Es geht die Mär vom CIO, der sich auf der Jagd nach unerlaubter Software an seine Softwareentwickler heranpirscht – aber die haben inzwischen gelernt, den Bildschirm blitzschnell von der Eclipse-Programmierumgebung umzuschalten, so dass der Chef nur die offiziell sanktionierte Entwicklungsumgebung zu sehen bekommt. Doch dieses Szenario kann bald der Vergangenheit angehören. Denn Eclipse-Befürworter und Analysten sind der Ansicht, dass die Technik kurz vor dem endgültigen Durchbruch steht.
Dabei schadet die Unterstützung von IBM für das ehemals eigene Projekt offenbar nicht, die Riesenmaschine kann das Open-Source-Projekt in den Rang einer Qualitätssoftware erheben. Ein anderer Aspekt für den Erfolg ist Open Source. Das macht die Entwicklungsumgebung, die IBM vor ein paar Jahren mit 40 Millionen Dollar und jede Menge Code ins Leben rief und 2004 offiziell ausgliederte, immer attraktiver. Nicht nur für IBM oder die zahlenmäßig schwer fassbare, weltweite Community.
Die Unterstützerliste ist beachtlich: JBoss hat seinen Web Application Server und dessen Schnittstellen mit Eclipse-Werkzeug gebaut und Borland plant den ‘JBuilder’ Eclipse-kompatibel zu machen. Bea Systems engagiert sich aktiv in der Foundation, um dort Entwicklungsumgebungen zu bauen und ihre Zukunft mit zu bestimmen. Der Spezialist für Datenmanagement, Versant, setzt sich für ein Mapping-Tool für Java ein, das auf Eclipse basiert. Sogar Oracle strickt die Java-Bausteine für die kommenden Produkte in der Datenbankwelt nach dem Eclipse-Muster und stellt Code zur Verfügung. Und das sind nur einige Beispiele – die Werkzeuge verstehen sich laut der Eclipse Foundation als “universelle Werkzeug-Plattform, ein offenes und erweiterbares Integrated Development Environment (IDE) für alles und doch nichts Spezifisches.” Offenheit und Adaptierbarkeit sollen damit ausgedrückt werden.
Abgesehen von offenen Plug-ins gibt es viele kommerzielle Anwendungen für Softwareentwicklung mit Eclipse-Geschichte: JBoss ‘Eclipse IDE’, PureEdge ‘Designer’ und IBMs Rational-Umgebungen sind hier zu nennen. Auch SAP ‘Netweaver Developer Studio’ ist eine so genannte integrierte Entwicklungsumgebung (IDE), die auf der offenen Umgebung basiert und Entwickler beim Schaffen von Business-fertigen Java-Applikationen unterstützen soll. In diesem Falle vor allem für die Netweaver-Plattform. Ein schlagkräftiges Argument ist allerdings die Marktmacht von IBM: Nahezu sämtliche ernst zu nehmenden Entwicklungstools von Big Blue setzen auf Eclipse auf oder werden stark von Eclipse beeinflusst. Zumindest kompatibel sind IBM/Rational’s ‘Software Architect’, ‘Application Developer’ und ‘Web Developer’ mit der offenen Werkzeugleiste. IBM Websphere Studio wurde ganz auf Eclipse aufgebaut.
Geld verdienen ist angesagt
Am Beispiel von JBoss erklärt, einem Anbieter freier Application Server, macht der Einsatz einer Eclipse-gängigen Version von JBoss IDE beispielsweise Sinn, wenn eine JBoss-Umgebung vorhanden ist. Das Unternehmen hilft ganz konkret bei der Einführung. So soll es für die Programmierer leichter sein, für die einzelnen JBoss-Versionen zu programmieren. Sie müssen die Umgebung nicht mehr für bestimmte Schritte und Debuggings verlassen, beispielsweise beim Monitoring und der Pflege der JBoss-Server. Das soll den Entwicklungs-Lebenszyklus effektiver gestalten. Die Eclipse-Plug-ins werden dabei aus den Grundbausteinen heraus für die Anwendungen programmiert – also “gegen” sie, wie es in der Entwicklersprache heißt.
JBoss selbst soll durch die Eclipse-Einpflegung revolutioniert worden sein, meint David Jamae von Jamae Consulting. Die Entwicklungsumgebung der Open-Source-Firma habe bislang keine GUI-Schnittstelle (Graphical User Interface) gehabt. Diese sei erst durch die Eclipse-Plug-ins gekommen. Eclipse, vielseitig und multikompatibel – hat zwar bereits JBoss-Produkte unterstützt, dennoch empfahl sich der Eigenbau aus dem Baukasten heraus, weil so eine Version entstanden ist, die in wenigen Schritten implementierbar ist. Und sie hat noch einen Vorteil, so Jamae: Sie wird direkt von den JBoss-Entwicklern selbst gepflegt, was eine gewisse Sicherheit bei der Verwendung mit sich bringt.
In Embedded-Bereich basiert – wohl aus ähnlichen Gründen – die Palm OS Developer Suite auf Eclipse, auch die Wind River Workbench kommt aus dieser Ecke; im Linux-Umfeld scheint gar nichts ohne Eclipse zu gehen: Die Community, innerhalb der Foundation, vertreten durch den Experten Ian Skerrett, listet auf, dass sowohl Novell/SuSE ‘SDK’, als auch die Red Hat ‘Developer Suite’ und Intels ‘C++ Compiler Version 8.1’ für Linux durch Eclipse-Arbeiten zustande gekommen sind.
Aber auch echte Geschäftsanwendungen schieben sich ins Rampenlicht. Die aus einem eigenständigen Projekt hervorgegangene Lösung ‘BIRT’ wird unter neuem Namen als eigenständiges Produkt von der US-Firma Actuate vertrieben. Sie ist eine veritable Business-Intelligence-Lösung. Wenn man dem Vertrieb glaubt, kann sie eingebaut werden und “loslegen”. Noch gibt es wegen der Jugend der Versionen keine echten Kunden, doch das soll sich bald ändern.
Ein Plug-in mit extra Käse
Eine andere Herangehensweise, mit Eclipse zu punkten, fährt der Karlsruher Distributor Innoopract. Der Distri stellt sich als Europas einziges Haus mit reinem Eclipse-Fokus vor. Hier bekommen Kunden Fertig-Software für Eclipse-Programmierung, die jeweils neueste Eclipse-Version, und auch Hilfen für den unkomplizierten Eigenbau von Geschäftsanwendungen mit der Workbench. Noch sind die meisten dieser Hilfen in englisch gehalten, die deutsche Eclipse Foundation hat derzeit noch keine umfangreichen Online-Hilfen und Support-Aufgaben für Unternehmen verteilt. Innoopract bietet deshalb auch Schulungen an und rührt die Werbetrommel für die Umgebung.
Diese Arbeit läuft seit einem Jahr mit spürbar mehr Erfolg als zu Anfang, meint Geschäftsführer Jochen Krause. “Die Nachfrage wird größer, das Bewusstsein für Eclipse in Firmenumgebungen steigt “, sagt er. “Dabei nimmt Eclispe denselben Akzeptanzweg wie seinerzeit Linux. Vor sechs bis acht Jahren wollte auch niemand öffentlich sichtbar machen, dass er es einsetzt.” Genauso sei es heute mit Eclipse, und deshalb werde auch noch nicht viel über den Einsatz geredet – er könne wettbewerbsentscheidend sein, weil der Software-Lebenszyklus einfacher werde. Es gebe heute Unternehmen, deren Aktienkurs nach oben klettert, weil sie ihren Linux-Einsatz öffentlich machen. Dasselbe erwartet Krause für Eclipse im Software-Lebenszyklus. “Eclipse wird sich aber schneller etablieren, weil Open Source bereits Pionierarbeit bei den Anwendern geleistet hat.”
Doch derzeit sieht er auch hierzulande hundertfach die heimlichen Developer, die ähnlich wie in den USA nur mit einem zweiten Täusch-Bildschirm an Eclipse-Schritten bauen. Krause hat dafür eine Erklärung: “Die Firma hat vielleicht für viel Geld eine andere Lösung gekauft, und die muss nun auch benutzt werden.” Eclipse hingegen ist kostenlos und – wie viele Entwickler meinen – besser.
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