Konkret war’s ein Domain-Name-Server, der für 15 Minuten stillstand. Weil dieser aber ansonsten die URL www.google.com in die IP-Adresse 216.239.37.99 umwandelt, hat’s doch irgendwie gestimmt: Die wunderbare und -same Welt, die man sich tagtäglich so zusammengoogelt, stand wohl tatsächlich eine Viertelstunde lang still.
Und bei so einem Ereignis, da kommt man halt schon ins Sinnieren. Diese gegoogelte Welt ist ja anders als die nicht-TCP/IP-basierte.
Viren beispielsweise existieren darin fast ausschließlich digital. Erst an 25. Stelle listet die Suchmaschine eine Seite der US Centers for Disease Control, die sich mit Menschen infizierenden Parasiten befasst. Davor offerieren McAfee, Sophos Trend Micro et al. Hightech gegen Bagle.BQ und den WM-Wurm.
In der wirklichen Welt hingegen bringt ein biologischer Schädling Namens Plasmodium malariae, übertragen von einer lächerlichen Stechmücke, jährlich eine Million Menschen um. Auch diese Meldung findet sich bei Google. Aber eher am Rande, weil’s ja auch nur die Peripherie der Welt betrifft. Und der Aufwand, der zur Bekämpfung des Malaria-Erregers betrieben wird, ist ebenfalls um einiges geringer als jener in Sachen Bagle.
Zu diesem Weltbild passt, dass Afrika bei Google-Maps nicht existiert. Das europäische Festland übrigens auch nicht. Der Globus im Mountain-View-zentrischen Weltbild endet an der Ostküste von UK. Und der Ärmelkanal geht fließend in den Pazifik über, bis dann vor Alaska wieder Land in Sicht ist.
Dafür bevölkern dieses Universum Lebewesen, die im richtigen nicht vorkommen. Die Population der Hommingberger Gepardenforelle etwa ist mittlerweile auf über eine Million angewachsen.
In die Google-Welt gesetzt worden ist sie vor einem Monat im Rahmen eines Wettbewerbs für Suchmaschinenoptimierer. Was zeigt, wie leicht sich dieser Kosmos manipulieren lässt.
Die Bundestagsfraktion der Grünen hat denn auch vor ein paar Wochen eine Broschüre erstellt, in der sie vor der Monopolisierung der Internetsuche warnt. Kritisch zu sein gehört ja zur Tradition dieser Partei.
Allerdings stellt sie inzwischen drei Bundesminister (politisch korrekt: MinisterInnen) und etliche Staatssekretäre (SekretärInnen), hat eigene Skandale und alles, was sonst noch dazugehört. Deshalb tut sie sich mit dem realen Müpfen halt schon ein bisschen schwer. Da ist dann der Cyberspace ganz nützlich, wo man virtuell antiautoritär sein kann.
Die aktuell vorherrschende Sicht der Welt findet sich bei Google-News. Die ist ebenfalls sehr sonderbar.
Wikipedia etwa – auch eine beliebte Site – definiert “Reform” noch als “planvolle, gewaltlose Veränderung mit dem Ziel der Linderung oder Beseitigung bestehender Missstände”, also schon als etwas Gutes für die Betroffenen.
Die Google-Nachrichten hingegen listen Artikel mit in dem Zusammenhang befremdlichen Wörtern in den Headlines wie “Bezahl-Uni” (Süddeutsche Zeitung) “Kostenberatung für den Zahnarztbesuch” (Krankenkassenratgeber) und “Minister Clement” (Trostberger Tagblatt).
Manchmal ist sogar von “dringend notwendigen Reformen” die Rede. Und spätestens da ist klar, dass die Betroffenen anschließend keine Linderung verspüren werden.
Ach ja. Schon eigenartig, was man sich manchmal zusammengoogelt. Die Hommingberger Gepardenforelle ist da nicht einmal das komischste.
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