Microsofts Filesharing: BitTorrent lockt große Haie an
Microsoft will das Feld besetzen, das BitTorrent gehört. Das Modell hat wohl eine kritische Masse erreicht – auch für die Anbieter von Adware und Spyware
BitTorrent, eine inzwischen weit verbreitete Distributionstechnologie für Files über das Web, muss sich auf harte Konkurrenz und Misbrauch gefasst machen. Der Branchenriese Microsoft hat sich entschlossen, eine Alternative auf den Markt zu bringen und so das millionenfach genutzte Vehikel zu verdrängen. Andererseits haben Organisationen, die mit Spyware und Adware Geschäfte machen, die Verbreitung ihrer “Ware” über BitTorrent für sich entdeckt.
Redmond stellt die Technik ‘Avalanche’ (deutsch: Lawine) ganz offen gegen die BitTorrent-Nutzung auf. “Das Projekt trägt den Codenamen ‘Avalanche’ und gleicht vom Ansatz her den bekannten Peer-To-Peer-Systemen wie BitTorrent, bei denen große Dateien in kleinere Teile zerlegt werden, um so schneller verbreitet zu werden”, heißt es beispielsweise in einer Mitteilung. Nach dem Download werden sie wieder zusammengesetzt. Diese einfache, effektive Methode soll sich das Programm so zunutze machen, dass es Dateien im Vergleich mit BitTorrent um bis zu 30 Prozent schneller herunterlädt. Microsoft führt lange Wartezeiten der BitTorrent-Nutzer an.
Das soll durch eine neue Kodierweise anders werden. Redmond will eine Möglichkeit gefunden haben, nicht mehr auf dem Server, oder ‘Tracker’, sondern im Netzwerk selbst zu kodieren. Server-basierte Kodierung wie bei BitTorrent könne bei großem Andrang, so Microsoft, die Bandbreite nicht ausreichend bereit stellen, der Server knicke ein. Und außerdem soll das Teilen der Datei dadurch, im Gegensatz zu vollkommen unkodierter Software, wie sie in einigen anderen P2P-Netzen vertrieben wird, zwei bis drei mal schneller gehen. So heißt es von den Microsoft-Forschern in Cambridge.
Dies sei möglich, weil jeder Teil der Datei schon auf der Server-Seite mit einem speziellen Algorithmus verschlüsselt wird und somit jeder Teil auch Informationen über alle anderen Teile, die noch nachkommen, enthält. Anwender sollen dadurch mit einer Art von Zwischenergebnis bereits die Inhalte weitergeben können, ohne dass die anderen Clients auf die ursprüngliche Quelle, den Tracker zugreifen müssen. “Jeder Teil des Downloads enthält die ‘DNA’ aller in der Datei enthaltenen Teile”, teilte ein Microsoft-Mitarbeiter mit. Wenn PCs, die im Avalanche-Netzwerk verbunden sind, einen Dateiteil erhalten haben, werden willkürlich neue Teile aus den bereits empfangenen Daten generiert, die dann erneut anderen Nutzern angeboten werden. Nachdem der User eine ausreichende Anzahl von Teilen erhalten hat, werden diese zum Zusammensetzen des Originals verwendet, heißt es von Microsoft. Ferner meldet der Konzern, dass es im Selbstversuch mit einer Betaversion bereits gelungen sei, eine 4 GByte große Datei innerhalb eines Tages zu verteilen.
Microsoft betont noch einmal gesondert, welche Idee hinter der eigenen Entwicklung steckt: Sie soll dem illegalen Treiben mit der Verbreitung gestohlener Inhalte viel besser Einhalt gebieten. Das System erlaube schließlich nur die Verbreitung von Inhalten, die vorher vom Rechteinhaber für genau diese Verbreitungsart freigegeben worden sind.
Die Idee, die Microsoft hier so interessant findet, beruht ursprünglich auf der Filesharing-Idee, die in verschiedenen Formen von Napster, Kazaa, Edonkey und anderen P2P-Netzen verwendet wird. Verfeinert für große Dateien wurde sie von BitTorrent-Entwickler Bram Cohen. Er hat mit dem BitTorrent-Protokoll eine Möglichkeit gefunden, umfangreiche Inhalte wie Filme und Videos so zu verteilen, dass sie während des Downloads schon an andere Clients weitergegeben werden. Sie werden in Stücke zerlegt, die definiert sind. Und diese werden erst nach dem vollständigen Download durch einen Abgleich des Clients, der mit einer Torrent-Datei ausgestattet sein muss, mit dem Tracker wieder zusammengesetzt. Dabei kann der Tracker mit mehreren Clients verbunden sein, welche wiederum untereinander die einzelnen Teile tauschen können. Das reduziert die Download-Zeit für die Clients.
Die Technik ist auch deshalb so erfolgreich, weil die Upload-Kapazitäten beim Client mitgenutzt werden und so die gesamte Prozedur durch dieses virtuelle “Mehr an Bandbreite” schneller wird. Der Verzicht auf eigene Suchmaschinentechnik, wie sie andere Filesharing-Protokolle verwenden, hat nach Aussagen von BitTorrent-Vater Cohen auch zur Beliebtheit beigetragen. So ist eine netzartige Struktur entstanden, bei der nach seinen Erfahrungen auch ein Andrang von 10.000 Nutzern kein Problem darstellt, wenn sie sich gleichzeitig auf ein File in einem einzigen Download-Server stürzen. Die Nutzer formen dabei viele kleine Netzwerke untereinander, was die Datenlast gleichmäßiger verteilt. Das führt zwar laut verschiedenen Umfragen dazu, dass zwischen 10 und 30 Prozent des gesamten globalen Internetverkehrs auf BitTorrent-Aktivitäten beruhen soll – gemessen hat das allerdings noch niemand so richtig.
Doch neben der neuen großen Konkurrenz gibt es noch eine schlechte Nachricht für BitTorrent-Nutzer: Immer mehr Adware- und Spyware-Vertreiber haben die Datenströme als Vehikel für ihre Machenschaften entdeckt. Sie infizieren die Server und können so ohne einen Finger zu rühren die Verbreitung der schädlichen, Bandbreite raubenden Parasiten den Nutzern überlassen. Das ist insofern neu, als es bislang noch keine auffälligen Entwicklungen in dieser Richtung bei BitTorrent gab. Security-Experten in den USA haben aber in den vergangenen Monaten eine Zunahme beobachtet, die sie beunruhigt. Einige von ihnen sprechen von Szenarien, in denen es wegen der großen Verbreitung von BitTorrent zu einer Schwemme von Adware und Spyware kommt. Vor allem bei Musikdateien und pornographischen Inhalten sei Vorsicht geboten. BitTorrent-Nutzern wird empfohlen, grundsätzlich keine unbekannte Software zu akzeptieren.