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Eine deutsche Ideengeschichte

Jedenfalls haben Otto Schily (SPD) und der Vize-Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie Michael Rogowski (SPD-fern) am Dienstag die gleichnamige Kampagne eröffnet. Und die zugehörige Web-Site freigeschaltet haben sie.

Letzteres beschreibt der Berlin-Korrespondent der Financial Times Deutschland so: “Nach vergeblichen Anläufen schaffen es die beiden endlich, die Maus des Computers richtig auf dem Bildschirm zu platzieren…” Ja, es ist schwierig.

Schwierig ist es vor allem, hinter den Sinn dieser Kampagne zu kommen. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Ute Vogt (ebenfalls SPD) nennt es im Interview mit dem Medienhandbuch eine “Maßnahme zur Standortwerbung”.

Es sollen “Investoren am Top-Standort Deutschland investieren”. Also: Wenn die im nächsten Jahr schon mal zum Fußball-Schauen da sind, dann sollen sie doch auch gleich eine Fabrik bauen. Sowas geht anscheinend in einem Aufwasch. Zumindest stellt es sich die Staatssekretärin wohl so vor.

Und Wolfgang Niersbach, Vizepräsident des Organisationskomitees für die WM 2006, in deren Rahmen die Kampagne laufen soll, wertet im selben Interview dann noch den deutschstämmigen Papst als positiven Standortfaktor. Vogts Chef Schily nennt in einer Pressemitteilung seines Hauses eine “Aufbruchstimmung für das ‘Land der Ideen'” als Ziel der Kampagne.

Der Bundesinnenminister möchte demnach wohl als innovative Stimmungskanone, als eine Art Karl Moik der High-Tech, fungieren. Wobei die Wirtschaftswissenschaften weder das Schunkeln, noch Laola-Wellen, noch rhythmische Benedetto-Rufe als sonderlich innovationsfördernd ausweisen. Wie stellen sich diese Leute bloß Hochtechnologie vor?

Trotzdem ist’s eine gute Idee für das “Land der Ideen”. Denn sie zeigt, wie in jenem Innovationspolitik betrieben wird. Und vielleicht fällt im Licht dieser Erkenntnis ja mal jemandem was Vernünftiges ein.

Ausgedacht hat sich die Kampagne die Agentur “Zum Goldenen Hirschen”. Das ist die, die auch jene Namens “Raubkopierer sind Verbrecher” für die Peer-to-Peer geschädigte Filmindustrie konzipiert hat. Die besteht im wesentlichen aus Kinospots über sexuelle Gewalt in Gefängnissen und über imaginäre rechtsstaatswidrige Zustände dort. Diese Spots sollen witzig sein.

“Zum Goldenen Hirschen” gilt als Grünen-nah. Was man nicht glauben würde, hätte man jene Partei nicht sieben Jahre an der Regierung erlebt.

Wegen dieser Nähe aber bestand die Industrie darauf, dass weitere Agenturen zugezogen wurden, die Agenturen Lowe und Scholz and Friends. Letztere ist CDU-nah.

Außerdem sollte Bundespräsident Horst Köhler die Schirmherrschaft übernehmen. Der wirbt nun auch für das “Land der Ideen”, einen Slogan, den auszudenken, es somit dreier Agenturen bedurfte.

Indes hatte Franz Müntefering (SPD) allerdings das geäußert, was gemeinhin als “Kapitalismus-Kritik” bezeichnet wird. Das ist auch eine Idee aus diesem Land.

Entwickelt hatte sie seinerzeit ein in Trier geborener Philosoph (damals SPD-nah), dessen Bücher früher Bestseller auf dem Weltmarkt waren. Münteferings “Kapitalismus-kritik” ist so etwas wie ein billiges Plagiat der ursprünglichen Idee.

Trotzdem haben sich im “Land der Ideen” fast alle darüber aufgeregt. Nicht so jedoch der Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, der für die CDU vor einem Jahr in der Bundesversammlung den Präsidenten Horst Köhler mitwählen durfte. Letzterer ist überparteilich oder zumindest müsste er das von Amts wegen sein.

Wiedeking nun meinte im Zeit-Interview, man solle sich wegen Müntefering nicht so haben. Darüber wiederum erregte sich Michael Rogowski. Und er erklärte seinerseits gegenüber dem Hauptstadtbrief, “dass  wir Unternehmerkollegen haben, die sich wichtig tun und sich aufspielen”.

Dies schließlich beleidigte den – schon auch, aber wohl doch nicht so richtig – CDU-nahen Wendelin Wiedeking. Und er strich daraufhin die Spenden seines Unternehmens für die “Land-der-Ideen”-Kampagne. Weswegen die jetzt wegen Geldmangels zu scheitern droht.

Und so bekommt doch alles wieder einen Sinn, Münteferings “Kapitalismus-Kritik” und die drei Agenturen, die sich gemeinsam den matten Slogan ausgedacht haben.

Nach der “Goldenen-Hirschen”-Konzeption nämlich hätte die Kampagne ursprünglich das Motto bekommen sollen: “Deutschland, da geht was”. Was nicht nur rot-grün-nahe gewesen wäre, sondern auch – wie die Ereignisse zeigen – eine ganz dreiste Lüge.

Das Ganze ist übrigens eine wahre Geschichte und keineswegs Satire. Weil: Sowas kann man sich nicht ausdenken. Auf so eine Idee kommt man selbst im gleichnamigen Land nicht.

Auf der Web-Site der Kampagne wird übrigens einiges gelistet, was man hierzulande schon alles ersonnen hat: den Computer, die Formel E = mc2, den Kaffeefilter und das Aspirin. Wenn man das durch die deutschen Weltmarken Jägermeister und Underberg ersetzen würde und dann noch diesen Slogan nähme, dann könnte man doch auch dichten: “Land der Schnaps…” – OK, OK, war nur so eine Idee.

Silicon-Redaktion

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