Das fängt schon bei den Karnevalsorden und -uniformen an. Ursprünglich haben die Rheinländer damit das Militär der französischen und preußischen Besatzer veräppeln wollen.
Aber der Drang, sich aufzuplustern, ist eine so wesentliche menschliche Eigenschaft, dass man mit imposanten Accessoirs nicht für längere Zeit Schabernack treiben kann, ohne selbst Schaden zu nehmen. Und das hat man vielen Pappnasen denn auch diese Woche wieder anmerkt – dass ihnen nichts so wesensfremd ist wie unbotmäßiger Ulk.
Auf ihrer Web-Site etwa informieren die “Fidelen Nassauer” über ihre klubeigenen Ehrenzeichen: “Goldener Gardestern – Orden des Blau-Gelben-Gardecorps – Erhält man nach 10 Jahren aktiver Gardezugehörigkeit – Dienstgrad: Mindestens Leutnant.“
Das ist kein Witz. Das ist eine sehr ernste närrische Vergaberichtlinie.
Und so ein mit Gardestern ausgezeichneter Karnevals-Offizier würde es sich sicherlich auch verbitten, von irgendeinem Scherzbold ohne Narrenportepee verhohnepiepelt zu werden. Also Karnevalisten haben heute viel zu viel mit der eigenen Gravität zu tun, als dass sie noch andere veralbern könnten.
In der IT hat man diese Entwicklung abgekürzt. Da hat man noch nie jemand anderen zum Veräppeln gebraucht. In der IT genügt man sich selbst.
Faschingsorden heißen hier Awards. Sie sind genauso bizarr und phantasievoll wie ihre Pendants im Jecken-Business. Und lassen ihren Trägern ebenso die Brust schwellen.
Adobe beispielsweise ist “award winning” – so nennt man das sehr gerne – und Panda Software “vielfach ausgezeichnet” – von mehreren Dutzend IT-Publikationen. Da trifft es sich gut, dass es von letzteren so viele gibt. So bleibt für jeden ein Editor’s Choice.
Die Akteure im Fasching lassen sich als “Tollität”, “Eure Lieblichkeit” oder “Prinz” anreden. In der IT nennen sie sich “Marktführer”, meist auf – von einer sachkundigen PR-Agentur – speziell für sie zugeschnittenen Märkten, gerade so, dass es halt zum Marktführer reicht. Das ist auch sehr lustig.
Im Karneval, auf Prunksitzungen, spielt man ja in solchen Fällen einen Tusch oder den Narhalla-Marsch, damit die Leute wissen, dass sie jetzt lachen müssen. Uniformträger treffen derartige Entscheidungen schließlich nur sehr ungern eigenständig.
Auch in der IT gibt es solche akustischen Signale, die einen darauf aufmerksam machen, dass es jetzt gleich ganz schräg wird. Der bekannteste steckt im Verzeichnis WINNTMedia, hat ein WAV-Format und nennt sich Windows-Anmeldeklang.
Was später dann unausweichlich folgt – im Fasching wie unter Windows – ist ein Absturz. Aber – und das wiederum ist der größte Vorzug der IT – wenn jener nur den Rechner betrifft, fühlt man sich am nächsten Tag nicht gar so welk.
Außer den tollen Tagen gab’s diese Woche kaum nennenswerte Ereignisse. Gut, Fiorina ist geschasst worden. Aber das ist bei HP zuvor schon Tausenden passiert. Und darunter gab’s Leute, die das Schicksal härter getroffen hat.
Und die Musikindustrie klagt mal wieder. Mit ihrem juristischen Eifer versucht sie wettzumachen, was sie an technischer Entwicklung verschlafen hat.
Diesmal soll eine 83 Jahre alte Dame in den USA vor Gericht. Wie The Charleston Gazette berichtet, wird sie von der RIAA (Recording Industry Association of America) beschuldigt, 700 Pop-, Rock- und Rap-mp3s ins Netz gestellt zu haben.
Die Dame ist bereits einen Monat, bevor dir RIAA die Klage einreichte, friedlich verstorben, hat ihr Leben lang keinen PC eingeschaltet. Und bei der Meldung handelt es sich um keinen Faschingsscherz.
Fast genauso absonderlich klingt eine Nachricht aus Redmond. Danach verbreiten sich Trojaner jetzt auch schon über Video-Dateien für den Windows Media Player.
Dessen Hersteller hat ja letzte Woche in München den ‚Ersten Gipfel zur Sicherheit in der Informationsgesellschaft’ veranstaltet. Da kann man froh sein, dass kein Video darüber ins Netz gestellt worden ist.
Die frappierendste Nachricht aber kommt aus Passau. Dort bildet sich jeden Aschermittwoch das, was der bayerische Ministerpräsident so treffend als die “Südkurve der CSU” bezeichnet.
Die Leute treffen sich zu Fischsemmeln und Bier und hören einem zu, der’s krachen lässt. Die anderen Parteien probieren das auch, bekommen es aber nie so richtig hin. Deshalb hat’s der Bundestagspräsident diesmal mit einer Alternativveranstaltung in Berlin versucht, die von professionellen Kabarettisten bestritten wurde.
Der CSU-Generalsekretär empfand das als “Klamauk” und “Skandal” und erklärte der erstaunten Öffentlichkeit, dass es im Unterschied dazu beim Event seiner Partei in Passau um “Sachpolitik” gehe. Wenn er das vor Ort gesagt hätte, wär so manchem der Appetit auf Fischsemmeln und vielleicht sogar der Durst vergangen.
Und genau das ist es doch, was einem den Fasching so vermiest, Sachpolitiker wie Markus Söder und Sicherheitsgaranten wie Bill Gates. Deshalb geht man ja auf keine Prunksitzung mehr. Weil die besten Witze immer von den wirklich begnadeten Komikern außerhalb der Festsäle gerissen werden.
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