Das Kloster Dragomirna, das Donaudelta, Ceausescus Palatul Parlamentului – auch “Haus des Sieges über das Volk” genannt – und Tausende herrenloser Hunde mit jenem tieftraurigen Blick, zu dem nur herrenlose Hunde fähig sind. Fremde Länder zu bereisen, hat einfach was.
Und Rumänien ist für den gemeinen Mitteleuropäer eines der fremdesten Länder. Und deswegen besonders sehenswert.
Trotzdem – obwohl’s wahrlich Interessanteres gibt – schaut man doch jedes Mal hin, wenn irgendwo ein Handy oder ein PC auftaucht. Man schätzt ab, ob das Gerät State of the Art ist.
Und man versucht, zu ergründen, wie weit die hiesige Informationsgesellschaft gediehen ist. Eine berufsbedingte Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit ähnlich wie die Fehlsichtigkeit aufgrund von jahrelanger Bildschirmarbeit.
Was nun die rumänische Informationsgesellschaft anbelangt, so steckt sie in ihren Anfängen. Digitalisierung kann man hier noch hören. Am Klacken, mit dem bei den großen Uhren auf den öffentlichen Plätzen die Stunden- oder Minutentäfelchen umfallen, um die nächste Ziffer anzuzeigen.
Solide digitale Mechanik. Man freut sich doch jedes Mal wieder, wenn man sowas antrifft.
Schon weit verbreitet sind Handys. Man kann historische Epochen ja anhand dessen unterscheiden, was die Menschen ständig mit sich herumtragen.
Früher war das der Faustkeil, dann das Bronzeschwert und dann viele Jahrhunderte lang der Rosenkranz. Bis in die Neuzeit hinein.
Heutzutage ist offensichtlich, welches die Epoche machenden Dinge sind, weil die Leute sie im Cafe oder im Frühstücksraum des Hotels meist vor sich auf den Tisch legen.
Demnach ist der Rosenkranz mittlerweile europaweit abgelöst worden von Feuerzeug, Malboro-Schachtel und Mobiltelefon.
Allerdings ist die Status generierende Performance von Handys in Rumänien doch sehr viel höher als in Deutschland. Reiche gibt’s ja auch in Ländern, die insgesamt alles andere als reich sind.
An der Schwarzmeerküste nun telefonieren die, um es zu zeigen, gerne mit ihren neuen Handys von ihren offenen, teuren Geländewagen aus. In entwickelteren Informationsgesellschaften ist I+K-gestützte Prahlerei sehr viel aufwändiger.
Anders ist auch die Arbeitsorganisation. Die typische rumänische Working Group besteht aus vier Leuten.
Davon raucht einer. Einer macht Pause. Und einer arbeitet. Der vierte arbeitet nicht, weil er der Chef ist und die Verantwortung trägt.
In Deutschland sind alle Raucher- und Pausiererstellen gestrichen worden. Und der Chef muss nicht nur die Verantwortung tragen, sondern darüber hinaus auch noch ständig über die Lohnkosten klagen.
Völlig rückständig ist Rumänien, was die Kriminalität anbelangt. Diebstahl ist hier noch reine Handarbeit. Kleine Gauner sind sehr virtuos darin, einem den Geldbeutel aus der Hosentasche zu ziehen.
Man hat den Eindruck, von Dialern, Phishing und von der Gründung windiger Internet-Unternehmen haben die hier noch nie etwas gehört. Die meinen doch tatsächlich noch, man müsse anderen Leute in die Hose fassen, um ihnen ins Portemonnaie zu greifen. Idyllische Zustände, möchte man meinen – zumindest solange man seine Börse noch in der Tasche spürt.
Am schönsten aber ist, dass man hier gar nicht so richtig mitbekommt, was im global Village ansonsten Dorfgespräch ist. In den Urlaubsorten gibt’s außerhalb der Hauptsaison keine deutschsprachige Zeitungen. Nicht einmal jenes Blatt ist hier erhältlich, das zwar nicht deutschsprachig, aber Deutschlands meist gelesenes ist.
Und über die Kabel-TV-Anlage des Hotels sind nur zwei Kommerzsender zu empfangen. Ausgestrahlt vom selben Medienkonzern, der auch das ansonsten ubiquitäre Blatt herausgibt.
In deren Nachrichtensendungen nehmen die Ergebnisse der NRW-Wahl und deren bundespolitische Folgen deutlich weniger Raum ein als Sportmeldungen und das Wetter. Und das ist doch eigentlich sehr erholsam, dass man sich dieses Elend nicht anzuschauen braucht.
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