Unternehmen lösen sich von festen Arbeitsformen

Oliver Stiller, 35 Jahre alt und studierter Informatiker, nutzt die Dienste von Gulp als Freiberufler und kann Trageisers Aussagen nur bestätigen. Derzeit gebe es viel zu tun für Freie, doch zeige sich der Markt komplexer und fragmentierter als noch vor einigen Jahren. “Es ist eine Frage der technischen Kenntnisse, des Selbstvermarktungsgeschicks und der Branche, ob man stets ausgelastet ist oder ob man sich um die abfallenden Brotkrümel mit anderen kloppen muss.” Stiller ist seit Anfang der 1990er selbstständig, hat vor einigen Jahren die Branche gewechselt und ist nun überwiegend für die Industrie tätig. “Hier brummt das Geschäft”, weiß er aus Erfahrung. Seine Spezialitäten sind Microsoft-Technologien und Embedded Systems.

Deutschland sieht er als einen Entwicklungsstandort mit hohem Innovationsdruck, was die Produktentwicklung und den Produktlebenszyklus betrifft. So entstehe eine starke Nachfrage nach Unterstützung durch Freiberufler und kleine Dienstleister. Zudem würde man auch eine Flexibilisierung der Arbeitswelt erleben, in der die Unternehmen von einer Bedarfsplanung im Zeitraum von zwei bis maximal fünf Jahren ausgehen. Da falle es vielen schwer, langfristig die internen Teams auszubauen. “Deshalb vergeben sie Aufträge lieber nach außen, um flexibel auf unterschiedliche Auslastungen reagieren zu können”, begründet Stiller. Von diesem Trend profitieren aber nicht nur Freie, sondern auch die Zeitarbeit.

Zeitarbeit als Probefahrt

“Innerhalb einer Woche erhalte ich 20 bis 30 Gesuche von Unternehmen, die IT-Spezialisten suchen”, sagt Georgios Aivalis von Adecco Engineering in Hamburg. Adecco ist eines der weltweit größten Zeitarbeitsunternehmen. Die Firma leiht ihre eigenen Mitarbeiter anderen aus. Bei der Zeitarbeit genießen die Unternehmen den Vorteil, dass die Mitarbeiter nicht ihr eigenes Personal sind, sondern nur für eine bestimmte Zeit geliehenes. Zudem können die Firmen die Leiharbeiter mehr oder weniger ausführlich testen. Die wiederum haben die Chance, zu zeigen, was sie können. Denn über kurz oder lang werden Zeitarbeiter in sehr vielen Fällen von den Unternehmen übernommen. “Unsere Fluktuationsrate in dieser Richtung liegt bei über 50 Prozent”, bestätigt Aivalis.

Zeitarbeit ist ein Sprungbrett für Absolventen, um erst einmal Fuß fassen und praktische Erfahrungen sammeln zu können. “Zeitarbeit wird aber auch eine immer bedeutendere Erwerbsform für ältere Mitarbeiter, die als Interims-Manager eingesetzt werden”, sagt Bernhard Hohn von der Zentralstelle. Wenn er die Stellenangebote der Unternehmen analysiert und insbesondere darauf achtet, welche Softskills Arbeitgeber erwarten, dann taucht ganz häufig das Wort “Projekterfahrung” auf, sagt er.

Freie Mitarbeit nimmt zu, Zeitarbeit auch, und beides sind ganz typische Arbeitsformen für Projekte. Aber: “Der Anteil insgesamt ist noch lange nicht so hoch, dass die Entwicklung maßgeblich prägend ist für den Arbeitsmarkt”, meint Hohn. Dennoch bestätigen auch seine Kollegen vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg, dass sich der Trend zu flexiblem Arbeiten entwickle, er aber insgesamt noch so gering sei, dass er nicht überbewertet werden solle.