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Offenbarung 2.0

Dann bekommt man per Mail Nachrichten, deren Headlines hinsichtlich ihrer zeitgeistigen Schnodderigkeit durchweg mit bild.de mithalten können. “Jetzt kommt die Priesterschwemme” liest man da. Und die juristische Auseinandersetzung in den USA um die Koma-Patientin wird mit “2:1 gegen das Leben” kommentiert.

Jesus.ch empfiehlt im Service-Teil “Bible-Software” mit ausgefeilten Features: “Parallelstellen und Querverweise mit Doppelklick verfolgen, Leistungsstarke Konkordanzfunktion (Volltextsuche), Textpassagen über die Zwischenablage in andere Anwendungen kopieren”.

Zum Thema Ostern erfährt man auf heiligenlexikon.de, dass es sich dabei um den Höhepunkt des Kirchenjahres handelt. Und als aktuelles Gimmick wird auf dieser Site dann auch noch gleich die “Auferstehung” von Matthias Grünewald (1475 – 1528) “als Desktop-Hintergrund zum Download” angeboten. Mit Installationsanleitung unter dem Internet Explorer und Firefox!

Was einem da doch immer wieder auffällt: Zumindest technisch ist sie ja wirklich up-to-date, diese 2000 Jahre alte Institution. Da verwundert es denn auch nicht, dass unlängst – am “Gedenktag des heiligen Franz von Sales”, des Schutzpatrons der Journalisten – kath.net einen apostolischen Brief zum Internet verbreitet hat.

Der Heilige Stuhl zeigt sich darin hocherfreut, “dass es neue Weisen gibt, in bisher nicht gekannten Sprachen und Techniken zu kommunizieren”. Da fragt man sich dann schon, ob mit dieser Hinwendung zur Computerei und ihrem Slang nicht vielleicht sogar ein sprachliches Update der Heiligen Schrift PR-mäßig vorbereitet werden soll. Eine Art Offenbarung 2.0.

Mit ein bisschen IT ließe sich ja da auch wirklich einiges machen. Johannes, Kapitel 1, Vers 1: “Am Anfang war das Wort.” Der allererste Quelltext. Und den gilt es jetzt quasi aus dem kirchlichen Assembler Code in eine moderne Hochsprache zu übertragen.

Der Sündenfall, Genesis, Kapitel 3, die Geschichte mit Eva und der Schlange – die könnte man sehr viel zeitgemäßer formulieren, wenn man dem Vieh einen aktuellen Namen geben würde. Sober beispielsweise.

In der papierenen Legacy-Version kommt dann die Sintflut. Kapitel 6, Vers 5: “Als aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden…” – da fährt er das System herunter. Eine Art himmlisches Alt+Control+Delete, mit der Betonung auf Delete.

Der Turmbau zu Babel. Kapitel 11, Vers 7: “Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe!” Ein kleiner Hinweis auf die Art und Weise, in der IT-Konzerne ihre Produkt-Philosophien propagieren – und die Geschichte wäre sehr viel eingängiger.

Da unterscheiden sich meist ja auch nicht so sehr die Produkte. Nur die Sprachregelungen sind halt sehr verschieden und wirr allemal. Sodom und Gomorra, Kapitel 19 – doch ja, solche Websites gehören zu den am stärksten frequentierten.

Die Wunder des Neuen Testaments wiederum, beispielsweise “Die Speisung der Fünftausend” (Matthäus, Kapitel 14, Vers 13 ff), würden sehr viel verständlicher, wäre Copy and Paste als mögliche Replikationsmethode für die fünf Brote und zwei Fische erwähnt. Und die Verwandlung von Wasser in Wein wie bei der Hochzeit zu Kana (Johannes, Kapitel 2) ist ja für jede Marketing-Abteilung eine der leichtesten Übungen.

Vor allem aber aktuelle Malware müsste die Heilige Schrift schon erkennen können. Allerdings die sieben Plagen im 2. Buch Mose sind nun wirklich nicht mehr State-of-the-Art: Frösche, Stechmücken, Stechfliegen, Hagel, Pest, Blattern, und die Verwandlung aller Gewässer in Blut. Viren, Würmer, Trojaner, Spam, Dialer, Denial-of-Service-Attacken und Spyware gehören da mindestens noch rein.

Vielleicht aber sollte man doch päpstlicher sein als der Papst und nichts updaten. Das Format ist zwar ein bisschen antiquiert, aber der Content in weiten Teilen echt o.k.

Und besonders schöne Bibelstellen lassen sich sogar als SMS verschicken, wie’s beispielsweise die Macher von jesus.ch praktizieren. Sowas könnte – wenn man’s richtig anstellt – sehr segensreich wirken.

Vor allem, weil den Gläubigen von ihren Hirten oftmals ein doch etwas reduziertes Verhältnis zum Gebot der Nächstenliebe anempfohlen wird. Der Erzbischof von München, Kardinal Friedrich Wetter, etwa hat unlängst wieder erklärt: “Die Keuschheit ist die beste Vorbereitung auf die Ehe” (Quelle: kath.net, 12.3.).

Dagegen spricht dann doch jede Lebenserfahrung, und zwar nicht nur die moderner Menschen, sondern auch die biblischer Weiser. Einer von ihnen – heute würde man ihn wohl als Womanizer bezeichnen – hat, eingedenk einer unkeuschen Situation, einmal die schönen Worte zu Papier gebracht: “Lass deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und den Duft deines Atems wie Äpfel; lass deinen Mund sein wie guten Wein, der meinem Gaumen glatt eingeht.” (Quelle: Das Hohe Lied Salomos, Kapitel 7, Vers 9f.)

Das sind doch prächtige Sätze. Und das Beste: bloß 155 Zeichen. Das heißt: Sie gehen bequem als SMS.

Silicon-Redaktion

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