400.000 Bestands- und potentielle Kunden der Entertainment- und der Mobilfunkindustrie. Na, wenn das kein üppiger Ersatz für den Verlust der Popkomm von vor zwei Jahren ist! Ganz Köln hat sich denn auch auf diese zukunftsträchtige Zielgruppe eingestellt.
Der örtliche WDR etwa hat eigens für den Jugendtag “WAP-Dienste und einen mobilen Ticker für den Empfang von Informationen über Mobiltelefone eingerichtet”. Wie das Wetter während der Gottesdienste wird, können die jungen Christenmenschen so vorab erfahren. Ja, doch, sehr bemüht.
Mit deutlich mehr Enthusiasmus machen sich allerdings die Privaten an die Schäflein ran. Denn die wissen: “Wer da hat, dem wird gegeben werden; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat.” (Lukas, Kap. 19, Vers 26).
Besonders zu Herzen genommen haben sich die Macher von RTL diese Botschaft. In ihrem Handy-Shop bieten sie rechtzeitig zum Weltjugendtag das “Halleluja”, das “Kyrie Eleison” und das “Venimus Adorare Eum” als Klingeltöne an – monophon, polyphon und in Real-Sound-Qualität.
Allerliebst anzuschauen sind auch “göttliche Bilder”, wie sie bei RTL heißen. Die werden als Handylogos offeriert werden. – Nein, damit sind nicht die “RTL-Girls” gemeint, zu denen von dieser Seite des Online-Shops verlinkt wird. Die gibt’s zwar auch als Logos. Aber das ist ein ganz anderes Marktsegment.
Zu den Jugendtags-bezogenen Hintergrundbildern fürs Mobiltelefon gehören vielmehr das “Motiv Kreuz”, das “Motiv Glocke” und das “Motiv Segen”. Letzteres besteht aus einem animierten Comic-Papst und dem Schriftzug “Ich segne dich!!!!”.
Das absolute Highlight im M-Commerce-Devotionalienladen aber ist die “Handy-Bible”. Genauer gesagt, das Neue Testament zum Herunterladen aufs Mobiltelefon. Für die gesamte Heilige Schrift reicht nämlich der Speicher nicht.
So könne man aber doch “in netter Runde mit einem Bibelzitat brillieren”, erläutert RTL-Sprecherin Simone Danne. Und besonders praktisch sei die Handy-Bible als Nachschlagewerk für Theologiestudenten.
Für diesen Vorschlag sei ihr Psalm 50, Vers 19 ans Herz gelegt: “Deinen Mund lassest du Böses reden, und deine Zunge treibt Falschheit.” Oder warum soll denn ein Theologiestudent ausgerechnet auf seinem Handy Bibelstellen nachschlagen? – 3,99 Euro kostet der digitale Spickzettel.
Sehr kostengünstig hingegen ist in Köln die Vergebung der Sünden zu haben. Wer übermorgen an der Abschlussmesse teilnimmt, ist sie völlig los. Wer am Wochenende was anderes vor hat, aber schon mal während der Woche vorbeigeschaut hat, der bekommt immerhin einen Teil erlassen. Das hat der Heilige Vater so verfügt.
Ablass for free! Die Kirche hat gelernt, dass das Geschäftsmodell, das sie vor 500 Jahren in dem Business verfolgt hat, doch äußerst riskant war. Damals finanzierte sie damit den Bau des Petersdoms. Und in Deutschland kam es deswegen zu einem folgenschweren Zwischenfall mit einem Wittenberger Mönch.
Das aber gehört der Vergangenheit an. Heute tragen alle zum Gelingen des katholischen Weltjugendtages bei. Die Pressemitteilungen an den frommen wie auch den ungläubigen Teil der Journaille zeugen davon: “Weltjugendtag: T-Mobile und Nokia unterstützen Team mit Push-to-Talk”, ist eine überschrieben.
Eine andere: “Luftwaffe unterstützt den Weltjugendtag in Köln.” Gott sei Dank nur, indem “das in Kerpen und Nörvenich nahe des Marienfeldes stationierte Jagdbombergeschwader 31 ‘Boelcke’ … das gesamte Rollfeld des Fliegerhorstes als Parkplatz für bis zu 1000 Busse” zur Verfügung stellt.
Sehr erfreulich auch der Beitrag des Bauer-Verlags. In ihrer aktuellen Ausgabe bringt Deutschlands bekannteste Jugendzeitschrift ein “Mega-Poster” des Heiligen Vaters. “Bravo berichtet über Stars, und für viele Jugendliche in Deutschland ist Papst Benedikt XVI. ein Star”, erklärt Chefredakteur Tom Junkersdorf, weshalb seine Wahl diesmal auf ein etwas ältliches Pin-up fiel. Vielleicht werden ja dem Dr. Sommer dafür auch ein paar Sünden erlassen.
Von Radio Vatikan kann man sich ein Interview mit dem Heiligen Vater zum Kölner Event herunterladen – ganz zeitgemäß als bxvi_deu.mp3. Auf dieser Site stellt man dann wieder einmal fest, dass jedes Business doch seine eigene Sprache hat.
Das mit dem Seelenheil der Consumer übt sich in der Artikel-Askese: “Bode: ‘Fragen an Kirche möglich'”, ist etwa die Meldung überschrieben, der deutsche Jugendbischof Franz-Josef Bode teile nicht die Ansicht des Kölner Kardinal Meisner, Kirchenkritiker wie Hans Küng und Eugen Drewermann hätten nichts auf dem Weltjugendtag verloren. “Meisner: Gott schützt vor Katastrophe”, lautet wiederum die Headline einer Meldung über die Ansichten des Kölner Oberhirten.
“Eine ganz tolle Aktion”, befindet der übrigens über einen Klassiker der Artikel-Abstinenz: Die Bild-Zeitung verteilt in Köln ihre seinerzeitige Headline “Wir sind Papst” als Sticker. Ja, “Geben ist seliger als nehmen” (Lukas, Kap. 20, Vers 35). Vor allem dann, wenn es sich bei der Gabe um einen Pfennig-Artikel handelt.
Auch der Kardinal pflegt eine eigene Sprache. Ihm ist alles metaphysisch. Im dpa-Interview erklärte er, die “heutigen Jugendlichen” seien “metaphysisch obdachlos”, die Wahl Ratzingers “ein metaphysisches Erdbeben” und Eltern aus der 68er Generation “metaphysische Asylanten”.
Und die Youngsters selbst? Die haben mal wieder nur eins im Kopf. Oder wie es der 18-jährige Andreas – zitiert von der Mittelbadischen Presse – formuliert: “Spaß und Glaube vertragen sich.”
Ja, ja, Andreas. Wenn der Spaß im schicklichen Rahmen bleibt und sich aufs Simsen und das Downloaden von Papst-Interviews beschränkt, dann schon. Aber nicht die Sache mit der Nächstenliebe so wörtlich nehmen! Gell? Oder wie’s der Herr Kardinal sagen würde: Immer schön metaphysisch bleiben!
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