Es gibt kaum ein eindeutigeres Zeichen für den außergewöhnlichen Erfolg eines Produkts, als wenn dessen Name im Laufe der Zeit in die Umgangsprache einfließt. Googeln ist so ein Beispiel, oder auch das gute alte Tempo. Jüngstes Mitglied in dieser Liga ist Podcasting – eine Verschmelzung aus iPod und Broadcasting. Die ersten Podcasts tauchten vor rund einem Jahr auf – inzwischen gibt es weltweit rund 5000 bis 7000, die meisten davon in den USA. Auch Australien liegt gut im Rennen, aber bereits auf dem dritten Platz rangiert Deutschland mit derzeit etwa 400 Podcastern.
Da täglich beziehungsweise nahezu stündlich neue hinzukommen, ist es schwierig den Überblick zu behalten – längst hat auch das Who is Who der hiesigen Medienszene das Phänomen für sich entdeckt: Der Bayerische Rundfunk, die Tagesschau, das Handelsblatt, Late-Night-Talker Harald Schmidt – sie alle experimentieren mit den Wortbeiträgen, die über das Internet verbreitet und auch abonniert werden können, so dass sie automatisch auf dem Computer landen.
Hinzu kommen Firmen, Institutionen und Parteien, die alles als Podcast veröffentlichen, was ihrer Meinung nach interessant sein könnte. So gibt es die Wahlparteitagsrede von Bundeskanzler Gerhard Schröder genauso als kostenlose Audiodatei wie Investoren-Informationen von IBM oder Informationen und Nachrichten zur diesjährigen Oracle OpenWorld.
Tatsächlich werden jedoch 90 Prozent aller Podcasts derzeit noch privat produziert – die Bewegung wird getrieben von einer Art Pionier-Gefühl, das jeden zum Radiomacher macht. “Jeder ist für 15 Leute berühmt”, zitiert die New York Times einen Podcaster in Anlehnung an Andy Warhol. Das Ergebnis freilich ist oftmals gewöhnungsbedürftig. Ähnlich wie in der Blogger-Szene gibt es auch unter Podcastern bisweilen einen beklagenswerten Mangel an Selbstkritik – was nichts daran ändert, dass es die Hobby-Radiomacher waren, die dem Phänomen zum Durchbruch verholfen haben.
Vom Podfather zum Podvertising
Als Urgestein der Szene – auch genannt ‘Podfather’ – gilt unbestritten der ehemalige MTV-Moderator Adam Curry. Vor ziemlich genau einem Jahr ersann er gemeinsam mit dem Web-Entwickler und Blog-Guru Dave Winer eine Methode, Audiodateien zeitversetzt und automatisiert in den Speicher von MP3-Spielern zu übermitteln. Typischerweise werden die MP3-Dateien dabei auf einem Computer erstellt und dann auf einem Webserver im Internet veröffentlicht. Immer wenn eine neue Datei dazu kommt, wird ein ‘RSS 2.0 Feed’ mittels einer Weblog-Software mit so genannten ‘enclosure tags’ aktualisiert. Nutzer können diese RSS-Feeds dann mit speziellen Podcasting-Clients abonnieren. Dass heißt, die Audiodateien werden automatisch heruntergeladen und auf einer Festplatte abgelegt.
Als ersten Podcasting-Client entwickelten Curry und Winer gemeinsam den ‘iPodder’ – das plattformübergreifende Open-Source-Projekt sorgte im Spätsommer 2004 für Furore. Dennoch ist für das Tool bereits der Ruhestand in Sicht – unter anderem weil Ende Juni Apple mit seiner aktuellsten Version iTunes 4.9 die Verwaltung von Podcast-Abos in seinen iPod integriert hat. Binnen eine Woche hatten zwei Millionen Nutzer dieses neue Angebot genutzt. Damit hat sich nicht nur der Kreis zum Namensgeber geschlossen – die Einfachheit der geschlossenen Systemkette iTunes/iPod wirkt auf das neue Medium wie Extrem-Doping.
Zur besseren Orientierung bietet iTunes außerdem eine Hitliste mit dem Top-100-Podcasts – entscheidendes Kriterium ist dabei die Zahl der Abonnenten. Dass das Phänomen im Zeitraffer den Kinderschuhen entwächst, lässt sich an diesen Charts am deutlichsten ablesen. Gut bis professionell gemachte Podcasts dominieren verstärkt die Spitzenplätze und verdrängen die experimentierfreudige Gründerszene.
“Das Listing bei Apple ist nicht durchsichtig, vor allem die Zeiten, bis man aufgenommen wird, sind sehr unterschiedlich”, bemängelt jedoch Thomas Wanhoff im Interview mit silicon.de. Wanhoff ist Vorsitzender des neu gegründeten ‘Verband deutschsprachiger Podcaster’ und betreibt mit ‘Wanhoffs Wunderbare Welt der Wissenschaft’ einen der meistgehörten deutschen Podcasts. Als Alternative zu iTunes verweist er auf die etablierten deutschen Seiten podster.de und podcast.de. Sie bieten Podcasts wie ‘Schlaflos in München’, ‘Wahnzeit’ oder ‘Starfrosch’ noch eine wesentlich größere Bühne.
Experimentieren gehört zum guten Ton
Der rasante Erfolg des Internet-Radios zum Mitnehmen lässt die Platzhirsche der Medienszene Morgenluft wittern. Von der BBC über Disney bis zu DaimlerChrysler gibt es in den USA kaum noch einen Konzern von Rang und Namen, der sich nicht in der Podcasting-Szene tummelt. Sie alle wittern ein neues Geschäft – auf einem Markt, der so jung und dynamisch ist, dass die dazugehörigen Geschäftsmodelle noch nicht einmal entwickelt sind. Die Reviere werden aber vorsichtshalber schon einmal abgesteckt – es lockt das ‘Podvertising’.
Schließlich bejubelte Apple-Chef Steve Jobs Podcasting kürzlich als die “Zukunft des Radios” und beschwor damit Visionen eines millionenschweren Werbemarkts herauf. Doch Podcast-Hörer sind alles andere als durchschnittliche Radiokonsumenten – sie suchen sich ihre Sendungen gezielt im Netz, um ihnen aufmerksam zuzuhören, anstatt sich von einem eher willkürlich ausgewählten Radiosender berieseln zu lassen. Zu den Geheimnissen des Podcast-Erfolgs gehört, dass die Sendungen jedermann kostenlos zur Verfügung stehen und dass sie nicht alle paar Minuten von Werbebreaks zerrissen werden. Nichts könnte das Medium deshalb schneller töten als die Überdosis Werbebrei, unter dem auch kommerzielle Radiosender zu ersticken drohen.
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