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Eclipse erobert die Business-Welt

“Trotz aller Vorteile ist Eclipse im Unternehmenseinsatz heute nicht verbreitet, nur geduldet”, weiß Krause. Und genau hier setzt sein Geschäftsmodell mit der Fertig- und Frei-Haus-Distribution an. Doch Eclipse liefern im Pizza-Service-Modus? “Den Firmen, die unsere Distribution kaufen, ist es zuweilen unangenehm, dass sie das tun”, erklärt Krause. Mit mehr als der Hälfte von ihnen mussten wir detailliert vertraglich vereinbaren, ihre Namen nicht zu nennen und die Lösungen nicht so zu beschreiben, dass Rückschlüsse auf ihre Identität gezogen werden können.” Die Entwickler, so sagt er, sind begeistert, aber keine deutsche Großbank würde sich dazu bekennen, obwohl er sich vorstellen kann, dass die eine oder andere von ihnen die Frage prüft, in gewissen Bereichen die Tools zuzulassen. Die Akzeptanzphase hat erst in den letzten anderthalb Jahren begonnen – davor wurde Eclipse “im Keller” eingesetzt.

Unheimlich heimlich

Dass die Kurve steigt, führt er auch auf die Weiterentwicklung der Rich Client Platform (RCP) zurück. Mit ihr können Java-basierte Rich Clients verschiedener Anwendungen entwickelt und unter Windows oder Linux eingesetzt werden. Dabei sieht die Oberfläche immer so aus, wie es der User gewohnt ist. Bis heute wurden 618.000 Downloads gezählt. “RCP bringt genau das, was Eclipse so beliebt macht: Man kann ganz gewöhnliche Applikationen damit entwickeln.” Außerdem bringe sie Zukunftssicherheit in die Geschäftswelt: “Mit RCP als Ebene kann der Anwender zwischen Unix, MacOS, Linux und Windows wechseln.” Allen, die sich mittelfristig mit dem Gedanken tragen, die Client-Plattform zu wechseln, rät er deshalb zu einer RCP. Etwas bekannter ist der Einsatz als Grundlage für IBMs Kollaborationslösung ‘Workplace’. Der ‘Managed Client’ basiert auf Eclipse RCP, die offene Plattform soll auch für Updates verwendet werden, heißt es bei IBM.

Im kommerziellen Umfeld erwartet Krause eine Amortisierungszeit von zehn bis fünfzehn Monaten ab Sommer 2005. Innoopract will hierbei als einer der First Mover gelten und entsprechend Gewinn machen. Doch was wollen die Unternehmen in Deutschland? Krause spricht davon, dass sich immer mehr Großunternehmen die strategische Entscheidung überlegen, die meist aus der IT-Abteilung getrieben wird. Heute bestellen sie bei Krauses Unternehmen vor allem spezielle Architekturprüfungen, Softwarekontrolle oder Hilfe beim Bauen von Add-ons auf Eclipse. “Dabei bringt die Umgebung schon 50 bis 80 Prozent aller Tools, XML-Editoren und UDIs mit, die benötigt werden”, sagt der Geschäftsführer. Uniform Driving Interface (UDI) beispielsweise ist eine Standard-Programmierschnittstelle für Unix-Umgebungen, die von IBM, Hewlett-Packard und SCO unterstützt wird. Sie wird zur Vereinfachung des Designs verwendet, was den Business-Kunden entgegen kommt.

Krause spricht davon, dass der große Vorteil bei der Eclipse-Verwendung die erreichte Zeitersparnis sei, beispielsweise weil die Treiber für die jeweiligen Betriebssysteme nicht mehr neu geschrieben werden müssen, was normalerweise sehr komplex ist. “Dabei profitieren die Entwickler davon, dass in die Eclipse-Entwicklung bereits Hunderte von Mannjahren gesteckt worden sind. Das hohe Niveau der Entwicklungsumgebung kommt schließlich nicht von ungefähr, da steckt Arbeit drin, die eine einzelne Firma nicht in der Form leisten könnte.”

Download und Nutzung sind zwei paar Stiefel

Krauses Optimismus teilt auch Bola Rotibi, Ovum-Analystin für Application Lifecycle Management. “Eclipse ist als Entwicklerumgebung einer der am schnellsten wachsenden Trends, die wir am Markt sehen – soviel ist sicher.”  Ein paar Tausend Unternehmen weltweit setzen ihren Informationen nach Eclipse ein, es gibt derzeit europaweit etwa 135.000 regelmäßige Nutzer in Unternehmensumgebungen. Bei der Zählung berücksichtigt sie allerdings auch die von Unternehmen vertriebenen Versionen, wie ‘JBuilder’, eine Umgebung von Borland – für sie einer der Marktführer im Bereich professionelle Anwendungen auf Eclipse-Basis. Doch sie rät bei der tatsächlichen Verbreitung zur Vorsicht.

“Die Akzeptanz kann man nicht an den Download-Zahlen der Eclipse-Organisationen festmachen, die gehen natürlich in die Millionen, aber die tägliche Nutzung lässt sich daraus nur sehr verschwommen ablesen”, sagt sie. In den vergangenen 18 Monaten hatte es demnach 2 Millionen Downloads gegeben. Insgesamt spricht beispielsweise die Eclipse Foundation von 50 Millionen Downloads seit beginn der einzelnen Projekte. Aber auch hier wird zugegeben, dass es bei weitem nicht 50 Millionen Java-Entwickler auf der Welt gibt, die Downloads also aus ganz praktischen Gründen nicht alle produktiv eingesetzt werden können.

In Umfragen hat Rotibi festgestellt, dass Eclipse ganz oben auf der Agenda der Entscheider steht, wenn die strategischen Aufgaben der Softwarearbeit besprochen werden sollen. Aber umgesetzt hat ihres Wissens noch kaum jemand die hochfliegenden Pläne. Sie spricht in ihrem Kundenumfeld von gerade mal 10 Prozent, die tatsächlich Eclipse in der einen oder anderen Form heute nutzen.

Dabei sieht sie die Trends vor allem in Bezug zu Rich Client Platforms (RCP). In diesem Zusammenhang sieht sie auch, dass das Engagement der großen IT-Hersteller für die Plattform nützlich ist. Und je mehr große Player dabei sind, so Rotibi, desto mehr werde Eclipse kommerzialisiert. Ergo: desto mehr werde es vom “Modeschnickschnack für Technikfreaks” zu einem ganz normalen Gebrauchsgut.

Der Mehrwert macht’s

“Das ist gut, denn die Leute konzentrieren sich dann weniger auf die Technikfeinheiten und mehr auf den zugesetzten Geschäftswert”, sagt sie. Und der kommt durch die Plug-ins, die der Anwender einbaut, die Schnittstellen, die durchgehende Lösungen ermöglichen, oder die Zusatzanwendungen, die die einzelnen Eclipse-Produkte schon mitbringen.

So hat beispielsweise die Firma Inventage eine Kundenbeziehungslösung für Banken geschrieben, die auf Eclipse aufsetzt und bereits seit mehreren Jahren bei der renommierten Bank HSBC Guyerzeller in der Schweiz eingesetzt wird. Fünf Möbelgroßhändler, die mittlerweile ihre Ressourcenplanung auf Basis von Eclipse von RCP-Software bewerkstelligen, wollen nicht genannt werden, obwohl sie einen Großteil ihres Mehrwerts jeden Tag mit dem Planungstool auf Eclipse erzeugen. Auf der Open-Source-Seite führt die Foundation stolz an, dass 10.000 Nutzer und Konsumenten aktiv seien, die die RSS-Technik ‘RSSOwl’ für die Ausgabe ihrer Feeds verwenden. Der Newsreader baut auf verschiedenen Open-Source-Tools von Eclipse auf. Wie viele von ihnen sich dessen bewusst sind, ist aber nicht bekannt.

Bola Rotibi geht davon aus, dass es jetzt langsam schick werden könnte, die eigenen Eclipse-Entwickler aus dem Keller zu holen und ins Rampenlicht zu stellen. “Eclipse wird erwachsen und damit geht eine Gewöhnung einher, die zunächst als weiterer Treiber des Mehrwerts wirken kann”, sagt sie. Da der Lebenszyklus einer Software ebenso wichtig ist wie der Code an sich, wird die Business-Tauglichkeit in den Vordergrund gehoben, meint sie. Damit kommt dann die Qualität, von der auch Jochen Krause von Innoopract spricht.

Jedoch: “Es gibt eine gewisse Vorsicht gegenüber Open Source in den IT-Abteilungen, das liegt an der Support-Strukur.” Und es sei allgemein bekannt, dass IT-Manager nichts mehr hassen als alles, was auch nur nach Zeitverschwendung riecht. Daher müssen ihrer Ansicht nach zuerst die Service- und Supportfragen geklärt sein. “Eine schicke Lösung, in die aber erst mal Zeit und Kraft gesteckt werden muss, hält den Betrieb auf”, so die Analystin. Daher müssten die Eclipse-Entwickler gründlich über diese Frage nachdenken, bevor die Geschäftsanwendungen ins Rollen kommen können.

Einen Nachteil von Eclipse bezieht sie denn auch genau darauf: “Sicherlich hat Eclipse wie jedes Toolset einige Lücken, aber die werden geschlossen, sobald die Produktreife da ist.” Skalierbarkeit und Zukunftssicherheit nennt sie als die Dinge, an denen ihrer Ansicht nach noch gebastelt werden muss, auch bei den Anwendungen, die mit viel Aufwand mit und aus Eclipse-Plug-ins gestrickt werden.

Seit’ an Seit’ mit MS Visual Studio

Naturgemäß ist Ian Skerrett da anderer Meinung. Der Marketing Manager der Eclipse Foundation ist einer der acht Leute, die dort fest angestellt sind, den Entwicklungsprozess am Laufen halten, die Infrastruktur pflegen und die Roadmap veröffentlichen. “Der Erfolg von Eclipse beruhte bislang auf reine Mundpropaganda der Entwickler untereinander. Das ging ganz gut, doch der Schub, den die Umgebung im März 2005 durch den Beitritt von Schwergewichten wie Oracle und Bea bekam, ist unvergleichlich”, sagt er. Seitdem werde Eclipse als universelle Entwicklerplattform gesehen. “Die Kritik an der Unterstützung der Großen teilt er nicht.

Eclipse und Microsoft Visual Studio sind für Skerrett übrigens die einzigen echten Standard-Entwicklungsumgebungen – Netbeans von Sun lässt er da gar nicht gelten. Diese sei genau das, was Eclipse immer fälschlicherweise vorgeworfen werde: “Nur eine nette, kleine Java-IDE, sonst nichts”. Netbeans stelle nicht den gesamten Software-Lebenszyklus dar. Bei Eclipse werde schon durch die Architektur vorgegeben, dass sich ein Anwender auch noch nach Jahren auf diese Grundlage verlassen kann. Das gewährleisten die Editoren als Basis, darin spezielle Plug-ins, die wiederum standardisierte Entwicklungsarbeit erlauben, und die Anwendungen darunter in Eclipse verankern, unabhängig von den Betriebssystemen. “Die Anwendungen oben drauf, die der Nutzer baut, schaffen erst den Mehrwert für den Einsatz, und den Vorteil davon erkennen immer mehr Firmen”, sagt Ian Skerrett. Und er ruft der Entwicklerwelt zu: “Jeder kann bei einem der 45 Projekte mitarbeiten, damit Eclipse noch offener, skalierbarer und besser wird, es gibt keine geschlossene Kundenkartei.” Aber die Anwender haben noch Hürden zu überwinden, das weiß er.

Diese Hürden beschreibt Carl Zetie etwas genauer. Zetie ist Analyst bei Forrester Research und bei ihm handelt es sich um einen der wenigen Analysten weltweit, die sich mit den Gründen für die Eclipse-Akzeptanz im Unternehmen beschäftigen. Bei der Befragung von Managern, Programmierern und IT-Projektleitern hat er auch herausgefunden, dass Eclipse gerade dabei ist, in der Teppichetage salonfähig zu werden. “Um heute ein richtiges Bild zu bekommen, muss man sich ansehen, was Entwickler tatsächlich tun, nicht so sehr, was die Entscheider für den offiziellen Abteilungsstandard halten”, schreibt er in einer kürzlich erschienenen Studie zum Thema.

Amnestie für die Entwickler

Manager seien sich oft nicht im klaren, inwieweit Eclipse bei ihnen genutzt werde, das führe zu falschen Zahlen bei der IT-Abrechnung. “Solange die Programmierer glücklich und produktiv sind, drücken viele Manager beide Augen zu”, so Zetie. Ob die Firmenpolitik, wie es derzeit noch recht häufig anzutreffen ist, Open Source verbietet oder nicht, ist ihnen unter diesen Umständen oft egal. Die Ursachen für diese glatte Lüge sind für ihn breit gefächert. Einige, so Zetie, schämen sich zuzugeben, dass sie teure Lizenzen eingekauft haben, wo doch das frei verfügbare Eclipse viel lieber benutzt wird und offenbar genauso gut funktioniert. Das hänge zwar von der Fähigkeit und Vorliebe der jeweiligen Programmierer ab, aber es gebe heute keinen Java-Developer mehr, der Eclipse noch nie “in den Fingern” hatte.

Ein weiterer Grund ergibt sich aus dem ersten: CIOs fürchten, dass das Werkzeug-Budget im nächsten Geschäftsjahr gekürzt werden könnte wenn sich herausstellt, dass sie auch mit weniger Geld dasselbe in der IT bewegen können. Die Nutzung von Open-Source-Software zu vertuschen liegt darin, dass sie vor einer regelrechten Unternehmenspolitik-Polizei auf der Flucht sind. In diesen Firmen ist es strikt verboten etwas zu verwenden, was den Geruch von Open Source trägt. IT-Manager stellen sich also vor die Programmierer und binden den Policy-Beauftragten gewissermaßen den proprietären Bären auf. Doch Zetie ist sicher: “So wie sich Eclipse-Nutzung ausweitet und das Bewusstsein dafür steigt, erwarten wir, dass es in etwa 12 Monaten ganz offen eingesetzt wird, wenn auch nicht notwendigerweise mit offizieller Unterstützung.”

Er empfiehlt eine ehrliche Inventarisierung und die offene Nutzung von Eclipse – schließlich gibt es auch kommerzielle Anwendungen auf Eclipse-basis, das Support-Problem fällt damit weg. Und er empfiehlt, den Entwicklern, die gegen etwaige Unternehmensregeln verstoßen, eine Amnestie zu gönnen. Schließlich sei heute in fast jedem Unternehmen irgendwo Eclipse. Lieber sollten die Software-Wächter die Support-Politik des Unternehmens anpassen und für Eclipse eine Ausnahme machen. So wie sich die Umgebung entwickelt, meinen die Pioniere, lässt sie sich sowieso nicht vom Firmenpförtner aufhalten.

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Silicon-Redaktion

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