Als eines der Hauptprobleme bei der Schaffung einer Service-orientierten Architektur (SOA) gilt das sinnvolle Zurechtschneidern von Systemen und Komponenten – auf dem Geschäftslevel und sämtlichen Anwendungsebenen. Während ganzheitliche Ansätze, die das Umkrempeln der gesamten IT zur Folge haben, Schwierigkeiten auftürmen, die die Chance auf Synchronisation von vornherein zur Utopie stempeln, scheinen Anbieter von Anwendungssoftware diesen Teil der Probleme schon gelöst zu haben. Portale und Supply Chain Management (SCM) sind per Definition Integration. Was haben etwa der Portal-Anbieter Plumtree und der Supply-Chain-Spezialist I2 an Pragmatik zu bieten?
Zunächst ist die Auswahl der beiden Firmen zufällig. Allerdings zeichnet sie ein paar Gemeinsamkeiten aus, die sie zum Exempel machen. Beide Firmen kennen die Bedeutung des Begriffs Krise und haben gerade einen Management-Wechsel hinter sich. Beide Hersteller sind internationale Player, die bei Analysten einen guten Ruf genießen, und so sehen sie sich in Konkurrenz zu den ganz großen Softwareherstellern wie IBM, Oracle, SAP und Bea. Und für beide Firmen droht in SOA selbst eine Bestandsgefährdung zu erwachsen, wenn sie sich nicht des Themas annehmen. Beide hatten kürzlich eine Anwenderkonferenz, bei der unter anderem auch SOA thematisiert wurde.
Lieferketten bei Dell und Transtec
Wenn I2 zur Anwenderkonferenz lädt, erklärt auch schon einmal ein Dick Hunter, Dell-Vize und zuständig für die Produktion in Amerika, wie eine Lieferkette zu funktionieren hat. Etwa alle zwei Stunden werden aus den Einzelaufträgen neue Produktionsaufträge kommissioniert und flexibel auf die verschiedenen amerikanischen Fabriken verteilt. Permanent überwacht, ändert der Hersteller die Online-Angebote nach Nachfrage und verfügbaren Ressourcen. Der nachteiligste Fall wäre, wenn die Lieferzusage nicht eingehalten würde. Dann sprängen die Kunden ab. Besser sei es, wenn eine 60 GByte-Platte zum Preis von einem 4-GByte-Laufwerk abgegeben werde, erläutert Hunter.
Noch beeindruckender referiert nur Anand Moodliar, General Manager der südafrikanischen Eisenbahngesellschaft Transnet, und zwar über die Reform der Supply Chain nach der Abschaffung des Apartheid-Regimes. “Die Gewinnung bürgerlicher Rechte und Freiheiten ist nicht zu verwechseln mit wirtschaftlicher Kraft”, sagt er. So stellte sich bei einer branchenübergreifenden Untersuchung der Initiative ‘B2B Africa’ heraus, dass noch alle Lieferprozesse manuell abgewickelt wurden.
Die Bahn transportiert im Wesentlichen Kohle, Stahl und Holz. Die Rechnung sei ganz einfach, erläutert Moodliar. “Ohne Kohle, keine Energie, alles liegt brach.” Denn der Bedarf der heimischen Industrie bei Tausenden von Einzelbetrieben ist riesig, etwa 19 Millionen Tonnen pro Jahr, und Alternativen zum Bahntransport über mehr als 450 verschiedene Strecken gibt es nicht.
Vor allem galt es, die Zuverlässigkeit der Bahn zu erhöhen, nicht um Neuanschaffungen oder die Erweiterung des Schienennetzes. Dazu gehörte es, die Bedürfnisse der Partner zu verstehen und dann mit Hilfe von IT-Technik die Pünktlichkeit und Transparenz zu steigern.
Bisher gab es drei Projekte: Das Mangan-Ferrochrome-Projekt, das Masimbane-Kohle-Projekt, sowie das Nutzholz-Projekt. Nur 100 Tage benötigte das Projektteam für jeweils einen neuen Kollaborations-Prozess, vom Design bis zur Implementierung der Technik. Die technische Grundlage bietet ‘Freight Matrix’ von I2. Sie beschert zum Beispiel im Bereich Kohle Transtec und seinen Partnern seit Januar 2003 ein elektronisches Logistik-Portal.
Im Lieferkettenbeispiel geht es um weit mehr als Kostensparen und Gewinnmaximierung. Projekte wie diese sind nur die Voraussetzung für Wohlstand und Freiheit eines Volks. Insofern spielt Technik von I2 hier, aber auch bei Dell, eine wichtige Rolle. Dennoch ist I2 hoch verschuldet und flog, weil die Aktie unter den Minimalpreis sank, aus dem Nasdaq-Listing. Für unrühmliche Schlagzeilen sorgten zudem unzufriedene Kunden. Einer Umfrage der Marktforscher von Nucleus Research zufolge, die Anfang 2003 veröffentlicht wurde, hatten zwölf von 22 an der Umfrage teilnehmenden Referenzkunden keinen Return on Investment (RoI) erzielt. Bei 15 Nutzern hätte das Projekt dreimal so lange gedauert wie geplant. Der direkte Konkurrent Manugistics kam übrigens bei derselben Analysten-Firma auf eine RoI-Rate von 80 Prozent.
Integration verhindert RoI
Doch nun werde alles anders, versichert Michael McGrath, seit Februar dieses Jahres CEO und President des Unternehmens aus Dallas. Die Entwicklung wanderte ins indische Bangalore aus, und McGrath entließ 15 Prozent seiner 2000 Beschäftigten. Im ersten Quartal dieses Jahres ließen sich die operativen Kosten gegenüber dem Vorjahr um 12 Millionen auf rund 84 Millionen Dollar senken. Das Nettodefizit betrug 25 Millionen Dollar, 5 Millionen Dollar weniger als im Vorjahresquartal. Er strebt weiterhin an, noch in diesem Jahr profitabel arbeiten zu können, der Schuldenabbau allerdings brauche längere Zeit.
Bei den Kunden kam diese Aussage gut an. Vor allem ein Wissenspool mit Best-Practices aus Kundenprojekten, die Erhöhung der Beratungsleistung und Einstiegspakete sollen für I2 die Verkaufszyklen verkürzen und Kunden einen schnelleren Erfolg garantieren. Außerdem denkt McGrath laut über Hosting-Modelle nach, wobei das indische Entwicklungszentrum entsprechende Kompetenzen und Ressourcen bereitstellen würde. Unruhe machte sich jedoch breit, als McGrath ein neues technisches Schichtenmodell, die ‘Agile Business Platform’ ankündigte und davon sprach, die Einführungszyklen zu verkürzen.
Markus Tischer, Leiter Prozessmanagement bei der Krones AG setzt den Factory Planner von I2 ein, um insbesondere die Projektplanung für Montage und Konstruktion des Anlagenbauers in den Griff zu bekommen. Der Hersteller von Abfüllanlagen für die Getränkeindustie zählt zeitgleich etwa 1000 Projekte, das entspricht etwa 150.000 Vorgängen, die zu planen sind. Doch nicht die Produkte von I2 brachten die größten Hindernisse mit sich, sondern die organisatorische Umstellung intern und vor allem das Niederreißen von Barrieren in den Köpfen der betroffenen Mitarbeiter. Zugleich brauchte es Regeln, nach denen zu planen ist, um die Prozesse überhaupt mit Hilfe von IT automatisieren zu können. Diese waren naturgemäß nicht vorhanden. Somit bilden Change Management und das Finden sinnvoller Grundlagen die aufwendigsten Wegstrecken. Eine Verkürzung der SCM-Projektlaufzeiten ist daher für Tischer weder absehbar noch sinnvoll.
Laut einer Studie von AMR Research, die die 25 besten Supply Chains untersucht, stellte sich heraus, dass etwa 60 Prozent des Aufwands im Change Management und in der Planung steckt, 30 Prozent im Prozess selbst und nur 10 Prozent in der Technik.
Harri Vesa, SCM-Manager von UPM, einem Hersteller von Spezialpapieren, hingegen findet den Weg, den I2 nun eingeschlagen hat, gut. Seiner Einschätzung zufolge ließe sich einerseits sehr gut vom Wissen anderer Anwender profitieren, andererseits habe er bereits die Prozesskenntnisse und die Beratungsleistung von I2 schätzen gelernt. “I2 muss schauen, dass die Kunden Erfolg haben”, sagt er schlicht.
SOA-Pläne: Kunden sind unsicher, Analysten loben
In der Agile Business Platform sieht er allerdings eine Bedrohung seiner jetzigen Implementierung. “Wir können nicht alles wegschmeißen”, betont er. Offenbar haben andere I2-Kunden aus McGraths Ausführungen ebenfalls einen drohenden Technologiewechsel herausgehört, bestätigt etwa Lora Cecere, AMR Research Director. Die Einschätzung der Analystin wie auch die von Dwight Klappich, Vice President Research bei Gartner, teilen jedoch die Angst und Auffassung der Kunden nicht. Sie halten die Plattform für einen wichtigen und richtigen Schritt, der I2 hilft, seine Zukunft zu sichern.
Zunächst einmal ist die Plattform nicht gänzlich neu, sondern hat sich in den vergangenen fünf Jahren entwickelt. Sie ist laut Sanjay Raveendranathan, Director Hightech Industry bei I2, mit der Plattform ‘Netweaver’ von SAP durchaus vergleichbar. Da alle Application Programming Interfaces (APIs) als Web-Service dargestellt werden, lassen sich die I2-Produkte nun einfacher als zuvor mit der SAP-Software verbinden. Doch steckten rund 70 Prozent der in einer Supply Chain notwendigen Daten, etwa bei Texas Instruments, in Mainframe-Systemen. Tools und eine Referenz-Bibliothek sollen es Anwendern nun ermöglichen, sogar ad hoc Workflows zu erstellen, um die richtigen Daten an relevante Stellen zu bringen.
“Früher haben wir für unsere Kunden den Lieferprozess zusammengestellt; heute geht es darum, diesen flexibler, agiler zu gestalten”, sagt Raveendranathan. So gehören zur Plattform etwa ‘Excore’, eine Art Business Process Management Tool, und ‘Studio’, das sowohl die Extendet Markup Language (XML) als auch die Business Process Execution Language (BPEL) nutzt, um die Abläufe darstellen, verändern und kontrollieren zu können. Branchentypische Templates ergänzen das Angebot. Zudem erlauben die Werkzeuge, Regeln zu erstellen. Dabei brauchen manche Anwender nicht von Grund auf zu beginnen, sondern können sich aus den mitgelieferten Referenzen bedienen. Zugleich liefert I2 ein Rules-Set, mit dem sich etwa Daten validieren lassen.
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