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Wiki an der Playa

In der Bauchlage beispielsweise. Eine Hand im heißen, schwarzen Sand. Und vom Meer her das einschläfernde Geräusch von am Strand auslaufenden Wellen.

Dass man nicht tatsächlich einschläft, liegt an einem plärrenden Plag in unmittelbarer Nähe. Warum es plärrt, erschließt sich einem nicht: Es plärrt auf Spanisch.

Derart des Schlafs beraubt, denkelt man etwas vor sich hin… über den Fortschritt als solchen. Dass man jetzt an der Playa de los Cancajos auf La Palma liegt, hat mit Fortschritt zu tun.

Man geht einfach zu einem Last-Minute-Schalter am Flughafen, schaut, was im Angebot ist, und bucht eine jener preiswerten Reisen an einen der vielen wunderschönen Orte, von deren Existenz man zuvor nie etwas gehört hatte.

Solche Billigreisen seien ökologisch sehr bedenklich, machen Kritiker dagegen geltend. Fortschritt sei nun mal etwas sehr Ambivalentes. Es ist dies allerdings ein Einwand, der vor allem von Seiten kommt, wo man sich eher praktische Gedanken über Reisepreise noch nie hat machen müssen.

Mainframes sind es, mit deren Hilfe der Massentourismus organisiert wird, Großrechner, an die Tausende von Terminals in den Reisebüros angeschlossen sind. Der Mainframe ist Teil des technischen Fortschritts.

Das Handy ebenfalls. Wegen der Kinder lässt man es ja auch im Urlaub immer angeschaltet. Und deswegen klingelt es, als man – doch schon sehr beeindruckt ob der imposanten Vulkaninsel – vom 2426 Meter hohen Roque de los Muchachos auf das keine zehn Kilometer entfernte Meer blickt. Eine SMS: “Vodafone begrüßt Sie in Spanien…” Ja, auch sowas bringt der Fortschritt mit sich.

Die Welt wird kleiner durch ihn. Vieles ist überall gleich. Und deshalb greifen, als irgendwoher Mozarts G-Moll-Symphonie quäkst, in der Bodega in Los Llanos de Aridane Trinker aus sieben Nationen und von zwei Kontinenten zu ihren Mobiltelefonen.

Jeder hat heute ein Handy. Und viele die G-Moll-Symphonie als Klingelton. Überall auf der Welt.

Hingegen benutzt kaum noch jemand einen Taschenkalender. Jene in Kunstleder gebundene Heftchen, die Firmen früher in der Vorweihnachtszeit verschenkt haben. Und über die Feiertage hat man dahinein dann immer das Adress-Verzeichnis aus dem Exemplar des Vorjahres übertragen.

In den Ferien war so ein Taschenkalender insoweit hilf- und lehrreich, als dass sich im Anhang neben besagtem Verzeichnis meist auch noch eine Deutschland-, eine Europa- und eine Weltkarte befanden. Das lieferte doch schon einige Basisinformationen über den Urlaubsort.

Heute nimmt man statt dessen einen PDA. Da braucht man zum Jahreswechsel keine Adressen mehr zu übertragen.

Und anstatt an viele aus dem Taschenkalender-Adressverzeichnis eine Ansichtskarte zu schreiben, schreibt man nur eine Mail, schickt sie aber an viele aus dem PDA-Verzeichnis. Dann wissen alle, dass das Wetter schön und das Frühstück reichhaltig ist.

Und das Beste: Zu PDAs gibt es für wenig Geld Speichererweiterungen. Ein halbes Gigabyte reicht, um Wikipedia überallhin mitzunehmen – auf den Roque de los Muchachos, nach Los Llanos de Aridane und an die Playa de los Cancajos beispielsweise.

Zu jedem dieser Orte steht was in Wikipedia. Und zu allem, was einem an diesen Orten in den Sinn kommt.

An der Playa de los Cancajos etwa fragt man sich, wie diese wunderbaren Tiere denn zoologisch einzuordnen sind, die dort an einer Küchenbude in Knoblauch gebraten angeboten werden. Die Antwort: Garnelen gehören zur Ordnung der Zehnfußkrebse. Für Verwirrung sorgt etwas, dass für kleinere Garnelen noch die Handelsbezeichnungen Shrimps, Scampi und Crevetten gebräuchlich sind und für einige andere der Begriff Krabben, obwohl es sich dabei eigentlich um eine eigene zoologischen Kategorie handelt.

Das alles findet man in dem halben Gigabyte PDA-Wikipedia. Und es ist eine Frage, die einen an der Playa de los Cancajos doch sehr interessiert.

Da ist es gut, den PDA dabei zu haben. Der stillt den Wissensdurst unmittelbar vor Ort. Der Mensch lebt schließlich nicht von Brot, Garnelen und Knoblauch allein.

Und die Sache mit dem Fortschritt als solchem interessiert natürlich: Welches Gerät trägt wohl am meisten dazu bei? Das Mobiltelefon? Der Mainframe? Oder der PDA? – Eigentlich klar. Darüber braucht man nun wirklich nicht groß und vor allem nicht angestrengt nachzudenken.

Außerdem wird das nächste Wochenende anstrengend genug. Im PDA-Kalender steht die internationale Wikipedia-Konferenz in Frankfurt.

Schön, das einschläfernde Meeresrauschen! Und das Plag hat jetzt auch aufgehört zu plärren.

Silicon-Redaktion

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