leiten wird; Grundlage dafür bilden die Technologie-Assets und die Standardtechnologien des Unternehmens.
Mit dem Verkauf der PC-Sparte folgt IBM einer breit angelegten strategischen Richtungsänderung hin zu einem neuen Business- und Computing-Modell, dem so genannten ‘On Demand Business’. Mit dieser Entscheidung muss IBM das langfristig angelegte Hardware-Geschäft mit Wintel-Kunden nicht mehr schützen und kann den Konkurrenten Microsoft aggressiver attackieren.

Wie ein internes Memo von Sam Palmisano besagt, wird “IBM auch weiterhin eine tragende Rolle spielen, was Innovationen für Einzelanwender angeht” und “investiert signifikant in den Aufbau der Computerplattform der Zukunft”. IBM gibt also den Markt für Endanwender nicht auf; vielmehr sieht es so aus, dass das Unternehmen erste Schritte unternimmt, diesen Markt erneut anzugehen. Zwar liegt der Fokus des ‘On Demand Operating Environment’ (ODOE) von IBM in wesentlichen Bereichen auf dem Rechenzentrum, doch auch ein Client-Modell wird definiert.

Grundsätzlich verfolgt IBM die Absicht, den Markt vom Modell des einzelnen Wintel-Client hin zu einem heterogenen Client-Modell (im Sinne von Prozessor, Formfaktor, Betriebssystem, Middleware) zu verschieben. Beim IBM-Ansatz wird der Wintel-Desktop durch Initiativen wie Pervasive Computing (zum Beispiel nichttraditionelle und mobile Clients, Embedded-Technologien), die Power-Mikroprozessor-Technologien von IBM, Workplace-Client-Technologien, Linux-Server, service-orientierte Architektur (SOA) und über Server gemanagte Web-basierte gemischte Applikationen ergänzt. Der Markt wird zunehmend auf eine neue Architektur ausgerichtet sein, die auf solche Konzepte und Technologien setzt.

Die Chance

Neue Applikationsmodelle auf Basis von SOAs und gemanagten Laufzeitumgebungen kommen auf den Markt. Auch das neue Longhorn-Betriebssystem von Microsoft fungiert als Katalysator und zwingt die Entwickler, im Laufe der nächsten fünf bis sechs Jahre einen Großteil der zum Anwender gerichteten Applikationen auf den Prüfstand zu stellen und höchstwahrscheinlich neu aufzusetzen.

Diese Dynamik birgt die Chance einer Windows-Alternative, wie es sie, seit Windows vor über zehn Jahren auf den Markt gekommen ist, nicht mehr gegeben hat. IBM hat sich einem SOA-basierten Modell verschrieben und hat für diesen Markt mehrere geeignete Technologien zur Hand, allen voran IBM Workplace. Auch wenn die Strategie noch nicht ausgereift ist und IBM noch mit ziemlichen Herausforderungen bei der Umsetzung zu kämpfen hat, stellt sie doch eine aggressive und durchaus gangbare Alternative zu Microsoft dar.

Das IBM-Geschäft mit dem Power-Mikroprozessor läuft gut; IBM baut damit auch über den PC-Markt hinaus breitere Beziehungen zu den Branchen Unterhaltungselektronik, Kommunikation und Medien auf. Anfangs wird IBM nicht versuchen, die traditionellen PCs zu verdrängen, sondern wird auf neue Nutzungsmodelle wie Personal Entertainment und Information Appliances abzielen.

Mit den heute verfügbaren Technologien und sich ändernden Nutzungsmodellen werden Computing-Appliances praktisch einsetzbar und akzeptabel. Für solche zweckgerichteten Geräte (zum Beispiel Smartphones, PDS, Infotainment-Geräte) bietet Wintel gegenüber einem optimierten IBM Power-Prozessor mit Linux oder einem dedizierten Betriebssystem wenig Vorteile, insbesondere wenn IBM anhand von Infrastruktur-Services die Applikationsentwicklung erleichtert (zum Beispiel Nokia mit Websphere Light im neuen Smartphone).

Die Industrienationen waren mit dem Windows PC gut bedient, doch die noch nicht so weit entwickelten Länder haben sich nicht auf das Wintel-Modell eingeschworen. Vielen ist der PC zu teuer, und manche stehen der Dominanz des amerikanischen ‘Wintel-Duopols’ aktiv feindlich gegenüber. Auch China ist ein riesiger Markt, der größtenteils noch brach liegt und Linux gegenüber aufgeschlossen ist, so dass IBMs On-Demand-Vision dort leichter zu vermitteln sein könnte.

Ein Blick in die Zukunft

Um Microsoft/Intel Paroli zu geben und die nächste Generation des Computing/Entertainment einzuläuten, versucht IBM nicht einfach, die Spielregeln zu verändern; vielmehr soll das ganze Spiel neu aufgesetzt werden. Es steht nicht zu erwarten, dass IBM wieder in das Hardwaregeschäft für Endanwender einsteigt, sondern dass breit gefächerte Partnerschaften mit anderen Marktteilnehmern aufgebaut werden, die die IBM-Technologie in neue Märkte bringen. IBM ist eine Partnerschaft mit Sony eingegangen; der Prozessor ‘Cell’ soll in der nächsten Generation der Playstation und den Media-Center-Endgeräten für das “digitale Zuhause” Einsatz finden. Sogar Microsoft setzt einen IBM-Prozessor für Xbox2 ein.

Es ist zwar unwahrscheinlich, dass IBM innerhalb der nächsten zwei Jahre aggressive Schritte unternehmen wird, doch ab 2008 wird sich IBM offen gegen das PC-Establishment positionieren. Die Meta Group geht davon aus, dass Partnerschaften eingegangen werden, um einen kostengünstigen Linux/Power5-basieren Desktop produzieren zu können. Um 2008-10 wird IBM dann wohl verstärkt versuchen, die zweite Generation der Cell-Prozessoren in Consumer-Produkten zu etablieren, von Handys und Endgeräten für das Personal Entertainment bis hin zu Home Automation.

Letztendlich könnte es passieren, dass IBM sich mit einer etwas ‘abgespeckten’ Vision zufrieden geben muss, da hohe Investitionen und eine schnelle Kommoditisierung das Unternehmen vor beträchtliche Herausforderungen stellen werden. Doch selbst wenn IBM seinen eingeschlagenen Kurs nicht weiterverfolgt, wird diese Auseinandersetzung ganz sicher die Endanwender-Umgebung verändern.

Silicon-Redaktion

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