RFID-Einführung ohne Risiko – geht das?

RFID ist eine Wissenschaft für sich. Wer das erkennt kann trotz lückenhafter Ansätze und fehlender Standards Nutzen daraus ziehen.

Im ersten Fall werden die per EDI avisierten und bereits fertig kommissionierten Sendungen an einen DHL Cross-Docking Punkt angeliefert. Weder Palette noch die einzelnen Versandeinheiten (Kartons) sind bei der Anlieferung mit Transpondern gekennzeichnet. Von DHL wird die Ware auf eine neue Palette gepackt und jeder einzelne Karton mit einem Transponder ausgestattet. Die Informationen für den Chip stammen von der jeweiligen Karton-EAN, dem Barcode, beziehungsweise der darunter stehenden Nummer. Der Chip für die Paletten bekommt die Nummer der Versandeinheit (NVE). Aus dem Informationen, die das Lesegerät bereitstellt, können dann EDI-Nachrichten (EDI = Electronic Data Interchange) generiert und versandt werden.

Das zweite Konzept bietet laut DHL eine rationellere Plattform für die nachträgliche Kennzeichnung der Ware mit Transpondern. Die per EDI avisierten Sendungen kommen hierbei bereits grob kommissioniert bei einem ‘Merge-in-Transit’-Punkt von DHL an. Bei der LKW-Entladung wird eine “virtuelle” Kommissionierzone aufgebaut, pro Artikel ein Kommissionierplatz. Die detaillierten Auftragsdaten für den jeweiligen Endempfänger stellt das Industrie- oder das Handelsunternehmen per EDI zur Verfügung. In der Kommissionierstraße lassen sich danach die einzelnen Versandeinheiten endempfängergerecht fein kommissionieren. Im Pickprozess werden dann auch die Transponder für jeden einzelnen Karton erstellt – und angebracht.

Ohne Integration ist RFID Geldverschwendung

Laut Professor Elgar Fleisch biete ein solches Angebot wie von DHL, zumindest für eine Übergangszeit, jedem Metro-Zulieferer die Möglichkeit, RFID-Technik zu nutzen, ohne eigene Prozesse dafür aufsetzen beziehungsweise Technik einkaufen zu müssen. Unternehmen sollten ohnehin darauf achten, dass RFID in die Techniklandschaft des Hauses passt. Denn sonst, so Fleisch, produziere es lediglich “eine riesige Menge an zusätzlichen Daten, mit denen aber nichts anzufangen ist. Erst die Integration bringt den Geschäftswert.”

Außerdem müsse ein Unternehmen entscheiden, ob es RFID als “kleines Werkzeug” nutzen möchte, zum Beispiel als Zugangssystem für Messen oder Großveranstaltungen, oder als Infrastrukturkomponente, um den Warenein- und -ausgang effizienter zu gestalten, zur Warenverfolgung oder Diebstahl- und Fälschungssicherung. “Die Intention – RFID als Werkzeug oder Infrastruktur – muss in den Köpfen verankert sein”, sagt der Professor.

Werkzeugprojekte sind viel überschaubarer, Infrastrukturvorhaben deutlich komplexer, mit mehr Unwägbarkeiten behaftet und erheblich aufwendiger zu rechnen. Fleisch: “Ein Infrastrukturprojekt ist ähnlich schwer kalkulierbar wie eine neue Produktionsstraße.” Welcher Ansatz richtig sei, lasse sich nicht entscheiden. Am besten sei vermutlich, was für alle größeren IT-Vorhaben gilt: “Eine klare Vision und aufzeigbare Quick Wins.”

Noch kein ROI in Sicht

Dass das nicht immer möglich ist, zeigen die Projekte der Deutschen Post. Der Logistik-Dienstleister sammelt in diversen RFID-Projekten Erfahrungen. Unter anderem hat im Jahr 2002 die Firma Baumer Ident rund 11.000 Container und 33 Post-Frachtzentren in Deutschland mit einer Identifikations- und Tracking-Lösung ausgestattet. Nach Angaben des Unternehmens ist auch ein solches Projekt noch immer als Pilotprojekt anzusehen. Von einem Return on Investment ist nicht die Rede.

Allerdings will das Unternehmen die Erfahrungen nutzen, um daraus Kundenprojekte zu generieren. Der Logistikgigant rechnet damit, dass sich mit der zweiten Generation des Electronic Product Code (EPC), die Ende des vergangenen Jahres auf den Weg gebracht wurde, Investitionen erstmals auszahlen könnten.

Analysten der Aberdeen Group haben im Frühjahr des vergangenen Jahres eine Umfrage unter Industriefirmen gemacht. Etwa 38 Prozent wollen mit Hilfe der Funktechnik ihren Kundenservice verbessern, indem es weder Mängel in Lagern und Geschäften gibt noch Verzögerungen in der Abstimmung mit Zulieferern und Abnehmern. 27 Prozent denken an einen Einsatz im Asset Management und hoffen auf höheren Profit für das eingesetzte Kapital. 25 Prozent schließlich erwarten Verbesserungen der operativen Prozesse – durch Reduktion von Schwund, Diebstahl und Durchlaufzeiten.

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