Die Rechts(un)sicherheit bei Open Source
Das Schreckgespenst ruinöser Klagen vergällt den Einsatz freier Software. Die sind jedoch für den Anwender zumindest in Deutschland unwahrscheinlich.
“Warten Sie nicht auf Gesetze, wenn Sie etwas tun wollen, sondern tun Sie es und vertrauen dann darauf, dass die Gesetzgebung angepasst wird.” Diese Anpassung, die Thomas Uhl, Chairman der GSE Deutschland, hier verspricht, hat der Gesetzgeber in Deutschland bei Open-Source-Software bereits hinter sich. Das Landgericht München hat in einem Urteil das Lizenzmodell anerkannt, das Open Source zu Grunde liegt. Dennoch herrscht nach wie vor unter den Anwendern eine gewisse Rechtsunsicherheit beim Einsatz von Produkten, die auf Open Source basieren.
Das belegt jetzt auch eine Befragung der Guide Share Europe (GSE), also der IBM Nutzervereinigung. Unter 400 Mitgliedern in Deutschland hat die Organisation die Befragung ‘GSE-Blitzlicht 2005 – Open Source’ durchgeführt. Über 60 Prozent der Anwender aus 241 Unternehmen erklärten, dass die Frage der Rechtssicherheit für sie wichtig ist, für 67 Prozent hat dieses Thema zudem Einfluss auf die Entscheidung für den Einsatz von Open Source.
Daher begrüßen die Nutzer beispielsweise die Programme von Novell und Red Hat, mit denen die Hersteller den Anwendern eine Haftungsfreistellung zubilligen, wie Uhl bei der Präsentation der Umfrage im Rahmen der LinuxWorld Conference und Expo erklärte. Für 83 Prozent der Verantwortlichen stellen diese Garantien eine Erleichterung dar.
Woher rührt aber diese Verunsicherung? Sicherlich hat der Fall SCO gegen IBM dazu beigetragen. Aber “grundsätzlich gibt es bei Fragen der Haftung und Gewährleistung keinen Unterschied zwischen proprietärer und Open-Source-Software”, wie Till Jaeger, Rechtsanwalt und Experte für Rechtsfragen für Open Source bei der Münchner Kanzlei Jaschinski Biere Brexl, erklärte. Haftung und Gewährleistung seien daher eigentlich kein Thema der freien Software.
“Der Umfang von Haftung und Gewährleistung richtet sich nach dem Vertriebsmodell, nicht nach dem Lizenzmodell”, so Jaeger weiter. “Die Frage ist, von wem bekomme ich die Software.” Daher liege das Problem grundsätzlich eher beim Urheber oder im Vertrieb als beim Anwender. Für den Nutzer sei das im Prinzip kein Thema. Jedoch erwirbt der Anwender beim Kauf entgeltlicher Software grundsätzlich mehr Recht auf Gewährleistung als etwa beim Download eines freien Produktes.
Ähnlich wie Haftung und Gewährleistung ist laut Jaeger auch das Thema Softwarepatente zu behandeln. Auch hier sind freie und proprietäre Produkte gleichermaßen betroffen. Denn in einem Patent sei immer nur ein Verfahren, niemals aber ein bestimmtes Programm geschützt – auch wenn die Software beim Verfahren eine tragende Rolle spielt. In der Praxis kommen derzeit Produkte, die auf Open Source basieren, sogar besser weg als proprietäre Software. “Microsoft etwa hat derzeit 24 Patentklagen am Hals, bei Linux ist mir keine bekannt”, kommentierte Jaeger.
Aber zuerst die gute Nachricht für alle Privatanwender: Die sind vom Patentschutz ausgenommen. Das bedeutet, dass jeder Bastler zu Hause in der Garage Patente für seine Experimente nutzen kann. Das gleiche gilt auch für Software. Dieser Schutz erlischt aber dann, wenn ein Programm zu gewerblichen Zwecken eingesetzt wird, schränkte Jaeger ein.
Doch auch bei gewerblicher Anwendung ist nicht in erster Linie der Nutzer in der Verantwortung. So sei etwa eine Schadensersatzklage nur möglich, wenn der Anwender vorsätzlich eine Urheberrechtsbestimmung oder ein Patent verletzt habe. “Das ist im Falle von Software sehr unwahrscheinlich, da der Anwender ja über den diffusen Bereich etwa von Softwarepatenten nicht Bescheid wissen kann oder wissen muss”, so Jaeger im Gespräch mit silicon.de.