Die Gegner der EU-Patentrichtlinie für Software und computerimplementierte Erfindungen haben sich durchgesetzt: Der umstrittene Entwurf von Kommission und Rat wird abgelehnt. Nachdem gestern Abend die Konservativen ihre Ablehnung angekündigt hatten, waren heute auch die sozialdemokratischen Fraktionsmitglieder im Parlament offenbar der Meinung, dass diese vorliegende Richtlinie nicht gut genug ist. Die Mehrheit gegen die Richtlinie ist quer über die großen Fraktionen hinweg erreicht. In Straßburg stimmten nach Angaben der Nachrichtenagenturen 648 der 732 Abgeordneten in zweiter Lesung gegen die Richtlinie, 14 dafür und der Rest enthielt sich oder stimmte nicht mit.
“Ein Albtraum ist vorbei. Das Europaparlament hat den Lügen der Eurokraten ein Ende gesetzt”, jubelt der deutsche Lobbyist Florian Müller, ehemals Gründer der Initiative NoSoftwarePatents.com. “Jahrelang haben die EU-Kommission und die meisten europäischen Regierungen fälschlich dementiert, dass diese Richtlinie reine Softwarepatente zulassen würde, aber genau darum ging es.”
Der Industrieverband Bitkom dagegen bedauert die Entscheidung. “Damit wurde die große Chance vertan, die unterschiedlichen Regelungen in den 25 Ländern zu harmonisieren”, sagte Vizepräsident Heinz-Paul Bonn. “Es ist ein Trauerspiel, dass in der hitzigen Diskussion zwischen strikten Gegnern und Befürwortern eine ausgewogene rechtliche Einigung nicht mehr möglich war. Mehr als drei Jahre Arbeit sind somit vergebens gewesen.” Aber der Verband, der unter anderem die deutschen Niederlassungen von Großunternehmen wie Hewlett-Packard und Microsoft vertritt, kann der Tatsache auch etwas Positives abgewinnen. So sei eine Einschränkung des bestehenden Patenschutzes – wie der Verband sie hinter den Änderungsvorschlägen vermutet – konnte immerhin verhindert werden. “Wäre die Richtlinie mit diesen Änderungen durchgesetzt worden, hätte dies der gesamten Industrie schwer geschadet”, sagte Bonn. Für den Bitkom hängt damit die Attraktivität ganz Europas als Investitionsstandort ab.
In der EU wird es nun aber auf absehbare Zeit keine Regelung für Software-Patente geben, wie EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy verlauten ließ. Nun bleibt es zunächst bei dem Status Quo: Demnach sind Computerprogramme wie Bücher oder Kompositionen durch das Urheberrecht geschützt. Kommissionsvertreter Joaquin Almunia hatte im Vorfeld gewarnt, dass eine Ablehnung nicht nur den Entscheidungsprozess der EU in dieser Frage behindern könnte. Die Uneinheitlichkeit der Patentpolitik in dem 25 Nationen starken Wirtschaftsraum könne zu einem Rückfall in der Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber den anderen starken Handelspartnern USA und Asien führen, so die Befürchtung.
Am Dienstag waren nichts desto trotz vier kleinere Fraktionen, unter ihnen die Grünen und Liberalen, mit ihrer negativen Haltung dazu an die Öffentlichkeit gegangen. Am Abend schloss sich dann die Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), die größte Gruppe im Parlament, diesem Vorstoß an. Über zahlreiche Änderungsanträge, mit denen vor allem Sozialisten und Grüne die Patentierbarkeit von Computerprogrammen stark einschränken wollten, wird dann gar nicht erst abgestimmt. Mehrere Abgeordnete forderten unterdessen die Kommission auf, neue Vorschläge für ein umfassendes EU-weites Patentsystem zu erarbeiten, um die Diskussion am laufenden zu halten und doch noch auf absehbare zu einer Einigung zu kommen.
Der deutsche CDU-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne forderte, die EU-Kommission solle einen neuen Vorschlag erarbeiten. Die konservative Europäische Volkspartei strebe im Gegensatz zur jetzigen Vorlage an, dass urheberrechtliche Bestimmungen für Software in das seit Jahren geplante EU-Gemeinschaftspatent aufgenommen würden. Das Gemeinschaftspatent liegt derzeit aber auf Eis.
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