Von ID-Bändern und Keyholdern
Gerne wird ja über die Sprache in der Computerei geklagt. Dieses Denglisch aber auch! Oft ist es wirklich nicht sehr schön.
Manchmal hingegen bereichert es sogar jene wunderbare Sprache, in der dareinst Martin Luther, Johann Wolfgang von Goethe und Karl Marx geschrieben haben. Letzterer etwa zeigte sich im Kapital (MEW Bd 23, S.50) sehr angetan von den Differenzierungsmöglichkeiten im Englischen, “einer Sprache, die es liebt, die unmittelbare Sache germanisch und die reflektierte Sache romanisch auszudrücken”.
Und so ähnlich verhält es sich bei der mit EDV-Fachbegriffen angereicherten Gegenwartssprache: Das Unmittelbare wird auf Deutsch, das die IT betreffende mit eingedeutschten englischen Begriffen ausgedrückt.
Kein Mensch wird etwa seine Socken patchen. Abgesehen davon, dass der englische Ausdruck dafür “to mend” heißt. Regelmäßig patchen sollte man hingegen Windows. Was ja auch sehr viel löchriger ist als Socken: Gleich ein halbes Dutzend Patches hat Microsoft diesen Dienstag wieder ins Netz gestellt.
So kennt denn auch der Duden mittlerweile derart schöne neue Verben wie “booten”, “downloaden” und “mailen”. Was man dort hingegen vergebens sucht, ist ein “@Mund-T-Shirt”.
Fündig wird man da nur im Online-Shop für CSU-Werbemittel in der Abteilung “Stoiber-Artikel”. Bei Menschen, die ihre Muttersprache lieben, erzielt ein Besuch in einem derartigen Shop die gleiche Wirkung wie eine Fahrt mit einer gut gemachten Geisterbahn.
Für die bayerische Unionsschwester wirbt ein “CSU Unterstützer Team” mit dem Slogan “Wir für den Wechsel.” Was zwar kein ganzer Satz ist, aber geschickt das weißblaue Hochgefühl (“Mir sann mir.”) für das Ziel vereinnahmt, Leute wie Stoiber und Beckstein aus München weg und nach Berlin zu bringen.
Auch die CDU hat so eine Unterstützergruppe gegründet. Die heißt “teAM Zukunft”. Einen Begriff, den nur durch die eh schon legasthenische Microsoft-Rechtschreibprüfung zu bringen, es einiger Tricks bedarf. Mit der Schreibweise soll sicherlich auch etwas assoziiert werden. Was allerdings, ist nicht so recht klar. Möglicher Weise soll es irgendwie nach Internet und modern klingen.
In den TCP/IP-basierten Devotionalien-Läden zeigt sich übrigens, wie uneins die künftige Regierungskoalition ist. Ein Bändel mit Parteilogo und Karabinerhaken wird von der CSU unter der schlichten Bezeichnung “Umhängeband” angeboten. Bei der CDU heißt er “ID-Band” und bei der FDP – ganz kosmopolit – “Keyholder”.
Aber immerhin verfügen die bürgerlichen Parteien über wohlsortierte Online-Shops. Die SPD hingegen offeriert so absonderliche Dinge wie einen beidseitig bedruckten Bierdeckel. Der soll suggerieren, man könne es drehen und wenden, wie man will, immer sei die SPD oben.
Es ist ein Artikel für den politischen Sommerschlussverkauf. Der muss raus bis zum 18. September. Danach geht er bestimmt nicht mehr.
Überhaupt sollte man Politikern keine Bierfilzl geben. Sonst reden die nur noch Unsinn. Erst der Merz und jetzt die Sozialdemokraten.
Die Grünen lassen Nicht-Parteimitglieder erst gar nicht rein in ihren Wahlkampf-Laden im Web. Wird wohl auch besser so sein.
Und dann erst die PDS. Oh je! Eigentlich fällt bei diesem Sponti-Verein ja wirklich nur noch Jörg Schönbohm ein, dass es sich dabei irgendwie auch um die SED-Nachfolgepartei handeln muss. Aber im Shop auf solialisten.de kommt’s raus: Sie sind’s wirklich.
So sieht Mangelwirtschaft aus. Motto: Keine Papierfähnchen gibt’s ein paar Seiten weiter. Hier gibt’s keine Kugelschreiber.
“Bonbons mit PDS-Werbung” sind aber wohl gerade lieferbar – in 1-Kilo-Packungen. “Verschiedene Sprüche” heißt es ergänzend. Das ist eigentlich sehr treffend formuliert: Um Sprüche geht’s vor allem in den nächsten 37 Tagen.
Die schönsten hat natürlich die CSU. Weil deren Sprüche so ganz und gar nichts mit ihrer Politik zu tun haben. Ein besonders gelungener steht auf einem “Seitenscheiben-Sonnenschutz”. “Sommer, Sonne, Bayern” lautet er. Da mal jemand was dagegen.
Für die Zeit nach der Wahl ist wohl ein anderer Werbeartikel gedacht. Ein “Eiskratzer”. Wenn das kein Omen ist. Aber auch da steht ein gefälliger Spruch drauf: “Durchblick – CSU näher am Menschen”.
Die kleinere der künftigen Regierungsparteien hat ein Plakat mit “Mehr Mut, mehr FDP” im Angebot. Abgebildet darauf ist Guido Westerwelle. Ja, doch. Mut braucht man, vor allem wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Porträtierte wohl bald Minister wird.
Sie hinterlässt ein ungutes Gefühl, so eine Surftour durch die “eShops” – so nennt’s die CDU – der Parteien. Aber man ist danach um ein paar Erkenntnisse reicher. Eine davon lautet: Man braucht gar keine so komplizierten Themen wie den Cache kohärenten non-uniformen Memory-Access, das Multithreading oder das Vektor-Computing, um sich verquer auszudrücken.
Und dann fällt noch auf, dass es in den Sprüchen der Parteien kaum Verben gibt. Nicht nur die neuen denglischen wie patchen, downloaden oder booten sucht man vergebens.
Auch althergebrachte, schlichte finden sich selten. Sein oder haben beispielsweise. Oder tun und machen.
Aber das ist eigentlich gar nicht verwunderlich. Mit einem Verb bildet man schließlich das Prädikat eines Satzes. Das deutsche Wort dafür ist Satzaussage. Na ja, und um Aussagen geht’s ja nun wirklich nicht.