RFID: “Das gesamte Risiko lastet auf den Anwenderfirmen”

Infineon-Experte Bodo Ischebeck über die Tücken des RFID-Einsatzes

Wenn es sich um Radio Frequency Identification (RFID) handelt, geht Infineon über seine Rolle als Chiphersteller hinaus. So eröffnete der Halbleiterfabrikant im Frühjahr des vergangenen Jahres in Graz ein RFID-Zentrum. Zudem ist das Unternehmen Anwender. Sowohl ein Großteil seines Distributionsprozesses als auch Abläufe in den Reinräumen der Wafer-Fertigung basieren mittlerweile auf RFID. Bodo Ischebeck, Senior Director und General Manager im Infineon-Bereich Ident-Solutions, ist Experte und Missionar in Sachen RFID.

silicon.de: Worin besteht das größte Hemmnis bei der Einführung von RFID-gestützten Prozessen? Sind es die Kosten für das Equipment, also für Tags und Reader beispielsweise? Oder sind es die fehlenden Standards?

Ischebeck: Wenn ein mit RFID-Tags ausgestattetes Gut das Haus verlässt, muss ein Unternehmen auf Standards setzen. Es sei denn, ein Unternehmen hat die Marktmacht eines Branchenprimus wie Wal-Mart. Der kann den Geschäftspartnern vorschreiben, wie die Implementierung, das Datenformat und das Protokoll auszusehen haben. Oder es gibt nur wenige Player in dem Segment, etwa die Luftfahrt mit Airbus und Boeing, die Konventionen beschließen können. Doch gemeinhin lassen Einigungen bezüglich Protokolle, Datenformate, Chip-Design, Anti-Kollionsverfahren und Schnelligkeit leider auf sich warten. Zum Beispiel gibt es drei Chiphersteller, die den HF-Standard ISO 15693 unterstützen: Infineon, Philips und Texas Instruments. Trotzdem lassen sich die Tags nicht miteinander kombinieren oder einfach einmal austauschen. Denn die Protokolle sind zwar identisch, aber sie verhalten sich anders. So kann es passieren, dass plötzlich statt fünf nur drei Kartons fehlerfrei gelesen werden. Da wundern sich alle und die Fehlersuche geht los. – Solche Fälle passieren ganz oft. Die Datenformate auf dem Chip waren bisher schlichtweg nicht ISO-standardisiert. So blieb es jedem Hersteller überlassen, wie er den Speicherbereich nutzen wollte. Das ändert sich erst jetzt mit der zweiten Generation des Electronic Product Code (EPC).

silicon.de: Wie steht es mit den Chip-Kosten? Die Schallgrenze für passive Funkchips auf jedem Einzelhandelsartikel soll bei 0.05 Cents liegen. Da sind die Produzenten inklusive Infineon noch lange nicht angekommen.

Ischebeck: Ja, das mag für den Handel stimmen. Doch schauen Sie einmal auf den Einsatz von Smart Tags in Logistik oder in der Produktion. Hier spielen die Kosten für die Chips, aber auch für die Reader, eine nachgeordnete Rolle. Durch den Einsatz von Funketiketten sollen sich etwa im Transitverkehr Einsparungen von 30 Prozent ergeben, sagen diverse Marktforscher und Beratungsunternehmen, weil sich etwa ein höherer Grad an Automatisierung erreichen lässt und der Personaleinsatz reduziert werden kann. In solchen Fällen erscheint der Aufwand für die RFID-Komponenten ein Klacks. Ohnehin kosten die Schreib/Lesegeräte nicht mehr viel. Wenn also bei der Implementierung festgestellt werden sollte, dass noch ein weiterer Reader benötigt würde, krähte kein Hahn danach. In der Fertigung sind die Geräte sowieso nach drei Jahren abgeschrieben. Das wirkliche Problem besteht vielmehr darin, dass sich die RFID-Technik rasend schnell weiter entwickelt und Anpassungen in der IT händisch vorgenommen werden müssen.

silicon.de: Warum manuell? Es handelt sich um Anwendungen für Computer …

Ischebeck: Es gibt keine einheitliche Reader-Architektur und es fehlt eine Device Management Platform. Somit erfordert jede Änderungen in der Hardware, im Protokoll, im Antennen- und Chip-Design eine Neuprogrammierung der Software. Die Reader sind zu dumm. Sie müssten netzwerkfähig werden, indem sie ein RFID-Betriebssystem bekommen.

silicon.de: Wie oft kommt es denn vor, dass die RFID-Komponenten ausgetauscht werden?

Ischebeck: Infineon hat ein paar Bibliotheken mit RFID-Technik ausgestattet. In einem Fall hatten wir bei den Readern innerhalb von drei Jahren 13 Updates durchzuführen. Das stellen Sie sich einmal in einer Infrastruktur mit Tausenden Readern vor.

silicon.de: Ein Reader müsste also funktionieren wie ein PC?

Ischebeck: Ja. Nur die Reader-Hersteller werden bereits durch die ständig neuen Übertragungsstandards in Atem gehalten. Die haben keine Luft, Rechnertechnik einzubauen – und häufig auch nicht das Know-how.

silicon.de: Dann reicht es vielleicht, einen billigen industrietauglichen PC vorzuschalten?

Ischebeck: Ja – aber, das hören weder die Anwender noch die Hersteller gerne. “PC” – das suggeriert Probleme wie Virenbefall.

silicon.de: Sun Microsystems arbeitet gemeinsam mit Reader-Herstellern an einem Java-kompatiblen Betriebssystem.

Ischebeck: Das ist, glaube ich, ein richtiger Weg. Jedenfalls müssen IT-Probleme und RFID-Komponententechnik entkoppelt werden – durch eine Mittelschicht.

silicon.de: Ist das gleichzusetzen mit Middleware, wie sie IBM mit einer Websphere-Erweiterung und SAP mit der Auto-ID-Infrastruktur anbieten?

Ischebeck: Nicht ganz. Die Angebote der Software-Lieferanten reichen nicht bis an die Hardware heran. Das führt dazu, dass, wenn sich Komponenten in der RFID-Infrastruktur ändern, die Administratoren mit jeder Menge Treiber-Disketten durch die Gegend laufen müssen.

silicon.de: Aber Infineon hat die Lösung …

Ischebeck: Klar. Wir bieten mit ‘You R Open’ ein spezielles Betriebssystem an. Mit diesem wird ein echtes Device Management möglich. Die Angebote von SAP und anderen reinen IT-Anbietern reichen für ein Pilotprojekt. Für den Betrieb brauchen Anwenderfirmen ein Betriebssystem.

silicon.de: Nun scheuen aber viele Firmen nach wie vor die Einführung.

Ischebeck: Das verstehe ich. Denn das gesamte Risiko lastet auf den Anwenderunternehmen.

silicon.de: Die Seeburger AG hat ein Service-Konzept entwickelt, das erlaubt, RFID- und passende IT-Infrastruktur zu mieten. Ist das Angebot nicht besser als jedes Betriebssystem?

Ischebeck: Das Seeburger-Angebot ist gut, denn hier trägt ein Anbieter das Risiko für komplette RFID-Infrastruktur. Wir würden mit Seeburger zusammenarbeiten. Allerdings – noch fehlt die Kundschaft für eine solche Dienstleistung.

Das Gespräch führte Ulrike Ostler

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