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Berliner Bugs

Wenn man “von Netzwerken und Clustern” (Zeile 1892) liest, von “Transparenz” (Zeile 1218 ff) und von “Konsolidierung” (durchgängig), dann fühlt man sich als IT-Schreiberling doch gleich ein bisschen daheim und ist nicht mehr so ganz so negativ eingestellt.

Und wie immer hat sich auch die Marketing-Abteilung einen gefälligen Slogan einfallen lassen, um das System zu vermarkten, das diese Woche installiert worden ist. “Gemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit” sind die 7031 Lines-of-Code des Koalitionsvertrags überschrieben.

Ordentlich durchnummeriert sind sie. Dies ist ganz hilfreich, um Bugs aufzuspüren. Obwohl: Das hätt’s eigentlich wirklich nicht gebraucht. Die findet man auch so.

Im Kapitel “Energie” etwa. In dem Bereich existiert ja ein ganz ein vertracktes Problem: die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle.

Wie das gehen soll, weiß angesichts von Halbwertszeiten von 20.000 Jahren und mehr eigentlich niemand so genau. Bis auf die Koalitionäre – offenkundig. Die versprechen in Zeile 2035 ihres Vertrags, sie gingen “die Lösung dieser Frage ergebnisorientiert an”.

Ein schönes Wort: ergebnisorientiert! Sowas allerdings ist einem als IT-Schreiber neu.

Das gibt’s in der Computerei nicht. Da schafft kein RZ-Leiter einen Server an, bloß weil ihm der Hersteller versichert, jener würde irgendwie schon ergebnisorientiert rechnen, was immer auch die abzuarbeitende Task sei.

Zu Technologie steht ebenfalls einiges in dem Papier. “Clusterbildung und hochinnovative Leuchtturmprojekte” (Zeile 809) lautet die Überschrift des entsprechenden Abschnitts. Die Schöngeister, die das formuliert haben, mussten sich während ihres Studiums garantiert nicht mit Formeln und der Verkabelung von Rechnern herumschlagen.

Fragt sich nur, warum diese Lyriker damals im Germanistik-Proseminar nicht besser aufgepasst haben und immer von “Exzellenz” sprechen, wenn sie vorzügliche wissenschaftliche Arbeit (engl.: excellence) meinen. Vielleicht liegt daran ja die allseits beklagte Misere des Forschungsstandorts Deutschland, dass die zuständigen Politiker die Landessprache nicht beherrschen.

Der erste Bug-Fix im Regierungsprogramm ist übrigens schon fällig: “Entfristet” werden sollte laut Koalitionsvertrag die Regelung, dass Über-52-Jährige nach Belieben nur per Zeitvertrag eingestellt werden können. Will sagen: dass sie praktisch überhaupt kein ordentliches Arbeitsverhältnis mehr angeboten bekommen.

Das wollte die neue Regierung über 2006 hinaus fortschreiben. Da aber hat ihr der Europäische Gerichtshof diese Woche, noch vor der Kanzlerinvereidigung, einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Ja, ja, das Legacy-Problem auf dem Arbeitsmarkt. Ein eigenes Kapitel des Koalitionsvertrags ist ihm gewidmet.

Wer über 50 ist und arbeitslos, der findet heute einfach keine anständige Beschäftigung mehr und muss sich von CDU/CSU und SPD “fordern und fördern” (Zeile 1083) lassen. Da trifft es sich gut, dass die 16 von der Regierung (Durchschnittalter: 54) dieses Problem nicht haben.

So wie’s aussieht, haben die Leute hierzulande, vom neuen Berliner Main-Release wenig Gutes zu erwarten. Trotz der für ITler so heimeligen Begriffe im Koalitionsvertrag.

Gleich ein Dutzend Mal kommt “transparent” vor. “Marktgerechte und transparente Regelungen für den Niedriglohnsektor” etwa will die Koalition finden. Das ist das Arbeitsmarktsegment der “Mini- und Midi-Jobs” (Zeile 1221).

In der IT bedeutet “transparent” ja, dass die Leute, die’s betrifft, etwas nicht sehen sollen, weil’s so sauber eingerichtet worden ist. In der Politik hingegen heißt es eher, dass jene Leute es nicht blicken sollen, vorzugsweise nicht, dass sie sauber gelöffelt werden, wenn sie statt eines normalen Arbeitsvertrags so einen Mini- oder Midi-Job bekommen.

Und durch das ganze Papier zieht sich der Begriff der Konsolidierung. IT-mäßig betrachtet, ist das etwas sehr Schönes: Man bringt seinen Laden in Ordnung und spart deshalb viel Geld.

In der Politik läuft’s anders, wie Zeile 537 f des Koalitionsvertrags ausweist: “Ohne Steuererhöhung ist die für unser Land wichtige Konsolidierung nicht zu schaffen.”

Ach ja. So geht’s zu in der Politik.

Da migriert man. Aber stellt dann fest, dass das neue System, nicht nur vom Price-Performance-Standpunkt her betrachtet, doch eher suboptimal zu sein scheint.

Silicon-Redaktion

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