Politware

Also Tiervergleiche sind ja nicht mehr. Sonst kommt gleich wieder der Professor Wolffsohn daher und sagt, das sei die Sprache des Stürmer.

Michael Wolffsohn ist der, der vor einem Jahr gemeint hat, man solle doch künftig nicht mehr gar so zimperlich sein, wenn’s darum geht, Verdächtige zu foltern. Und heuer – nachdem der SPD-Müntefering unlängst gleich einen ganzen Heuschreckenschwarm bemühen musste, um ein klein wenig auf Schaf im Wolfspelz machen zu können – da erklärt der Professor, Müntes Krabbel-Fabel verstoße gegen die Menschenrechte von Hedgefonds.

Solche Sachen sagt der. Deshalb ist er auch viel bekannter als die meisten anderen – eher altphilologisch orientierten – Professoren in Deutschland. Die, die’s mit dem Merksatz des Boethius (475 – 524 n. Chr.) halten: “Si tacuisses, philosophus mansisses.” (Der Tipp, einfach den Mund zu halten, wenn man nichts Gescheites beizutragen hat.)

Weil aber der erigierte Zeigefinger eines moralisierenden Ordinarius in Deutschland noch was gilt, gibt’s für Politiker jetzt keine Tierbildchen mehr. Keine Heuschrecken. Und auch die bayerischen Klassiker – Ratten und Schmeißfliegen, seinerzeit von Franz-Joseph Strauß in die politische Welt gesetzt – gingen heute nicht mehr.

Ist ja auch alles ein bisschen ekelig. Vielleicht aber gibt die bunte Bildersprache der IT was her. Zumindest lässt sich die Malaise der aktuellen Politik in Deutschland am besten mit Malware illustrieren.

Mit “Wie Schröder einem Putsch seiner Partei zuvorkam” macht diese Woche der Spiegel auf. Demnach würde besagte Partei dem von ihr gestellten Kanzler vorwerfen, wirtschaftspolitisch quasi eine Backdoor für den Liberty-Virus geöffnet zu haben. Über jenen schreiben die Kaspersky-Labs: “This is a resident and dangerous virus.”

Jedenfalls – so der Spiegel – sei dem Kanzler nichts anderes übriggeblieben, als die Platte zu putzen und einen Reboot zu versuchen. Wegen der Trojaner in den eigenen Reihen. Ja, ja, um Malware ranken sich stets die abenteuerlichsten Geschichten.

Aber auf viele bekannte Namen stößt man, wenn man auf den Websites von IT-Sicherheitsunternehmen nach Gefahren für das System Schröder sucht. Da ist zunächst einmal eine Bedrohung Namens Angelina.

Laut Symantec ist sie zum ersten Mal in den 90er Jahren aufgetaucht. “Wild: low”, schreibt die Anti-Viren-Firma. Ja, das könnte passen. Aber “Removal: Easy”?

Da beginnt das Angelina-Bild zu hinken. Die ähnlich klingende Gefährdung für Schröder jedenfalls droht, äußerst hartnäckig zu sein.

Das Removal ihres Vorgängers dauerte 16 Jahre. Jener sprach von sich gerne als von einem Enkel, also einem Vertreter der dritten Generation. Und “der Alte” wiederum war 14 Jahre dran.

Auch ein Eddie findet sich. McAfee beschreibt ihn als “destructive” und nennt ihn “Crazy Eddie”. F-Secure heißt ihn auch “Dark Avenger”. Der dunkle Rächer. Er hat wohl noch eine alte Rechnung zu begleichen.

In der Virus Library wird er als “Shyster” (Winkeladvokat) geführt. Was aber für einen Juristen mit Prädikatsexamen wohl eine etwas despektierliche Benennung wäre. Bezeichnend allerdings ist, dass dort von einer ganzen “Eddie Family” gesprochen wird, von vielen Mutationen, die alle durch das Kopieren des großen Vorbilds entstanden sind.

Die Beschreibung eines Joshi findet sich auf der Site der Wiener Ikarus Software. Jener allerdings taugt nun wirklich nicht als digitales Fabelwesen, das einen schillernden Grünen-Politiker repräsentieren könnte: Joshi ist nicht polymorph.

Joschka hingegen kommt mal als Straßenkämpfer daher, mal als Vize-Kanzler. Er war hessischer Umweltminister – zwei Mal – Taxifahrer und Fraktionsvorsitzender, stand bei Opel in Rüsselsheim am Band und ist mal drahtig, mal schwer übergewichtig.

Joshi und Joschka haben gemein, dass sie Vergangenheit sind. Die von letzterem hat wohl vor ein paar Tagen begonnen.

Angesichts seines Charakters muss man darüber nicht traurig sein, aber ihm zugestehen, dass er einen hat. In dem Zusammenhang: Auf der Suche nach einem Guido wird man nirgends fündig.

Aber Code Red ist noch präsent. Obwohl viele geglaubt hatten, er sei vor ein paar Jahren endgültig verschwunden. Google allerdings listet aktuell über eine Million Seiten zum Thema.

Code Red zeigt, wie verhängnisvoll es ist, sich auf das große Kapital zu verlassen. Das geriet bei seinem Auftauchen seinerzeit denn auch völlig in Panik. “Microsoft strongly urges…” brachte es damals nur hervor. Heute noch ist es auf der Website des Konzerns nachzulesen.

Man fühlt sich da doch sehr an die öffentlichen Reaktionen des großen Geldes auf einen deutschen Politiker erinnert. “Was würde die Börsen mehr in Unruhe bringen als sein Rücktritt?” fragte damals die Direkt Analage Bank in einer Anzeige, die witzig sein sollte. Antwort: “Sein Wiederantritt.” Wenn irgendwo etwas Rotes auftaucht, dann befürchten einige halt gleich einen Systemabsturz.

Code Red, Angelina, die Crazy-Eddie-Family, Joshi und die unzähligen Liberty-Versionen – häufig hat es ja der User selbst in der Hand, ob sie gefährlich werden können. Und für den 18. September sollte man einen Merksatz aus der IT berücksichtigen: Den größten Schaden richtet an, was viele Leute gedankenlos anklicken.