“Anlässlich des Mozart-Jahrs eröffnet Jamba ein spezielles Download-Portal für Klassik-Klingeltöne”, verbreitete da eine PR-Agentur, die fast so lästig ist wie ihr Auftraggeber.
Das Mozart-Jahr. Ein wirkliches kulturelles Phänomen! Was in dem nicht alles vermarktet wird. Alabasterbüsten des Komponisten etwa bietet das Nordlädchen aus Quickborn im Internet feil. Ja, irgendwie ist heuer jeder Ort Mozart-Stadt. Nicht nur Salzburg und Wien. Vielleicht sogar ein klein wenig das – dem Meister seinerzeit wohl so ziemlich unbekannte – Quickborn im Landkreis Pinneberg.
Die Marketing GmbH der baden-württembergischen Landeshauptstadt wiederum räumt auf www.tourist-stuttgart.de freimütig ein: “Zwar hatte Mozart zu seinen Lebzeiten kaum direkte Berührungspunkte mit Stuttgart gehabt.” (Noch freimütiger wäre: gar keine, nicht einmal indirekte.) Aber immerhin im nur 12 Kilometer entfernten Ludwigsburg sei er schon einmal gewesen. Und zwar exakt am 10. Juli 1763. Und nachdem so – quasi mit einer Virtuosität, die jener von Mozarts Kompositionen gleichkommt – der Bezug hergestellt ist, fragen die Vermarkter denn auch sogleich: “Brauchen Sie noch eine Übernachtungsmöglichkeit?”
Der amerikanische Kraft-Konzern (Majo, Ketchup, Milka, Café Hag) hat derweil seine Markenrechte an der Mozartkugel abgeklärt. Ihm gehört “die echte Salzburger M.”, Jahresproduktion: 90 Millionen, die keinesfalls mit der – mit einem jährlichen Ausstoß von 1,5 Millionen Stück produzierten – “Original Salzburger M.” des örtlichen Nischenanbieters Fürst verwechselt werden darf.
All das ist doch sehr dazu angetan, einen in Nostalgie schwelgen zu lassen. In Erinnerungen an die eigene Jugend, welche im Unterschied zur heutigen eine wilde und rebellische war. “Kommerz!” hätte damals unser Verdikt gelautet. Und wir hätten uns genauso angewidert wie zufrieden – weil in unseren tiefsten Überzeugungen bestätigt – abgewandt.
So ein Unternehmen wie Jamba hat uns damals allerdings echt gefehlt – in unserer Argumentation. Hinter jedwedem Konsum sahen wir die Manipulation. Nur nachweisen ließ die sich halt so schlecht. Da wäre uns Jamba wirklich zupass gekommen.
Mit den Jahren – und mit steigenden Einkommen – haben wir’s dann aber aufgegeben, jenen Nachweis führen zu wollen. Es hat nicht sollen sein. Ist allerdings auch ganz angenehm so.
Heuer – im Jahr 2006 – werden wir wohl nur einmal für einen kurzen Moment wieder so richtig konsumkritisch sein: wenn wir mit unserer 75-Euro-Karte im Sommer zum Stones-Konzert gehen. Und wenn dann zum Schluss Sir Mick und die anderen Gentlemen, die noch viel mehr in die Jahre gekommen sind und deren Einkommen auch noch viel stärker gestiegen ist, wenn die dann unsere Hymne spielen: Satisfaction. “When I’m watching my TV, and that man comes on to tell me, how white my shirts can be… I can get no… ” heißt es darin ja so schön.
Ach ja, wenn wir jung wären, wie lustvoll würden wir diese – unsere eigene – Dekadenz geißeln. Aber was tut die Jugend von Heute?
Sie lädt sich Klingeltöne herunter – meist von Jamba, dieser seltsamen Firma, die jetzt – nach sechs Wochen! – drauf kommt, dass heuer Mozart-Jahr ist. Selbst das Nordlädchen aus Quickborn war da um einiges schneller.
Geschätzte 100 Millionen Euro macht Jamba im Jahr, ohne dafür etwas zu bieten, was auch nur im entferntesten einen Gegenwert darstellt: Auf Platz 1 bei den hauseigenen Download-Charts in der Kategorie “Fun Sound” rangiert derzeit etwa ein Audio-Fizzelchen mit dem Titel “Saufen F**ken Randalieren”. Kostenpunkt: wohl ein Euro – im “Sparabo”.
Wir hätten seinerzeit niemals “**” verwendet. Außerdem nannten wir es vor 30 Jahren “Sex and Drugs and Rock’n Roll”. Was das gleiche meinte, aber sehr viel edler klang. Und wenn ein US-Konzern auf die Idee gekommen wäre, uns für so einen oder irgendeinen andern Spruch Geld abzuverlangen, wie hätten wir den dann entlarvt!
Aber zu sowas ist die Jugend ja heutzutage nicht mehr fähig. Ein trauriges Bild geben sie ab, die Youngsters, wenn sie so rumsitzen: in ihren Markenjeans, die gegen einen gehörigen Aufpreis auf “used” gemacht worden sind, die Haare nicht lang, sondern mit – für viel Geld – eingefärbten Strähnchen, darüber eine verkehrt herum aufgesetzte Basketballmütze und mit dem Daumen gelangweilt am unvermeidlichen Handy spielend.
Sie können einem fast schon ein wenig leid tun. Sie haben’s schließlich auch wirklich nicht leicht. Schon in der Vorschule hat man sich den Kopf darüber zerbrochen, ob ihre Generation später einmal dem internationalen Wettbewerb wird standhalten können. Und seitdem werden sie drauf getrimmt, einen lückenlosen Lebenslauf zu haben. Da ist man dann wohl etwas zu schlapp fürs altersgemäße Rebellieren und Provozieren.
Und außerdem ist das – wie alles heutzutage – ja auch schwer: Was kann schließlich ältere Herrschaften aus der Fassung bringen, die zusammen mit den Rolling Stones in die Jahre gekommen sind?
Über nervige und geschmacklose Klingeltöne und “Fun Sounds” vom Handy hören die ja altersmilde hinweg. Was umso leichter fällt, je mehr der viele und laute Rock’n Roll in deren eigener Jugend ihr Gehör angegriffen hat.
Und die einzig verbliebene Provokation, das, was unsereins wirklich als Sakrileg empfinden würde, müsste er es aus einem Handylautsprecher hören, das gibt’s nicht von diesem unsäglichen Klingelton-Portal. Man wird ja vorsichtiger, wenn man in die Jahre kommt, und überprüft das lieber. Aber die Antwort auf die entsprechende Anfrage fällt dann doch sehr beruhigend aus: “Leider wurde für dein Handy nichts zum Thema ‘Rolling Stones’ gefunden.”
Ja, die Zeiten, sie sind schlecht. Aber das Schlimmste ist uns bislang jedenfalls erspart geblieben.
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