Arbeitslosigkeit, Bildungsmisere, Steuerreform, Rentenpolitik – spätestens seit Bundespräsident Horst Köhler am 21. Juli Neuwahlen angekündigt hat, ist Deutschland wieder fest in der Hand von Wahlkampfparolen. Diese leben naturgemäß von großen Gesten, Schlagworten und Visionen – die ITK-Branche nimmt auf dieser wortgewaltigen Bühne zwar keinen großen Platz ein, doch keine Partei kann es sich mehr leisten, den innovationskräftigen Wirtschaftszweig zu ignorieren. Genau hingucken muss man allerdings schon. Und auch was dann zu Tage kommt ist bisweilen – sagen wir mal – erstaunlich.
Im Bundeswirtschaftsministerium findet sich beispielsweise erst nach hartnäckigem Nachfragen ein Ansprechpartner zum Thema. Ein näherer Blick auf die Zuständigkeiten erklärt dieses Phänomen. So wurde das 2003 vorgestellte Aktionsprogramm ‘Informationsgesellschaft Deutschland 2006’ gemeinsam vom Wirtschafts- und vom Bildungsministerium ausgearbeitet. Staatssekretär Alfred Tacke, der für das Projekt im Wirtschaftsministerium verantwortlich war, bekleidet inzwischen eine Führungsposition in der Wirtschaft. Seinen Aufgabenbereich im Ministerium hat Bernd Pfaffenbach übernommen.
Andererseits gehört der Bereich Informationsgesellschaft auch in den Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministeriums (BMI). Das Ministerium kümmert sich nach eigenen Angaben um “die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in der Informationsgesellschaft “. Das Innenministerium ist auch dafür zuständig, “dass Verwaltungsprozesse schneller und effizienter werden – zum Beispiel mit Hilfe der Initiative BundOnline”.
Im Ausschusssystem des Deutschen Bundestags zu guter Letzt taucht der Bereich ‘Neue Medien’ als Unterausschuss des Ausschusses für Kultur und Medien auf. Als Querschnittsgremium gehören dem Unterausschuss Mitglieder verschiedener Ausschüsse an – die Bandbreite der Agenda reicht vom Jugendmedienschutz über Spam und Open Source bis zur Modernisierung des Datenschutzrechts. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar übrigens gehört zu den Beauftragten des Innenministeriums. Wen mag es da noch wundern, wenn Neugierige im Dschungel der Warteschleifen fast verloren gehen.
Innovationsminister ohne Zukunft
Eine einheitliche Instanz in Form eines Innovationsministers – wie kürzlich vom Branchenverband Bitkom vorgeschlagen – lehnen die großen Parteien dennoch einmütig ab. “Nach meiner Erfahrung hat sich die bisherige Arbeitsteilung und Abstimmung in der Informations- und Kommunikationstechnologie-Politik der Bundesregierung bewährt”, so Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach im Interview mit silicon.de. “Wir brauchen keine neuen Behörden oder Ministerien”, sagte uns auch die Internet-Beauftragte der CDU, Martina Krogmann.
Das ist dann aber auch schon das Ende der Gemeinsamkeiten. Die Bundesregierung habe in den vergangenen sieben Jahren zu keiner Zeit ein stringentes politisches Konzept erkennen lassen, so der Vorwurf der Unions-Politikerin. “Unabgestimmte Einzelmaßnahmen der verschiedenen Ministerien mit ungeklärten Zuständigkeiten, viel zu lange Entscheidungsprozesse und fehlender Mut für notwendige Reformen haben die IT-Branche in vielen Bereichen blockiert.”
Die SPD wiederum bezeichnet sich in ihrem Wahlprogramm als “Partei des technischen Fortschritts” und pocht auch ansonsten auf bereits vollbrachte und noch zu erwartende Leistungen. Pfaffenbach verweist insbesondere auf die Bereiche Breitband, Mobilfunk und eGovernment. Als Ziele im Aktionsprogramm der Bundesregierung wurden nämlich unter anderem cirka sieben Millionen Breitbandanschlüsse und eine Handynutzung von rund 80 Prozent der Bevölkerung bis 2004 genannt. Tatsächlich besitzen inzwischen rund 78 Prozent der Deutschen ein Handy, die Zahl der Breitbandanschlüsse liegt bei 8,5 Millionen.
Diese Zahl bedeutet freilich auch, dass hierzulande gerade mal 16 Prozent der Bevölkerung über einen Breitbandanschluss verfügt. Im internationalen Vergleich hat Deutschland damit eine unterdurchschnittliche Marktdurchdringung, wie ein Blick in die Nachbarländer zeigt. In den Niederlanden verfügen 41 Prozent der Haushalte über einen Breitbandanschluss, in der Schweiz 37 Prozent und in Belgien 35 Prozent.
Wahlkampf mit Breitband
Tatsächlich ist das Thema einer der wenigen IT-Schwerpunkte, das den Weg in den Wahlkampf geschafft hat. Es gebe noch ein “Potential in der Bevölkerung, das die Neuen Medien nicht nutzen” können, weil vor allem im ländlichen Raum Breitbandanschlüsse nicht flächendeckend vorhanden seien, sagte deshalb Kanzlerkandidatin Angela Merkel bei der Eröffnung des Deutschen Multimedia Kongresses in Berlin: “Wir brauchen mehr Investitionen im IT-Bereich.” Bundeskanzler Gerhard Schröder – der sich im Frühling gern im Glanz der CeBIT sonnt – hat in diesem Turbowahlkampf bisher zum Thema geschwiegen.
Page: 1 2
Einsatz von KI-Lösungen wirbelt auch in deutschen Unternehmen die Liste der Top-Technologieanbieter durcheinander.
Echtzeitüberweisungen erfüllen die Erwartungen der Nutzer an Geschwindigkeit, sind jedoch anfällig für spezifische Sicherheits- und…
Application Portfolio Management (APM) verspricht Transparenz, mehr IT-Leistung und Effizienz – theoretisch.
Im Berichtszeitraum Mitte 2023 bis Mitte 2024 wurden täglich durchschnittlich 309.000 neue Schadprogramm-Varianten bekannt.
KI kommt in der Cybersicherheit zum Einsatz, etwa um Abweichungen im Netzwerkverkehr zu identifizieren. Ist…
Ungepatchte und veraltetete Maschinen-Software ist ein beliebtes Einfallstor für Hacker, warnt Nils Ullmann von Zscaler…