RFID – echter Nutzen und viele offene Fragen
Was können mögliche Einsatzgebiete sein, wie umgeht man das Fehlen von Standards, und wie steht es um Sicherheit und Datenschutz?
Analysten der Aberdeen Group haben herausgefunden, dass potenzielle Anwender von RFID sich durch die Funktechnik Verbesserungen im Kundenservice, effizientere Lager und effektiveres Asset Management versprechen. Auf einen Nenner gebracht soll die Technik schlichtweg für mehr Transparenz und einen höheren Automatisierungsgrad sorgen. Erste Beispiele geben einen Eindruck hierfür:
- In der Autostadt Wolfsburg, Heimat des VW-Konzerns, stehen jederzeit rund 10.000 Neuwagen für die Auslieferung bereit. Sie müssen gewaschen, gereinigt und einer Endkontrolle unterzogen werden. Um die Fahrzeuge leichter auffindbar zu machen, bekommen die Autos eine Art Schlüsselanhänger mit Funkchip.
- Die Deutsche Post bestückt manche Sendungen mit aktiven Transpondern, um Zustellzeiten und die Zuverlässigkeit besser kontrollieren zu können.
- Airbus stattet schon seit vier Jahren 9000 seiner wertvollen Spezialwerkzeuge, unter anderem für den Verleih, mit RFID-Tags aus. Die jährlichen Einsparungen belaufen sich auf 100.000 Euro pro Jahr.
Für Unternehmen, die genauer in Erfahrung bringen wollen, ob und unter welchen Konditionen sich der Einstieg in die RFID-unterstützte Prozesssteuerung lohnen könnte, bietet etwa die Seeburger AG mit seiner ‘RFID-Workbench’ ein entsprechendes Simulations-Tool an, das an entsprechenden Beratungsdiensten gekoppelt ist. Das Evaluationswerkzeug erlaubt nach Angaben von Seeburger den Testbetrieb unterschiedlicher Szenarien bis hin zur Pilotierung durchgängiger Logistikketten mit verschiedenen Partnern. Nebenbei entstehe eine Vorlage für die Realisation in einer Integrationslösung wie der ‘Auto-ID Infrastruktur’ (AII) der SAP AG, erläutert Stéphane Pique, Vice President Business Development RFID bei Seeburger.
Andere Möglichkeiten, sich kundig zu machen, bieten verschiedene RFID-Zentren, die mittlerweile auch in Europa von den großen IT-Firmen wie IBM und Sun, aber auch von Infineon und dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik eingerichtet worden sind. Hier gibt es neben Experten-Know-how auch Anwendungsbeispiele aus der Praxis. Analystenhäuser wie die Aberdeen-Group haben Frameworks entwickelt, mit deren Hilfe sich die Chancen und Risiken einer RFID-Einführung abschätzen lassen sollen. Spezielle Messen und Beratertage bieten vor allem die Möglichkeit, sich mit anderen Interessenten über ähnlich gelagerte Interessen und Probleme auszutauschen.
Hilfe! Standards!
Dazu zählt nach wie vor das Thema Standards. Jens Philip Calderbank, Vice President Europe der EPC Group Ltd., ebenfalls ein ausgewiesener RFID-Experte, hat eine Liste von Top-Mythen im RFID-Umfeld aufgestellt. Für Ihn gehört zweifelsfrei die Behauptung dazu, es gebe keine Standards. Er verweist auf entsprechende EN- und ISO-Normen sowie auf den Electronic Product Code, dessen zweite Generation nun umgesetzt wird. So vereinbarten erst im Januar dieses Jahres der RFID-Chiphersteller Texas Instruments und der Tag-Fabrikant Impij aus Seattle interoperable EPC-Gen2-Produkte zu entwickeln.
Die Entwicklung des Produktcodes und seine Implementierung in Funkfrequenzen, IT-Architekturen und Normen liegt in der Verantwortung von EPC Global, einem Joint Venture von EAN International und des Uniform Code Council. Gegründet wurde es 2003, als das Auto-ID Center des Massachusetts Institute of Technology (MIT) seine Arbeit daran beendete. Seit 1999 schon hatte das Auto-ID Center gemeinsam mit mehr als 100 Anwenderunternehmen, RFID-Herstellern und dem US-Verteidigungsministerium die Schnittstellen Protokolle ‘Class 1’ und ‘Class 0’ entworfen, das Nummerierungsschema des EPC, sowie eine Netzwerkarchitektur, die es erlaubt, mit Hilfe des Internet Informationen der mit Tags gekennzeichneten Ware zu sammeln und auszuwerten.
“Es scheint tatsächlich so zu sein, dass sich die EPC-Kennzeichnung zu dem Standard für Handel und die Pharma-Industrie entwickelt”, sagt Professor Elgar Fleisch, RFID-Pionier von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Doch für andere Branchen fehlten vergleichbare Spezifikationen. Dazu ein Beispiel: In den USA und Europa sind unterschiedliche Frequenzen verbreitet und erlaubt. So wird sich in Europa für RFID vermutlich der Hochfrequenzbereich (HF) 13,56 Megahertz durchsetzen. Hier beträgt die Reichweite etwa 1,2 Meter, der Marktanteil liegt bei etwa 17 Prozent und es gibt bereits ISO-Normen: 15693 und 14443 A+B+C.
In den USA dagegen scheint sich Ultra High Frequency (UHF) zu etablieren. Hier liegt der Frequenzbereich bei 868 bis 915 Megahertz, der Marktanteil bei 6 Prozent und die Reichweite bei 3 Meter. Zudem fehlt eine UHF-Normierung, so dass in Amerika die Frequenz 915 populär ist, in Europa aber die Funkfrequenz 868; in Japan war UHF erst gar nicht zugelassen.
Service als Ausweg für fehlende Standards
Fleisch gibt zu bedenken: “Eine RFID-Lösung, die keinem Standard genügt, ist so effektiv wie ein Haustelefon im internationalen Geschäft.” Der Nutzen einer RFID-Lösung wird umso höher sein, jede durchgängiger ein Prozess damit unterstützt wird. Doch das Risiko steigt damit vielfach ins Unkalkulierbare, zum Beispiel wenn viele Partner in den Prozess involviert sind. So gebe es viele gute Gründe, RFID in Krankenhäusern zu verwenden. Doch die Projekte kämen erst gar nicht zustande, weil zu viele Partner mit zu unterschiedlichen Interessen an einem Strang ziehen müssten.
Für einige Industrie- und Handelsunternehmen bietet die Seeburger AG seit einem Jahr schon einen Ausweg an. Der Integrationsspezialist aus Bretten in Baden-Württemberg stellt seine Logistik-Plattform Herstellern, Transporteuren und Händlern als ASP-Modell (Application Service Providing) bereit. Für die Technik der RFID-gestützten Logistikkette sorgt der Dienstleister, die Betriebskosten verteilen sich nach Nutzungsgrad auf die Teilnehmer.