IT-Services für den KMU-Sektor: Echtes Potenzial oder ewiger Mythos?
IT-Serviceanbieter aus dem Großkundensegment, die glauben, ihr Modell unverändert in den KMU übertragen zu können, machen schlechte Erfahrungen.
Ein in Presse- und Unternehmenskommunikation klar sichtbarer Trend in diesem Jahr ist der Fokus von IT-Service-Unternehmen auf kleine und mittelständische Unternehmen, den so genannten KMU-Sektor, auf den sich nun die Wachstumshoffnungen konzentrieren.
Dabei besteht noch nicht einmal Einigkeit, wie dieser Sektor zu definieren ist. Nach EU-Definition sind ‘kleine’ Unternehmen alle Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern, ‘mittlere’ Unternehmen haben 50 bis 250 Mitarbeiter. Eine weltweit verbreitete Meinung hingegen besagt, dass die Kategorie KMUs alle Unternehmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern umfasst, wobei ‘kleine’ Unternehmen weniger als 100 Mitarbeiter zählen. Nach letzterer Definition gibt es etwa 80 Millionen KMUs weltweit, 99 Prozent davon mit weniger als 100 Mitarbeitern.
Tatsächlich gibt es weltweit weniger als 50.000 Unternehmen mit mehr als 1000 Angestellten. Obwohl diese Großunternehmen nur 0,05 Prozent aller Unternehmen ausmachen, bestreiten sie doch gut die Hälfte der gesamten IT-Ausgaben. Oder anders ausgedrückt, KMUs generieren 60 Prozent der Gesamtumsätze aller Unternehmen, aber repräsentieren nur 45 Prozent der IT-Ausgaben.
Weil Großunternehmen bis jetzt den überproportional größeren Anteil an den IT-Ausgaben bestritten, haben sich die großen Anbieter, wie IBM, EDS, HP oder CSC hauptsächlich auf diese Kunden fokussiert. Und zwar durch Direktvertrieb, der sich wegen seiner relativ hohen Kosten nur für dieses Kundensegment rentiert. Um nebenbei auch kleinere Kunden zu versorgen, bedienten die Anbieter sich des VAR-Channels (Value Added Resellers). Dies hat allerdings in vielen Fällen zu einem Channel-Konflikt geführt. Beispiele hierfür sind Computacenter und HP/Compaq, die heute lieber im Direktvertrieb mit ihren größten Kunden, wie BT, verhandeln würden.
KMU-Fokus als Ausweichmanöver
Solange die Wachstumsraten im Großkundenbereich sich in zweistelliger Höhe befanden, waren alle Beteiligten zufrieden. In den letzten Jahren ist das Wachstum der IT-Ausgaben von Großunternehmen allerdings abrupt zum Stillstand gekommen. In den Jahren 2002 und 2003 war sogar ein Ausgabenrückgang zu beobachten und viele CIOs erwarten, dass ihre IT-Budgets auch in Zukunft rückläufig sein werden.
Die Situation bei KMUs sieht derweil vielversprechender aus: Mittelgroße Unternehmen, die 20 Prozent der weltweiten IT-Ausgaben bestreiten, sagen aus, dass ihre Budgets bis zu 10 Prozent pro Jahr ansteigen werden. Bei Kleinunternehmen sind es sogar 14 Prozent.
Daher rührt das derzeitige Interesse der großen IT-Player an diesem Marktsegment. Analysten werden derzeit überschwemmt von Verlautbarungen und Vortragseinladungen, in denen diverse Firmen wie BT, EDS oder SAP erklären, wie sie diese neue Marktchance adressieren werden.
Auf den ersten Blick scheint es ein logischer Ansatz. Wir warnen jedoch vor überzogenen Erwartungen. Die Art der IT-Services, die von Großunternehmen bezogen werden, sind nicht auf den KMU-Markt übertragbar. Große, maßgeschneiderte Entwicklungsprojekte, IT-Outsourcing und BPO (Business Process Outsourcing) werden nur von Großunternehmen nachgefragt. Je kleiner das Unternehmen, desto weniger IT-Services werden von externen Dienstleistern eingekauft. Bei Kleinstfirmen herrscht noch das ‘do-it-yourself’-Prinzip vor. Dienstleistungen hier beschränken sich auf Desktop Support und Installation, kleine Anwendungspakete und Web Design, sowie Massenmarktprodukte wie zum Beispiel Hardware von Dell oder Softwareprodukte von Microsoft.
Dies lässt vermuten, dass es großes Potenzial für Outsourcing-Dienste im KMU-Sektor geben müsste, aber die Anzahl der hier erfolgreichen Service Provider ist klein. In UK zählt hierzu beispielsweise Digica, die den KMU-Markt seit zehn Jahren adressieren – und doch nur etwa 22 Millionen Pfund Umsatz im Jahr generieren. Ein Modell, das der KMU-Nutzer sich leisten kann (und will) und mit dem der Service Provider trotzdem Profit erzielen kann, scheint nach wie vor schwer zu finden.
Es gibt dennoch einige große Anbieter im KMU-Markt. UK-Anbieter Sage beispielsweise spezialisiert sich auf Kleinunternehmen, aber 6 Prozent organisches Wachstum im letzten Berichtszeitraum lassen keine Euphorie aufkommen.
Microsoft ist der größte Anbieter für KMUs, erwartet aber auch nur 4 Prozent Wachstum für 2005. Dell macht sich durch sein Direktanbietermodell, welches den VAR-Channel umgeht, beliebt im KMU Markt. Nun steigt Dell auch in den Services-Markt ein, generiert in diesem Bereich bis jetzt aber nur 10 Prozent seiner Gesamtumsätze (etwa 4 Milliarden Dollar). Allerdings bewegen sich die Mehrheit der von Dell abgeschlossenen Serviceverträge, wie der kürzlich abgeschlossene Millionendeal mit Philips Electronics, weit jenseits des KMU-Sektors.
IT-Services für Kleinunternehmen müssen paketiert sein, um für die Anbieter profitabel zu sein. Das ASP-Modell, das genau so ausgelegt ist, hat aber nicht den erwarteten Erfolg bei KMUs gebracht. Dies liegt bei Kleinunternehmen oft daran, dass Firmeneigner kein Vertrauen in extern gespeicherte und verwaltete Daten haben, sondern eher ihre Bücher abends noch mit nach Hause nehmen.
Eine Zukunft für VARs?
Und was wird mit den VARs passieren? Deren Stückpreise und Margen erodieren. Der VAR-Bereich zählt jedes Jahr die meisten IT-Unternehmenspleiten, und das kann in Zukunft nur schlimmer werden.
Erfolgversprechend in diesem Bereich sind nur Firmen, die selbstentwickelte, branchenspezifische Produkte für KMUs vertreiben. Dies können zum Beispiel spezielle Lösungen für Hotels, Restaurants oder spezielle Berufgruppen wie Tierärzte, Finanzberater oder Gutachter sein. Solche Lösungen sind nicht nur attraktiv weil sie genau dem Kundenbedarf entsprechen, sondern weil Bestandskunden kaum zu einem anderen Anbieter wechseln werden.
Somit ergeben sich kontinuierliche Einnahmen aus Support, Wartung und Upgrades, die langfristig und verlässlich den Großteil der Einnahmen eines Service Providers ausmachen können. Aus diesem Grunde sind solche Anbieter auch beliebte Übernahmekandidaten. Der M&A-Berater Regent Associates berichtet, dass branchenspezifisch aufgestellte Systemhäuser und VARs mit eigenen Produktlösungen im letzten Jahr nicht nur die beliebtesten Übernahmekandidaten waren, sondern auch die höchsten Bewertungen erzielten.
Ausblick
Ein IT-Serviceanbieter aus dem Großkundensegment, der glaubt, sein Modell unverändert in den KMU übertragen zu können, wird schlechte Erfahrungen machen. Es besteht signifikantes Potenzial im Kleinkundengeschäft, aber der Marktgang muss ein komplett anderer sein, um hier profitabel agieren zu können. Zusätzlich ist der KMU-Sektor auch kein Neuland mehr: Der Markt ist schon besetzt und mit der Vielzahl von neuen Anbietern, die sich nun auf dieses Niveau ‘herunterbegeben’, wird sich der Wettbewerb in Zukunft noch weiter verschärfen.